Kopftuchverbot für Lehrerinnen: Ist der Schulfrieden in Gefahr?

Das Kopftuchverbot in Schulen ist diskriminierend. Linke und Grüne wollen es aus dem Neutralitätsgesetz streichen. Die Koalition plant einen Umweg.

Zwei Mädchen auf dem Weg zur Schule, die eine trägt ein Kopftuch, die andere hat die Haare offen

Manche sehen nur ein Kopftuch, andere eine schwere Gefahr für den Schulfrieden Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

BERLIN taz | Mal wieder das Kopftuch: An diesem Donnerstag bringen Grüne und Linke je einen eigenen Gesetzentwurf in erster Lesung ein, um das Neutralitätsgesetz, das nach mehreren Gerichtsurteilen für ungültig erklärt wurde, anzupassen. Die beiden fast wortgleichen Entwürfe sehen vor, die Paragrafen 2 und 3 des Gesetzes, das eigentlich „Gesetz zu Artikel 29 der Verfassung von Berlin“ heißt, ersatzlos zu streichen. Die Paragrafen verbieten, dass Leh­re­r*in­nen an allgemeinbildenden Schulen religiöse oder weltanschauliche Kleidungsstücke oder Symbole tragen dürfen. Dies hinderte in erster Linie Musliminnen, die Kopftuch oder Hidschab tragen, an der Ausübung des Berufs.

Tuba Bozkurt, Grüne

„Der Schwebe-­zustand muss unverzüglich enden“

In der Praxis sind die Paragrafen bereits seit März Geschichte: Frauen mit Kopftuch können als Lehrerinnen eingestellt werden. Vereinzelt ist dies wohl auch geschehen – wie viele seither eingestellt wurden, kann die Bildungsverwaltung nicht sagen. Die Rechtsunsicherheit bleibt jedoch bestehen, denn das alte Verbot steht weiter auf dem Papier. „Dieser Schwebezustand muss unverzüglich enden“, sagt Tuba Bozkurt, Sprecherin der Grünen-Fraktion für Antidiskriminierung.

Ihre Kollegin von der Linksfraktion Elif Eralp sieht das genauso – und eigentlich „hätten wir das auch gut zusammen machen können“. Doch die Grünen hätten auf ein entsprechendes Angebot ihrerseits nicht reagiert, sagt sie.

Mehrheitsfähig sind im Parlament beide Entwürfe nicht. Auch im alten rot-rot-grünen Senat waren linke und grüne Vorstöße in diese Richtung stets an der SPD gescheitert. Die würde, ebenso wie die CDU, am liebsten am alten „Kopftuchverbot“ festhalten. Doch nachdem der letzte juristische Versuch, das Neutralitätsgesetz zu retten, im März vor dem Bundesverfassungsgericht scheiterte, ist klar, dass etwas passieren muss. Schwarz-Rot hat sich daher im Koalitionsvertrag vorgenommen, das Gesetz zu reformieren. Im Laufe des Winters soll ein erster Entwurf stehen, sagt die Bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Maja Lasic.

„Neutralität des Staates ist ein hohes Gut“

Der Koalition wird es dabei im Kern darum gehen, zu definieren, was eine „hinreichend konkrete Gefahr für die staatliche Neutralität oder den Schulfrieden“ ist. Denn dies ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die einzige Voraussetzung, unter der die Einstellung einer Lehrerin mit Kopftuch mit Verweis auf selbiges verweigert werden darf. Doch was soll das genau sein, ein „gestörter Schulfrieden“? Lasic hofft, dass eine Gesetzesreform „ein klares Vorgehen für alle Beteiligten ermöglicht. Auch wenn man es manchmal vergisst, die Neutralität des Staates ist ein hohes, schwerwiegendes Gut, das wir auch weiterhin hochhalten müssen.“

Eralp glaubt, es gehe der Koalition nur darum, durch die Hintertür „die Diskriminierung aufrechtzuerhalten“. Wie solle eine einzelne Lehrerin mit ihrem Kopftuch denn den Schulfrieden stören? Am Ende würden auch hierüber die Gerichte zu entscheiden haben, befürchtet sie.

Am weitesten in der Debatte gehen die Grünen: Sie würden am liebsten das ganze Gesetz abschaffen, das ja auch Angestellten und Be­am­t*in­nen in Rechtspflege, Justizvollzug und Polizei das Tragen von Kopftüchern, Kippas und Nonnenhabits verbietet. Dies erfordere aber wohl noch mehr Diskussion, so Bozkurt. Darum habe man den Teil mit den Lehrerinnen nun vorgezogen.

Auch Eralp wäre dafür, das ganze Gesetz zu streichen, aber dies sei ihre persönliche Meinung, betont sie. Einen entsprechenden Parteitagsbeschluss der Linken gibt es noch nicht.

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