orte des wissens
: Es wacht über Schiffe und Häfen

Das Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen in Hamburg testet auch autonom fahrende Schiffe und moderne Betankungsanlagen für Wasserstoff

Schiffslogistiker haben es schwer, dieser Tage. Zumal, wenn eine Passage durch den Panama-Kanal ansteht. Die Klimakrise lässt das Wasser schwinden, das für die Schleusung nötig ist. Hunderte Schiffe stauen sich; die Wartezeit beträgt Wochen.

Es braucht Spezialisten, um über Probleme wie das in Panama nachzudenken. Auch Spezialisten, wie sie im Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen (CML) arbeiten, unweit der Süderelbe in Hamburg. 2010 gegründet, setzt es Wissenschaft in Praxisanwendung um, entwickelt und optimiert Technologien und Ablaufprozesse.

„Ziel war es, eine Lücke in der angewandten Forschung zu schließen, Fachwissen unter einem Dach zu bündeln“, sagt Carlos Jahn der taz. Er leitet das CML – und zugleich das Institut für Maritime Logistik der Technischen Universität Hamburg.

Jahns 70 Planstellen starkes Team reicht von der NautikerIn bis zur MathematikerIn, von der InformatikerIn bis zu Schiffbau-, Elektro-, Maschinenbau- und WirtschaftsingenieurInnen. Die Themenbreite spannt sich vom autonom fahrenden Schiff bis zum Hafenlayout, vom Flottenmanagement bis zur KI-gestützten Datenauswertung. Manche Projekte dauern Jahre, zumal Forschungsvorhaben im EU- oder Bundesauftrag. Andere, oft für die Wirtschaft, stehen unter Zeitdruck. „Wir sind auf Wachstumskurs“, sagt Jahn. „Gut denkbar, dass im Laufe der Zeit ganz neue Felder hinzukommen.“

Was in Häfen passiert, weiß Jahn aus vielen Perspektiven. Mit 19 hat er sich zum Matrosen ausbilden lassen. Bei der Bundesmarine war er auf einem Aufklärungsschiff, als Offizier. Eine bewusste Vorbereitung auf seinen heutigen Beruf war das nicht. „Ich wollte Abenteuer erleben“, sagt er. „An die Wissenschaft habe ich damals noch gar nicht gedacht.“ Heute, nach Abschlüssen in Maschinenbau und Wirtschaftswissenschaften, nach Positionen in der Industrie, ist die Forschung sein Alltag, und in seinem Briefkopf steht ein Prof. Dr.-Ing.

Ein Feld, dass im CML eine „immer größere Rolle“ spielt, so Jahn, sei die Nachhaltigkeit. Und dann erzählt er von einer Testbetankungsanlage für Wasserstoff. Errichtet, weil Stahlunternehmen durch das CML nach Wegen suchen, ihren Energiebedarf umzustellen. „Viele technische Fragen sind da ja noch offen.“

Oft geht es auch um effizientere Flächennutzung. Ein Beispiel: „Früher haben Menschen am Hafen gelebt, weil sie es mussten, weil sie dort gearbeitet haben. Wer heute dort lebt, tut das oft, weil er es cool findet, weil er es sich leisten kann. Und dann stört natürlich der Lärm, das Licht der Scheinwerfer in der Nacht.“

Es gilt also, Lösungen zu finden, Häfen flächenmäßig zu verkleinern, ohne ihre Leistungsfähigkeit einzuschränken. Eine Aufgabe für das CML. „Wir laufen oft voraus“, sagt Jahn. „Und die Kunst ist, nicht so weit voraus zu laufen, dass die anderen nicht mitkommen.“

Es gilt Lösungen zu finden, Häfen flächenmäßig zu verkleinern, ohne ihre Leistungsfähigkeit einzuschränken

In Sachen Nachhaltigkeit sei die Schifffahrt „besser als ihr Ruf“, sagt Jahn und verweist auf den Beschluss des UN-Weltschifffahrtsverbunds International Maritime Organization (IMO), den Schiffsverkehr bis 2050 klimaneutral zu machen.

Aber bis 2050 ist es noch weit. Und Papier ist geduldig. Dabei sind die Probleme schon jetzt immens – wie die El Niño-Dürre in Panama zeigt. „Erst war bei der IMO sogar vom Jahr 2100 die Rede“, sagt Jahn. „Aber das Gute ist: Wenn sie was beschließt, ziehen alle mit.“

Schiffe und Häfen lassen sich optimieren. Es drängt sich jedoch die Frage auf, ob all der Schiffsverkehr überhaupt sinnvoll ist, ob nicht Reduktion gut täte. Vielleicht findet das CML ja auch darauf eines Tages eine Antwort. Harff-Peter Schönherr