orte des wissens
: Das harte Leben der Meeresmikroben

Das Oldenburger Institut für Chemie und Biologie des Meeres untersucht die fragile oberste Wasserschicht sowie die Auswirkungen von Mikroplastik und Schiffsabgasen

Das Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) begann ganz klein: 1987 auf Empfehlung des Wissenschaftsrates gegründet, benutzte das Team zunächst die bestehenden Räumlichkeiten der Fakultät für Mathematik an der Universität Oldenburg. Später wurde ein Neubau errichtet, in dem alle vier beteiligten Disziplinen Platz fanden: Chemie, Biologie, Physik und Modellierung.

„Unser Institut ist nach einem Habitat, dem Umweltraum Meer, ausgerichtet“, fasst Direktor Ralf Rabus, seit 2006 Biologie-Professor an der Universität Oldenburg, den besonderen Charakter des ICBM zusammen. Und eben dieser Umweltraum Meer sei aufgrund seiner hohen Komplexität nur mit der Verknüpfung der verschiedenen Fachbereiche zu erforschen. „Interdisziplinarität ist entscheidend“, sagt er. Die verschiedenen Bereiche seien bei der täglichen Forschungsarbeit sehr eng miteinander verknüpft.

Klein ist das ICBM inzwischen nicht mehr. Seit 2002 betreut es die Messstation der Forschungsgruppe „BioGeoChemie des Watts“ an der Südwestspitze der Nordseeinsel Spiekeroog. Zudem gibt es seit 2008 in Wilhelmshaven einen zweiten Standort: „ein ganz wichtiger Schritt“, kommentiert Institutsdirektor Rabus. Heute arbeiten 220 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in 26 Arbeitsgruppen, davon fünf in Wilhelmshaven und die übrigen an der Universität Oldenburg.

Als Teil der Hochschule gibt es auch für das ICBM eine Grundfinanzierung durch das Land Niedersachsen, aber ein größerer Teil wird nach Angaben von Direktor Rabus über Drittmittel-Projekte finanziert. Davon gibt es nämlich eine Vielzahl. In einem Verbundprojekt unter anderem mit dem Helmholtz-Zentrum Hereon und den Universitäten Hamburg, Kiel und Wien untersucht man aktuell die Austauschprozesse an der Grenzschicht zwischen Meerwasser und Atmosphäre, die laut Rabus „noch nicht wirklich gut verstanden“ sind.

Diese oberste Schicht der Ozeane ist weniger als einen Millimeter dick, unterscheidet sich jedoch von allen anderen Bereichen des Meeres. Hier können durch die Zirkulation von Energie und Gas ungewöhnliche Substanzen entstehen, außerdem lassen sich auch einzellige Bakterien und Algen wie auch komplexere Einzeller und kleine Tiere finden. Die Lebensbedingungen sind hart, denn es gibt eine starke UV-Strahlung sowie schwankende Salzgehalte und Temperaturen. Zur Untersuchung dieser Mikroschicht werden Felduntersuchungen im küstennahen Bereich vorgenommen, Experimente finden im Labor oder der hauseigenen Sea Surface Facility, ein Wasserbecken mit flexibler Überdachung, statt.

Die oberste Schicht der Ozeane ist weniger als einen Millimeter dick, unterscheidet sich jedoch von allen anderen Bereichen des Meeres

Geforscht wird also oft an Grundlagen – aber welchen Stellenwert hat der Umweltschutz? Der spiele in der Meeresforschung traditionell eine wichtige Rolle, merkt Rabus an. So würden Mikro- und Makroplastik im Hinblick auf vorliegende Sorten und potenzielle Verbreitung in den Blick genommen. Ein weiteres Thema seien Abgase durch den Schiffsbetrieb. Ein Schlüsselwort fällt auch hier in Bezug auf die Methodik immer wieder: Interdisziplinarität.

Diese soll auch in der Lehre der Universität Oldenburg vermittelt werden. Rund 820 Studierende verteilen sich auf fünf Studiengänge, die von den Marinen Umweltwissenschaften, über Marine Sensorik bis zur Umweltmodellierung reichen. Sie können beim ICBM auch im Rahmen der Forschungstauchausbildung Leistungspunkte sammeln. Sie dauert zwei Semester. Dann warten Einsatzmöglichkeiten unter Wasser wie Wartungen von Messgeräten, Probeentnahmen oder Kartierungen. Sven Bleilefens