Ausstellung in der Alten Nationalgalerie: Im Schatten der Stars

„Secessionen: Klimt, Stuck, Liebermann“ schimmert, wispert – und hat auch jenseits der prominenten Protagonisten viel zu erzählen.

Gemälde von Maximilian Lenz: Sirk-Ecke (Ringstraße)

Maximilian Lenz, Sirk-Ecke (Ringstraße), 1900, Öl auf Leinwand, 73,8 x 163,8 cm Foto: Wien Museum, Foto: Birgit und Peter Kainz

Er schimmert und lockt, der Goldgrund in Gustav Klimts Gemälde „Judith“ in der Alten Nationalgalerie. Dicht ist davor das Gedränge der Köpfe; Smartphones werden hier wie vor weiteren Bildern des Wieners hochgehalten in der Hoffnung vielleicht, die Abbildung später in Ruhe studieren zu können. Dabei zeigt sich in den Originalen das Delikate einer Malerei, in deren Dunkelheiten vom Goldglanz geblendet das Auge erst nach und nach Chimären und Fratzen zu entdecken vermag.

Gemälde von Gustav Klimt: Judith

Gustav Klimt, Judith, 1901, Öl auf Leinwand, 84 x 42 cm Foto: Belvedere, Wien, Foto: Johannes Stoll

Die Ausstellung „Secessionen. Klimt. Stuck. Liebermann“ in der Alten Nationalgalerie ist ein Publikumsmagnet, die Online-Tickets nur mehrere Tage im Voraus erhältlich, die Schlange vor der Kasse lang. In den Sälen wispert es in vielen Sprachen. Allein die Touristen zu beobachten, nicht wenige für den Ausstellungsbesuch besser gekleidet, als man es in Berlin gewohnt ist, kann zum Zeitvertrieb werden, während man auf eine Lücke vor den Bildern wartet.

Die Schau gilt einer Emanzipationsbewegung in den Künsten in der Moderne Ende des 19. Jahrhunderts, den Secessionen in München, Berlin und Wien, einem neuen Zusammenschluss von Künstlern und einigen wenigen Künstlerinnen, die sich unabhängig von bestehenden Institutionen um Ausstellung, internationale Vernetzung und Verkauf kümmerten. Gustav Klimt, Franz Stuck und Max Liebermann waren ihre bekanntesten Protagonisten, ihnen gilt der erste Saal.

Doch zeigt die Ausstellung im Verlauf, wie breit ihr ästhetisches Spektrum war, wie international die Vernetzung mit Gastkünstlern. Je tiefer man in die kleineren Räume vordringt, desto mehr sind weniger bekannte Künstlerinnen und Künstler zu entdecken. Und desto schneller läuft das Publikum weiter.

In Gegenrichtung laufen, um Unbekanntes zu entdecken

Weil es so voll ist, ist es empfehlenswert, sich an die Rundgangrichtung zu halten. Doch den Parcours in Gegenrichtung zu laufen, würde Sinn machen, um mehr vom Unbekannten zu entdecken. Dann käme man bald durch die Galerie der vielen Porträts von Künstlerinnen und Künstlern, die sich stolz auf dieser neuen Bühne der Kunst präsentierten: wie in den Selbstbildnissen von Anna Hillermann und Emilie von Hallavanya, die an Selbstbewusstsein und malerischem Vermögen ihren Kollegen nicht nachstehen.

Gemälde von Carl Moll: Salon im Haus von Carl Moll auf der Hohen Warte

Carl Moll, Salon im Haus von Carl Moll auf der Hohen Warte, 1903, Öl auf Leinwand, 53,5 x 35,5 cm Foto: Birgit und Peter Kainz, Wien Museum

Man könnte dann bald das Licht auf den Wiesen, die Dämmerung am See, die stillen Dorfstraßen im Kapitel „Begegnungen mit der Natur“ genießen, das auch die Verwandtschaften zwischen den Secessionsbewegungen der drei Städte zeigt, eine unaufgeregte, spätimpressionistische Muße. Ein paar Räume weiter bestimmt sie auch den Blick in Interieurs. Von Carl Moll gibt es da einen „Salon“ zu sehen, von dem kleine Stufen in eine Küche führen, mit zarten Jugendstilelementen blau bemalt: das ist kein Manifest, sondern eine ganz beiläufige Erzählung über die Gestaltung des Alltags als Gesamtkunstwerk.

Zu den beteiligten Künstlerinnen gehörte die aus Russland stammende Elena Luksch-Makowsky, die 1901 in Wien als erstes weibliches Mitglied in die Secession aufgenommen wurde. Ihr dunkles Porträt „Der Katzenfresser“ ist schon durch das Sujet ein ganz ungewöhnliches Bild, das schockierend von Armut erzählt. Gerne hätte man von ihr mehr gesehen, mehr erfahren und merkt, dass jenseits der bekannten Größen die Geschichte der Secessionen spannend weitergeht.

Nicht zuletzt erzählt die Ausstellung darüber, wie die Künst­le­r:in­nen an dieser Schwelle der Moderne lernten, sich zu erfolgreichen Unternehmern, Lobbyisten und Selbstvermarktern weiterzubilden. Die Secessionen waren ein Netzwerk, kuratiert von den Künstlern selbst, elitär, was auch immer wieder zu Konflikten, Austritten und Neugründungen führte. Eine lange Galerie mit Plakaten in erlesener Typografie zu den Secessionsausstellungen, die immer auch ein Marktplatz waren, erhellt diesen Zusammenhang.

Alte Nationalgalerie, bis 22. Oktober

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