Debatte über den Industriestrompreis: Macht euch mal ehrlich

Industriestrompreis – kann man machen. Aber warum sollen Unternehmen immer sofort Entlastungen bekommen, wenn es mal nicht so läuft?

Beleuchtete Industrieanlagen der BASF in der Dämmerung, der Rhein ist im Vordergrund

Anlagen der BASF in Ludwigshafen Foto: U.J. Alexander/imago

Erinnern Sie sich noch an die EEG-Umlage? Damit wurde bis vor einem Jahr die Förderung der Erneuerbaren finanziert. Die Kosten trugen – fast – alle. Strom­intensive Unternehmen erhielten nämlich Rabatte. Und nun geht es in der ­Diskussion über den Industriestrompreis wieder um eine Extrawurst für die Industrie. Das kann man machen, sollte aber ehrlich dabei sein.

Zur Ehrlichkeit gehört erstens, dass es beim Industriestrompreis nicht um ein Konjunkturprogramm geht. Mit einem Industriestrompreis wäre die derzeitige Wachstumsflaute nicht aufgelöst. Das ist aber auch nicht schlimm. Eine Rezession von 0,3 bis 0,5 Prozent, wie sie Öko­no­m*in­nen für dieses Jahr vorhersagen, ist weit von einer veritablen Krise entfernt und für die Unternehmen verkraftbar. Stattdessen soll der Industriestrompreis dazu dienen, ihnen so lange zu helfen, bis der Ausbau der Erneuerbaren die Strompreise genügend nach unten gedrückt hat. Ob das sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt. Darüber streiten sich auch Ökonom*innen.

Zur Ehrlichkeit gehört zweitens, dass die Alternativen der Geg­ne­r*in­nen nicht überzeugen. Eine Stromsteuersenkung für alle würde, wenn sie wirklich etwas bringen soll, vermutlich deutlich teurer werden als ein Rabatt für einen begrenzten Empfängerkreis. Und das in Zeiten, in denen der Finanzminister meint, haushaltspolitisch sei schon alles ausgereizt. Und dass überhaupt über die Reaktivierung der Atomkraft laut nachgedacht wird, ist allein schon absurd.

Aller guter Dinge sind bekanntlich drei, und so gehört zur Ehrlichkeit vor allem auch: Mit der Diskussion über den Indus­triestrompreis hat die wirtschaftspolitische Debatte komplett gedreht. Es geht jetzt nur noch um Entlastungen für Unternehmen, aber nicht mehr um Entlastungen für die Menschen. Dabei leiden insbesondere Haushalte mit niedrigem Einkommen weiterhin unter der Inflation. Sie betrug im August 6,1 Prozent und war damit weitaus höher als in Spanien.

Warum Entlastungen für Unternehmen?

Dort konnte sie die Regierung mit Maßnahmen wie der Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel auf 2,4 Prozent drücken. Eine solche Maßnahme würde nicht nur die Ver­brau­che­r*in­nen entlasten, sondern auch konjunkturell etwas bringen. Zum Vergleich: Während die deutsche Wirtschaft letzthin stagnierte, wuchs die spanische um 0,4 Prozent.

Wenn man diese drei grundlegenden Punkte beachtet, kann man gern ehrlich über das Für und Wider eines Industriestrompreises diskutieren. Ansonsten ähnelt es nur einer Neuauflage der Debatte über die Befreiungen von der EEG-Umlage, und man fragt sich unweigerlich, ob Unternehmen immer sofort Entlastungen bekommen sollen, wenn es mal nicht perfekt läuft.

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ist für Ökonomie im taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt zuständig.

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