Deutsches Team bei Basketball-WM: Daheim ist daheim

Die deutsche Basketballauswahl will bei der WM nicht nur mitspielen, sondern eine Medaille gewinnen. Jeder hat seine Rolle im Team gefunden.

Kampf ums Leder: Moritz Wagner (r.) streitet sich mit dem Finnen Grandison um denm Ball.

Kampf ums Leder: Moritz Wagner (r.) streitet sich mit dem Finnen Grandison um denm Ball Foto: Reuters

„Natio ist Heimat“, sagt Dennis Schröder, „man fühlt sich einfach wohl.“ Der NBA-Profi bezieht sich auf die Nationalmannschaft, in der er regelmäßig zu sich findet. Er führt das Team an, dirigiert und wirft im Durchschnitt 19,7 Punkte pro Spiel bei der Basketball-Weltmeisterschaft in Japan, den Philippinen und Indonesien.

Die Deutschen spielen bis dato im japanischen Okinawa, und am Freitag müssen sie nach drei Siegen gegen Japan, Australien und Finnland in der zweiten Gruppenphase gegen Georgien ran (10.25 Uhr; Magenta Sport). In der Auswahl des Deutschen Basketball-Bundes kann Schröder alles zeigen, was er mit seinen nun schon 29 Jahren drauf hat. Er ist kein Rollenspieler wie in der NBA, wo er von Verein zu Verein tingelt und nach einem erneuten Intermezzo in Los Angeles bei den Toronto Raptors gelandet ist.

In der langen Saison drüben in Amerika sieht man Dennis Schröder manchmal mit ostentativer Lustlosigkeit (oder Schluffigkeit?) den Ball nach vorne tragen; noch immer scheint er den Ballast der einst fahrlässig ausgeschlagenen Millionen-Offerte der Los Angeles Lakers und letztlich einer beschädigten Karriere zu tragen, aber jetzt, in der Truppe mit Johannes Voigtmann und Moritz Wagner, mit Daniel Theis und Maodo Lo, blüht Schröder auf, will augenscheinlich allen beweisen, wozu er berufen ist: zum verantwortungsvollen Teamleader, der mit seinen Kollegen Großes erreichen kann.

Bei der EM im vergangenen Jahr hat das schon gut geklappt. Das DBB-Team wurde überraschend Dritter und zeigte im Viertelfinale gegen Griechenland die vielleicht beste Leistung einer deutschen Auswahl überhaupt. Coach Gordon „Gordi“ Herbert hat die bestimmende Rolle Schröders forciert. Der so ruhig und besonnen wirkende Kanadier, der lange in Finnland gearbeitet hat, hat ihm die Führungsrolle auf dem Parkett überantwortet.

„Direkt und ehrlich“

Herbert ist ein großer Freund klarer Ansagen und Rollenverteilungen. Jeder soll wissen, woran er ist, wofür er zuständig ist – und wohin der Weg führen soll. „Direkt und ehrlich“ sei er, sagt Herbert, und das verstünden die Spieler vielleicht nicht unmittelbar, aber am nächsten Tag schätzten sie seine verlässliche Offenheit. „Wir stehen hinter Gordi“, sagt Schröder, „was er sagt, wird gemacht, deswegen ist die Teamchemie besonders.“

Zu Beginn der WM-Vorbereitung hat Schröder eine klare Ansage gemacht. Die Botschaft richtete sich an Maxi Kleber, NBA-Spieler in Dallas. Der Flügelspieler der Mavericks wollte nach der EM-Absage 2022 heuer zum Team stoßen, aber Schröder wurde richtig giftig und machte klar, dass es so nicht gehe. Kleber hätte schon früher „Commitment“ zeigen müssen, so wie zum Beispiel der im Vorjahr verletzte Moritz Wagner, der sich nicht zu schade war, den DBB-Tross während der EM zu begleiten.

Wagner hätte als vielbeschäftigter NBA-Profi in Diensten der Orlando Magic sicherlich auch anderes tun können, aber er wollte Teil der Mannschaft sein. Wenn Schröder, Herbert oder Wagner von „Identität, Einsatz und Gemeinsamkeit“ reden, dann ist das kein hohles Geschwätz, sondern ernst gemeint. Von Vorteil für Schröders Wohlfühlambiente war bestimmt auch, dass sich die Einbürgerungsdiskussion um Austin Reaves recht schnell erledigt hatte. Der NBA-Point-Guard mit deutschen Wurzeln, der in der vergangenen Saison einen verblüffenden Leistungssprung bei den Lakers hingelegt hat, steht nun für Team USA auf dem WM-Parkett.

Die Deutschen wollen wieder eine Medaille gewinnen. „Erfolg muss messbar sein“, findet Herbert. „Wir sind nicht selbstgefällig wegen des letzten Sommers, wir wissen, dass wir noch besser werden müssen.“ Das haben die Deutschen Schritt für Schritt geschafft, mit Teambasketball und einem soliden Selbstvertrauen, das im Erfolg der Vorsaison wurzelt. Das Team kann auf eingespielte Abläufe und Algrorithmen zurückgreifen und so selbst die Knöchelverletzung von Schlüsselspieler Franz Wagner (Orlando Magic) kompensieren. Wagner, der demnächst wieder einsatzfähig sein wird, offenbart die basketballerische Dreifaltigkeit im Team: „Confidence, Swag, Humble.“ Trotz eines selbstbewussten Auftretens, das schon mal ins Posing kippen kann, will das Team bescheiden bleiben.

Das fällt freilich immer schwerer, denn auch bei den Buchmachern ist der Lauf der Deutschen registriert worden. Die sehen nur noch die US-Amerikaner und die Kanadier vor den Deutschen. Die DBB-Truppe wirkt in der Tat so stabil wie seit zwei Jahrzehnten nicht. Sie könnte sogar schon vorzeitig das Viertelfinale erreichen, wenn in der Deutschland-Gruppe anschließend Slowenien gegen Australien siegt.

„Am Ende gewinnt die Mannschaft, die am besten funktioniert, in der die Rollen ganz klar verteilt sind“, sagt Aufbauspieler und Dreierschütze Maodo Lo. Und so sorgt Voigtmann als Mann des Ausgleichs für die gute Stimmung in der Kabine, Moritz Wagner bringt viel Energie rein, Andreas Obst versenkt verlässlich seine Distanzwürfe und Isaac Bonga reüssiert in der Starting Five, der Startformation. All das vermittelt das für Dennis Schröder so wichtige Heimatgefühl.

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