Aktivist über Lübeck als Sicherer Hafen: „Die Seenotrettung unterstützen“

In einem offenen Brief fordert das Flüchtlingsforum, dass Lübeck für den Titel „Sicherer Hafen“ auch etwas tut.

Demonstrierende halten an den Hamburger Landungsbrücken ein Transparent mit der Aufschrift «Seenotrettung ist Unverhandelbar - Free movement for all».

„Schafft sichere Häfen“: Demonstrierende mit einem „Seebrücke“-Transparent, August 2012 in Hamburg Foto: Bodo Marks/dpa

taz: Herr Geise, was will das Lübecker Flüchtlingsforum mit dem offenen Brief an Lübecks Bürgermeister erreichen?

Torsten Geise: Wir wollen auf den Widerspruch zwischen dem Konzept der Sicheren Häfen und der Asylrechtsreform der EU aufmerksam machen. Die Abschottung Europas hat in unseren Augen mit Menschenrechten nichts mehr zu tun. Von den Städten im Bündnis „Sichere Häfen“ wurden Forderungen an die Bundesregierung gestellt, und die hießen nicht: „Macht die Grenzen dicht“, sondern: „Gebt uns die Möglichkeit, mehr Menschen aufzunehmen und sie gut zu versorgen.“ Stattdessen sollen wegen der Asylrechtsreform nicht mehr so viele Geflüchtete in die Kommunen kommen. Dafür sind wir dem Bündnis „Sicherer Hafen“ nicht beigetreten. Aber wir fordern auch mehr Engagement auf kommunaler Ebene in Lübeck.

Inwiefern?

Lübeck ist sehr wenig transparent hinsichtlich der Maßnahmen, die die Stadt zu einem „Sicheren Hafen“ machen sollen. Die zivilgesellschaftliche Organisation „Seebrücke“, die die Initiative „Städte Sicherer Häfen“ auf den Weg gebracht hat, kennt nur Daten aus dem Jahr 2019. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Lübeck sich mit Menschen auf der Flucht und den Zielen der Seebrücke solidarisch erklärt und bekundet, sich aktiv für eine menschenrechtskonforme europäische Migrationspolitik einzusetzen. Und die Stadt hat zugestimmt, alle Maßnahmen, die sie als Teil des Bündnisses „Städte Sicherer Häfen“ trifft, öffentlich zu machen. Das ist aber nicht geschehen – oder es wurden bisher keine weiteren Maßnahmen umgesetzt.

Welche Maßnahmen fordert denn das Bündnis?

1971 geboren, ist Politikwissenschaftler und vertritt das Lübecker Flüchtlingsforum.

Neben der Solidaritätserklärung mit Menschen auf der Flucht, dem Engagement für Menschenrechte und der Transparenzforderung sind das vor allem praktische Maßnahmen. Städte und Kommunen werden dazu aufgerufen, die Seenotrettung zu unterstützen, etwa indem sie eine Patenschaft für ein ziviles Seenotrettungsschiff übernehmen oder sich finanziell daran beteiligen. Außerdem sollten sich Städte mit dem Titel „Sicherer Hafen“ bereit erklären, mehr Schutzsuchende aufzunehmen, als es die Quoten erfordern. Und die Seebrücke appelliert an die Mitglieder des Bündnisses, Aufnahmeprogramme zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass Geflüchtete gut in der Kommune ankommen.

Während die EU sich immer mehr abschottet?

All diese Punkte sollen Mitglieder auch auf europäischer Ebene unterstützen. Uns ist aber in den meisten Fällen nicht mal bekannt, ob Lübeck die Forderungen in der eigenen Stadt umgesetzt oder darüber entschieden hat.

Betreiben Städte mit dem Titel „Sicherer Hafen“ im Allgemeinen eher Symbolpolitik, als praktische Maßnahmen umzusetzen?

Ich glaube, das ist sehr unterschiedlich. Einige sind, denke ich, froh darüber, sich diesen Titel geben zu können und zu wissen, dass sie damit gut aussehen. Andere sind deutlich aktiver. Wir werden unseren offenen Brief auch im Schleswig-Holsteinischen Flüchtlingsrat verbreiten und dann werden wir sehen, inwieweit andere Städte – zunächst auf Landesebene – den Brief unterstützen.

Demonstration „Asylrecht verteidigen!“: Do, 31. 8., 15 Uhr, Marktplatz vor dem Lübecker Rathaus; Übergabe des Offenen Briefs an Bürgermeister und Stadtpräsident: 16 Uhr, Rathaus, Bürgerschaftssaal

Warum gerade jetzt?

Wir nutzen damit die Öffentlichkeit, die durch die Reform des EU-Asylsystems entstanden ist. So können wir herausfinden, wie unsere Städte und unsere Zivilgesellschaft eigentlich mit der Situation umgehen. Ich finde, jetzt ist ein guter Zeitpunkt, sich als Stadt, die sich „Sicherer Hafen“ nennt und von Solidarität und Menschenrechten spricht, klar zu positionieren.

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