Italiens Kirche setzt auf Stimmenthaltung

Bevölkerung stimmt über Italiens rigides Gesetz zur künstlichen Befruchtung ab. Das Referendum wird aber nur gültig, wenn sich mehr als die Hälfte der Stimmberechtigten beteiligt. Katholische Kirche sieht gute Chancen, dass alles beim Alten bleibt

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Kein Wort wird in diesen Tagen in Italien so häufig bemüht wie „vita“, „Leben“. Schließlich steht am Sonntag und Montag die Volksabstimmung über das Gesetz zur künstlichen Befruchtung an – und in ziemlich schrillen Tönen ziehen Befürworter und Gegner des Gesetzes übereinander her, rühmen sich selbst als Lebensschützer, die anderen dagegen als Feinde des Lebens.

Verabschiedet worden war das Paragrafenwerk – es ist noch rigider als das deutsche Embryonenschutzgesetz – im letzten Jahr. Große Teile der Regierungskoalition, aber auch der oppositionellen Mittepartei „Margherita“ unter Francesco Rutelli hatten zum Wohlgefallen des Vatikans fast alles verboten, was es auf diesem Feld zu verbieten gibt. Gestattet ist die künstliche Befruchtung bloß heterosexuellen Paaren und auch bloß bei erwiesener Sterilität. Pro Versuch dürfen drei Embryonen befruchtet werden, und alle drei müssen dann der Frau implantiert werden, auch wenn Mehrfachschwangerschaften drohen. Verboten ist jegliche Diagnostik an Embryonen vor der Implantation, verboten ist medizinische Forschung an aus Embryonen entnommenen Stammzellen, verboten ist therapeutisches Klonen, verboten ist der Rückgriff auf Spendersamen.

Gegen dieses Gesetz strengten die kleine Referendumspartei der Radikalen ebenso wie die Hauptoppositionspartei, die Linksdemokraten, das nun anstehende Referendum an, um wenigstens einige Punkte zu korrigieren. „Viermal Ja“, lautet ihre Parole, Ja zur Korrektur. Vorneweg soll der Grundsatzparagraf abgeschafft werden, der auch einem gerade befruchteten Eizelle den Status einer Person zubilligt. Außerdem soll das Verbot fallen, Embryonen einzufrieren, wie auch der Präimplantationsdiagnostik und der medizinischen Forschung an Embryonen der Weg geebnet werden soll. Und so wie die Katholiken den Schutz des ungeborenen Lebens reklamieren, so beanspruchen die Gesetzesgegner, ihnen gehe es um den Schutz des Lebens hunderttausender Kranker.

Das „Ja“ steht aber auch für ein Ja zur Abstimmung. Die Katholische Kirche nämlich hat aus ihren Niederlagen von 1974 bei der Ehescheidung und 1981 bei der Abtreibung gelernt: Sie trommelt keineswegs für ein Nein, sondern für Stimmenthaltung. Denn wenn weniger als 50 Prozent der Wähler an die Urnen gehen, ist das Referendum ungültig – und das Gesetz bleibt. Die Chancen für die Kirche stehen nicht schlecht: Bei Referenden schätzen Wahlforscher die Zahl der sich aus Desinteresse Enthaltenden auf sowieso 30 bis 45 Prozent; bloß 5 bis 15 Prozent „überzeugte Stimmenthalter“ müsse die Kirche also mobilisieren.

Die hat zudem starke Unterstützung aus der Politik. Für die Stimmenthaltung trommeln die meisten Politiker des Regierungslagers. Bloß die Gleichstellungsministerin Stefania Prestigiacomo aus Berlusconis Partei Forza Italia sowie der Stellvertretende Ministerpräsident Gianfranco Fini von den Postfaschisten unterstützen das Referendum. Fini findet sich dabei nicht nur in seiner Partei isoliert – er musste sich auch Gerüchte gefallen lassen, seine Entscheidung rühre bloß daher, dass er eine heimliche Liaison mit der Kabinettskollegin Prestigiacomo habe. Wenig Überraschung löste dagegen aus, dass Francesco Rutelli und das Gros der Oppositionspartei „Margherita“ für die Stimmenthaltung trommeln. Rutelli hat zwar seine Karriere bei den antiklerikalen Radikalen begonnen – aber schon lange profiliert er sich als einer der vatikantreuesten Politiker Italiens.