Reinigung von verseuchten Böden: Die Metal-Fans der Pflanzenwelt

Metallverseuchte Erde? Das rockt die Hallersche Schaumkresse mit links. Sie reinigt nicht nur Böden, sondern kann auch wichtige Rohstoffe liefern.

Blüten der Hallerschen Schaumkresse

Die Hallersche Schaumkresse ist charakteristisch an ehemaligen Bergwerksstandorten Foto: Bob Gibbons/Alamy/mauritius images

Die Hallersche Schaum­kresse könnte in Zukunft möglicherweise den Bergbau ­revolutionieren. Zusammen mit dem Gebirgs-Hellerkraut zählt sie zu einem kleinen Kreis von Pflanzen, die Metall sammeln. Wie jede andere Pflanze nehmen sie Nährstoffe aus dem Boden auf und ziehen dabei Mineralien aus dem Boden. Doch anders als gewöhnliche Pflanzen reichern sie eine außergewöhnlich hohe Menge davon in ihren Stengeln und Blättern an.

Die Hallersche Schaumkresse akkumuliert zum Beispiel verglichen mit anderen Pflanzen die tausendfache Menge Zink und Cadmium. Solche Pflanzen nennt man Hyperakkumulatoren. Ihr Potenzial: Mit ihnen könnte man zukünftig Böden reinigen und sogar Metalle und Seltene Erden abbauen.

„Grundsätzlich ist es möglich, metallverseuchte Böden mit diesen Pflanzen zu sanieren“, sagt die Pflanzenphysiologin Ute Krämer. In der Fachsprache heißt das Phytoremediation. „Es wäre eine sinnvolle Technologie, weil es viele belastete Flächen gibt und dadurch mancherorts ein Gesundheitsrisiko für Menschen.“

Laut Krämer gibt es in Deutschland zwei verschiedene Arten von Hyperakkumulatoren, weltweit über 700. Die Superpflanzen können teilweise mehr Metall pro Kilogramm konzentrieren als einige kommerziell abgebaute Erze.

Anbau in ehemaligen Industrie- oder Bergbaugebiete

Was bringt Hyperakkumulatoren dazu, Metalle im großen Stil anzureichern? „Ganz umfassend weiß man das nicht“, sagt die ­Pflanzenphysiologin Ute Krämer, die ein Gewächshaus betreibt, in dem sie die Gene der Metallschlucker untersucht. Durch Ex­perimente gestützt ist allerdings, dass die Pflanzen damit auf Fress­feinde wie Insekten oder krankmachende Bakterien oder Pilze reagieren. Die Pflanzen, die mehr Metall enthalten, wurden von ihren Fressfeinden verschont und konnten sich gegenüber ihren Artgenossen durchsetzen. Im Laufe der Zeit hat sich diese Tendenz verstärkt und einige Pflanzen haben sich zu immer leistungs­fähigeren Akkumulatoren entwickelt. Ein natürlicher evolutionärer Prozess.

Wie groß die Fläche der metallverseuchten Böden in Deutschland ist, dazu gibt es keine umfassenden Daten. Für den Anbau anbieten würden sich vorrangig ehemalige Industrie- oder Bergbaugebiete wie das Erzgebirge oder landwirtschaftliche Flächen, deren Cadmiumgehalt die Belastungsgrenzen überschreitet. Cadmium ist in Phosphordünger enthalten. Dort, wo die Dünger angewendet werden, befindet sich zusätzliches Cadmium im Boden. Auf diesen Flächen könnten – anders als andere Pflanzen – Hallersche Schaumkresse und Co. gedeihen.

Tatsächlich in Frage kommen Standorte, „die nicht hoch belastet sind, also etwa das Zwei- bis Dreifache des Grenzwertes an Schwermetallen enthalten“, sagt Krämer. Das ist noch nicht wahnsinnig giftig. Werden dort beispielsweise Kartoffeln angebaut, enthalten diese zwar mehr Metalle als der Grenzwert vorschreibt, leiden aber selbst nicht unter der Belastung. Für diejenigen, die sie essen, sind sie aber trotzdem ein Gesundheitsrisiko. Und die Land­wir­t:in­nen werden ihre Kartoffeln möglicherweise nicht los.

Stark kontaminierte Standorte, die zum Beispiel mehr als ein Prozent Blei enthalten, könnten laut Krämer nicht saniert werden. „Dort müsste man Blei im Prozentbereich aus der Bodenmasse entfernen. Das kann kein Organismus“, sagt sie. Um diese sogenannten Altlastenstandorte zu entgiften, bräuchte es andere, etwa chemische Methoden.

Für die Technologie müsste Gentechnik verwendet werden

Die Technologie stößt – ­zumindest in Europa – auf ein weiteres Hindernis: Um effizient zu sanieren, müsste Gentechnik verwendet werden. Beispielsweise müsste man in Pflanzen mit viel Biomasse die Gene von Pflanzen einbringen, die zu einer Schwermetallakkumulation führen. Dann bestünde jedoch die Gefahr, dass sich die metallschluckende Pflanze unbemerkt mit landwirtschaftlichen Nutzpflanzen kreuzt.

