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: Irrsinn Industriestrompreis

Robert Habecks Pläne bedrohen innovative Energiekonzepte, die es längst gibt. Sparsamer Umgang mit Ressourcen war immer ein Treiber von Fortschritt

Robert Habeck will kräftig Subventionen verteilen – nämlich in Form eines verbilligten Industriestrompreises. Zwar ist das für die Empfänger einstweilen wohltuend, nur: Wohin führt ein solches Konzept? Ortstermin in Eisenbach im Hochschwarzwald. Dort hat die Firma August Weckermann ihren Sitz, ein typischer Schwarzwälder Mittelständler, der – natürlich der Uhrenindustrie entstammend – in einer Nische zum Marktführer aufstieg. In diesem Fall mit einem Dreh- und Fräsverfahren, das eine unschlagbare Oberflächengüte bei Werkstoffen hervorbringt. Weckermann ist ein Unternehmen, das immer wieder neu erfinden musste – und das nun angesichts gestiegener Strompreise auch seine Energieversorgung kurzerhand neu erfindet. Ein derzeit in Bau befindliches Produktionsgebäude wird komplett mit Photovoltaik belegt, eine angrenzende Freifläche, die Raum für eine mögliche Erweiterung bietet, bekommt Freilandmodule.

Weil die Firma einerseits ihren üppig anfallenden Sonnenstrom in vielen Stunden nicht selbst verbrauchen kann und zugleich für den eingespeisten Strom wenig bekommt, und weil die Firma andererseits durch ihren Dreischichtbetrieb auch in der Nacht viel Strom braucht, speichert sie ihre Solarenergie per Batterie und Wasserstoff auf dem eigenen Gelände. So werde der Strombezug aus dem Netz auf weniger als ein Fünftel schrumpfen, rechnet das Unternehmen vor; der Preis des Netzstroms ist damit nur noch mäßig relevant.

Doch 800 Kilometer entfernt, in Berlin, wird nun ein Gesetz diskutiert, das solche Konzepte torpedieren würde – denn mit einem subventionierten Industriestrom würden sich ambitionierte Öko-Investitionen kaum noch lohnen. Welche Ironie der Geschichte: Ausgerechnet ein grüner Wirtschaftsminister schickt sich an, grüne Musterprojekte in die Unwirtschaftlichkeit zu treiben. In Eisenbach ist die Entscheidung für das Energiekonzept zwar gefallen, doch Nachfolgeprojekte ähnlicher Prägung andernorts dürfte Habeck mit seinen Subventionsplänen furios in die Tonne treten.

Nun könnte man geneigt sein, den rührigen Mittelständler aus dem Hochschwarzwald als Sonderfall abzutun. Das mag er, was die konkrete Ausgestaltung seiner künftigen Energieversorgung betrifft, einstweilen auch sein. Gleichwohl hat das Beispiel eine grundsätzliche Bedeutung, weil es einer Gesetzmäßigkeit folgt, die in der Industriehistorie belegt ist: Der Zwang, mit begrenzten und teuren Ressourcen sparsam zu wirtschaften, war immer ein wichtiger Treiber von Inspiration und Scharfsinn. Geschenke hingegen – und ein subventionierter Industriestrom wäre ein solches – machen träge. Wie kreativitätsstiftend Ressourcendruck sein kann, hat sich in den florierenden Industrieorten des Schwarzwalds immer wieder gezeigt. Eisenbach ist dafür ein Beispiel: Die Zahl der Arbeitsplätze in den Fabriken der 2.200-Einwohner-Gemeinde ist heute höher als die Zahl der Bürger im erwerbsfähigen Alter. Solche ländlichen Gemeinden gibt es im Südwesten öfter, und sie haben in der Regel eines gemeinsam: Es sind Orte, die durch ihre naturräumlichen Gegebenheiten – mitunter in 800 bis 1.000 Meter Höhe gelegen – nicht gerade begünstigt sind. In den langen Wintern der früheren Zeit, auf kargen Böden und durch eine Topografie, die nur klein parzellierte Weidewirtschaft zulässt, musste man immer fantasievoll sein, um sein Überleben zu sichern.

Das führte zu einer Tüftlerkultur, die sich bis heute erhalten hat. In Regionen hingegen, in denen man nur die Kohle aus dem Boden holen musste, um ganze Landstriche in Lohn und Brot zu bringen, war Innovationsgeist nie in solchem Umfang gefordert. Auch dort, wo fruchtbare und großflächig zu bewirtschaftende Ackerflächen verfügbar sind, fehlte offenbar ein wichtiges Moment für den ungestümen Erfindergeist.

Foto: privat

Bernward Janzing ist Fachjour­nalist für Energiewirtschaft mit besonderem Blick auf erneuerbare Energien. Er lebt in Freiburg im Breisgau.

So konnte im Südwesten ein Milieu für Pioniere entstehen, wie man es wohl nirgends sonst in Deutschland findet. In keinem Bundesland gab es im Jahr 2022 (absolut, wie auch pro Kopf) so viele Patente wie in Baden-Württemberg. Auf Platz zwei folgt Bayern, womit 65 Prozent aller deutschen Patente aus den beiden Südländern kommen.

Weitet man den Blick international, zeigt sich das gleiche Muster: Die meisten Ideen gedeihen in Staaten, in denen die Geografie den Menschen viel abfordert. Also jenen Regionen, in denen das Klima und die Topografie rau sind, in denen die Natur zugleich wirtschaftlich relevante Schätze nicht auf dem Silbertablett weiterreicht.

Die Innovationskraft der Weltregionen ist dokumentiert in der Statistik der Nobelpreise über die Jahrzehnte: Bemessen an der Bevölkerungszahl sind die Menschen in Schweden und Dänemark ganz besonders findig, auch jene in der Schweiz und in Österreich. Deutschland liegt hier ebenfalls gut im Rennen. Dort hingegen, wo man nur Öl aus der Erde pumpen muss, um sich ein sattes Leben zu sichern, fehlt offenbar die Motivation zur Kreativität.

Wenn Regierungen irgendetwas subventionieren, nimmt jedes Unternehmen das Geschenk gerne mit

Um auf den Industriestrompreis zurückzukommen: Wenn Regierungen irgendetwas subventionieren, nimmt jedes Unternehmen das Geschenk gerne mit. So würde auch verbilligter Strom zweifellos manche Wohltaten vollbringen. Nur eines werden künstlich gesenkte Preise eben nicht tun: den Einfallsreichtum der Menschen beflügeln und zukunftsweisende Energiekonzepte hervorbringen. Das schafft nur ein Wille zum Fortschritt und der ökonomische Anreiz, besser zu werden.

Deswegen ist jeder staatliche Euro, der in Energiesubventionen geht, ein Irrsinn – sowohl volkswirtschaftlich wie klimapolitisch. Nutzt der Staat hingegen das gleiche Geld, um Firmen zu helfen, ihre Energiekonzepte zu verbessern, dann investiert er in die Zukunft. Staatliche Hilfe muss Erfindergeist fördern und nicht Bequemlichkeit. Vielleicht sollte Robert Habeck mal in Eisenbach vorbeischauen.