Thea­ter­schaf­fen­de*r über Symposium: „Queeres Umschreiben“

Das Hamburger Symposium „Cruising Mythology“ setzt der patriarchalen Erzählstruktur der griechischen Mythologie queer-feministische Konzepte entgegen.

Ein Gipsabguss des Kopfes des Odysseus und eine Rekonstruktion der Skulpturengruppe "Polyphem wird geblendet" 2008 im Reiss-Engelhorn-Museum in Mannheim.

Patriarchale Erzählungen: Odysseus und die Darstellung „Polyphem wird geblendet“ in einem Museum Foto: dpa | Ronald Wittek

taz: Lynn Takeo Musiol, was stört Sie an der Erzählung der griechischen Mythologie?

Lynn Takeo Musiol: In der Regel greift man dabei auf eine patriarchale Erzählstruktur zurück, die man schon in der Antike wiederfindet. Darunter fällt eine toxische Männlichkeit ebenso wie eine binäre Geschlechterordnung. Männer werden oft als heroisch dargestellt, während Frauen als hysterisch gelten oder so erzählt werden. Sie sind Objekte, die entführt, vergewaltigt oder verheiratet werden. Es gibt aber durchaus auch Figuren, die vielseitiger interpretierbar sind und sich aus dieser Binarität herauslösen. An diesen Punkten möchten wir ansetzen.

Was erzählt die Antike über unsere Gegenwart?

Die Antike wurde als Erzählung benutzt, um eine patriarchale und hierarchische Gesellschaft zu rechtfertigen. Mit den Erzählungen vom Ursprung der Demokratie und der Zivilisation, ist sie Teil eines sehr problematischen Selbstbildes. Die patriarchale Erzählweise, die wir aufgreifen, erzählt etwas über unsere Wirklichkeit. In ihr zeigt sich eine problematische lineare Fortschrittserzählung in das Jetzt. In eine Gegenwart, in der die Strukturen, die wir ansprechen, immer noch bestehen.

Sie sprechen im Untertitel von Unterwanderung und Überwucherung. Was meinen Sie damit?

ist Thea­ter­schaf­fen­de*r und Au­to­r*in aus Berlin. Dey veranstaltet u. a. an der Schaubühne Berlin den „dyke dogs-Salon“.

Es geht darum, die tradierten Erzählungen zu sprengen, sie zu überwuchern. Wir wollen auf eine freche Weise unsere eigene Geschichte erzählen: eine lustvolle Unterwanderung bestehender Narrative, könnte man sagen.

Was ist das Konzept des Symposions?

Wir feiern ein Symposion im griechischen Sinne. Es gibt Essen, Vorträge, Performances. Dabei betrachten wir die mythologischen Figuren aus queeren und feministischen Blickwinkeln.

An welche Figur denken Sie zum Beispiel?

Ein Beispiel ist Artemis, die Göttin der Jagd. Sie lebt auf einer Insel im Einklang mit der Natur. Gleichermaßen wird sie allerdings dafür bestraft, dass sie keine Lust auf gesellschaftliche Konvention hat. Wir erzählen an ihr die Geschichte einer autonomen und eigenständigen Frau. Man könnte das als einen Ansatz oder eine Strategie des queeren Umschreibens und des lustvollen Weiterschreibens bezeichnen. Immer vor dem Hintergrund der Frage: Was können wir von diesen Figuren lernen? Was können wir mit ihnen erzählen?

Wie ist das Symposion aufgebaut?

Wir haben fünf Veranstaltungen, die sich um Moiren, Artemis und um Odysseus, Pandora und Skylla drehen. Es wird also nicht nur um queer-feministische Themen gehen, sondern auch um kritische Männlichkeit. Das ist wichtig, da das eine ohne das andere nicht funktioniert.

„Cruising Mythology“: Eröffnung am Sa, 16. 9., 18.30 Uhr; bis 23. 9., Hamburg, Schauspielhaus/Malersaal; Programm: schauspielhaus.de/cruising-mythology

Es soll auch Workshops geben, um was geht es dabei?

Mit dabei ist beispielsweise der „Fuck Yeah Sexshop“ aus Hamburg, der einen Workshop zur Körperwahrnehmungen und einen DIY-Kurs für Sextoys anbietet. Außerdem mit dabei ist caner teker mit einem queeren Workshop zum Thema „Queer Intimacies“. Die Hamburger Initiative Parks beschäftigt sich mit der Frage, wie zukünftig Städte eigentlich aussehen müssen, damit sie lebensfähig sind. Dabei geht es unter anderem um queere Gemeinschaftsgüter. Das heißt, wir probieren unsere gewonnenen Erkenntnisse gleich aus.

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