In China geht man mit dem Thema lockerer um: „Die Chinesen haben große Probleme mit schwermetall­belasteten Standorten“, sagt Krämer. „Dort gibt es genug Druck, Geld und den Willen, Phyto­remediation durchzusetzen.“

Denkt man die Idee weiter, könnte man Hyperakkumulatoren nicht nur zum Sanieren von Böden, sondern auch zum gezielten Abbau von Metallen nutzen. Die Nachfrage der Elektro­industrie nach Seltenen Erden ist jedenfalls gigantisch. Sie hat sich in den 15 Jahren bis 2021 auf 125.000 Tonnen verdoppelt und wird voraussichtlich weiter steigen. China ist aktuell für über 80 Prozent der Produktion verantwortlich. Gleichzeitig ist bekannt, dass die Reserven endlich sind.

Wie Bergbau ohne Bohrungen

Der Name Seltene Erden ist etwas irreführend: Sie kommen gar nicht selten vor, jedoch sind größere, zusammen­hängende Vorkommen ungewöhnlich. Die magnetischen Metalle sind wichtige Bestandteile in einer Vielzahl von Anwendungen, darunter Smartphones und Solarzellen.

For­sche­r:in­nen arbeiten deshalb bereits an Methoden des sogenannten Phytominings. Dafür suchen sie die besten Arten und Varianten der metallspeichernden Pflanzen für einen bestimmten Ort. Dort werden sie großflächig angebaut und geerntet. Anschließend wird der Rohstoff extrahiert.

Im sächsischen Freiberg züchtet der Geoökologe Oliver Wiche die bestmögliche Mischkultur aus Leguminosen und Rohrglanzgras, um Seltene Erden wie Erbium zu gewinnen. Auf seinem Testfeld funktioniert das so: Nach der Ernte bringen die For­sche­r:in­nen die Biomasse in die Biogasanlage. Dort wird sie vergoren. Das Endprodukt ist ein getrockneter Gärrest, der aussieht wie ein Kuhfladen.

Das Forschungsteam verbrennt den Kuhfladen und übrig bleibt eine mit Elementen angereicherte Asche. Die Asche stecken sie in einen Glasbottich, die sogenannte Bioleaching-Anlage. Dort löst ein Bakterienisolat die Asche auf und am Ende bleiben nur noch die Elemente. „Das Produkt aus dem Phytominingprozess ist vergleichbar mit einem durch konventionellen Bergbau erhaltenen Produkt“, sagt Wiche.

Blüten des Gebirgs Hellerkrauts

Das Gebirgs-Hellerkraut hyperakkumuliert Zink und Cadmium Foto: blickwinkel/imago

Phytomining rentiert sich bislang nicht

Warum also hat sich noch niemand auf den Weg nach Bochum gemacht und dort in still­gelegten Bergwerken groß­flächig Hallersche Schaumkresse gesät? Zum einen können Pflanzen nur so tief Metalle aufnehmen, wie ihre Wurzeln reichen. Wenn etwa Zink in großen Mengen mehrere Meter tief im Boden steckt, reichen die Wurzeln der Pflanzen nicht aus, um das Zink ans Tageslicht zu befördern.

Zum anderen muss die Pflanze zuvor für die landwirtschaftliche Nutzung optimiert werden. „Man kann die Pflanzen nicht einfach von ihren natürlichen Standorten holen und dann auf den Acker setzen“, sagt Krämer. Etwa müsse das Saatgut vermehrt werden und es wäre notwendig, eine Variante zu haben, die möglichst viele Samen produziert.

Phytominig lohnt sich auch finanziell noch nicht. Markus Puschenreiter, der an der Universität für Bodenkultur in Wien forscht, leitete bis 2021 einen Versuchsacker in Österreich. Der Ertrag von 130 Kilogramm Nickel pro Hektar pro Jahr war ergiebig, aber dennoch zu gering, um das Projekt weiterzuführen. „Wirtschaftlich rechnet sich das nicht, weil die Pflanzenpflege zu teuer ist“, sagt Puschenreiter. Solange die Verhüttung nicht rentabel ist, haben die Versuche kaum eine Chance, auf dem Markt zu bestehen.

Umdenken durch Knappheit, Umwelt- und Menschenrechte

Doch die Zeit könnte der Branche in die Karten spielen. „Ich denke, dass wir in 50 Jahren genug Knappheit haben werden, dass die Industrie auch auf Phytomining setzen wird“, schätzt die Pflanzenphysiologin Krämer.

Für sie könnten aber auch Umwelt- und Menschenrechte zu einem Umdenken führen. „Sobald Umweltaspekte eine größere Rolle spielen, sobald wir nicht mehr wollen, dass für unsere Rohstoffe großflächig Natur zerstört wird, sobald wir nicht mehr wollen, dass Kinder im Kongo für unsere Rohstoffe in Tagebaulöcher steigen, kommt Phytomining ins Spiel.“

Die Fachliteratur weist derzeit vor allem auf eines hin: Es besteht noch Forschungsbedarf, sowohl hinsichtlich des wirtschaftlichen Potenzials als auch der Technologie selbst. Deshalb werden die erfolgreichsten Ernten in Zukunft vermutlich dort zu erwarten sein, wo sich die beste Pflanzentechnologie am schnellsten entwickelt.

Die ganze Welt mit Metallen versorgen können, wird Phyto­mining wohl nicht. Solange der weltweite Bedarf nicht extrem sinkt, wird es Alternativen und großflächiges Re­cycling brauchen. Oder eine Kombination aus allem.

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