Kritische Studie zu Pestizid: Glyphosat macht wieder Stress

Das meistverkaufte Pestizid Glyphosat verursache „oxidativen Stress“, sagen drei Wissenschaftler. Diese Zellschädigung kann zu Krebs führen.

Traktor zieht eine Pestizidspritze über ein Feld, aus der eine Flüssigkeit gespritzt wird

Ist das krebserregend? Spritzung des Unkrautvernichters Glyphosat auf einem Feld bei Hannover Foto: imago

BERLIN taz | UmweltschützerInnen werfen den EU-Behörden vor, Hinweise auf eine Krebsgefahr durch das Pestizid Glyphosat zu Unrecht verworfen zu haben. „Eine neue wissenschaftliche Studie zeigt, dass die EU-Chemikalienbehörde Echa wichtige Erkenntnisse zur Karzinogenität außer Acht ließ und den Nachweis vernachlässigte, dass Glyphosat oxidativen Stress auslöst“, teilte die Organisation Pestizid-Aktionsnetzwerk (PAN) am Montag mit. Oxidativer Stress sei ein „anerkannter Mechanismus, der zu Krebs führen kann“. Der Vorgang bezeichne eine Schädigung von Zellen durch hochreaktive Sauerstoffmoleküle, die unter anderem von Chemikalien wie Glyphosat erzeugt werden können, sagte der taz Peter Clausing, Toxikologe und Mitautor der Studie.

Glyphosat ist der weltweit meistverkaufte Pestizidwirkstoff. Die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO bewertete ihn 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ – mit Glyphosat gefütterte Ratten und Mäuse hatten Tumoren entwickelt. In den USA verurteilten daraufhin mehrere Gerichte einen der Hersteller, die deutsche Bayer AG, zu hohen Schadenersatzzahlungen an KlägerInnen, die ihre Krebserkrankung auf das Mittel zurückführen. Bayer beruft sich dagegen auf verschiedene Zulassungsbehörden, die Glyphosat als sicher einstufen. Das Gift tötet so gut wie alle nicht gentechnisch veränderten Pflanzen und damit auch Nahrung für Vögel und Insekten. Deshalb gilt es Umweltschützern als Gefahr für die Artenvielfalt. Die EU-Mitgliedstaaten wollen Mitte Oktober darüber entscheiden, ob die am 15. Dezember auslaufende Glyphosatzulassung erneuert werden soll.

Die wissenschaftliche Grundlage für diese Entscheidung liefert auch die Echa. Sie sieht keine Krebsgefahr durch Glyphosat, unter anderem weil kein Mechanismus feststellbar sei, wie das Pestizid diese Krankheit verursachen könnte. Dem widersprechen Clausing und seine Co-Autoren, Siegfried Knasmüller, Professor am Zentrum für Krebsforschung der Medizinischen Universität Wien, und Christopher Portier, außerplanmäßiger Professor der Emory University in Atlanta. In vier Tierversuchsstudien seien bei Mäusen und Ratten „ein signifikanter Anstieg“ der Substanzen im Blut gemessen worden, die oxidativen Stress anzeigten, heißt es in dem Aufsatz. Deshalb und wegen der erhöhten Tumorraten in anderen Experimenten mit Tieren fordert PAN, die Glyphosat-Zulassung auslaufen zu lassen.

Die EU-Behörden halten die Chemikalie nicht für krebserregend

Die Echa teilte mit, sie habe „keine wichtigen Erkenntnisse“ bei ihrer Bewertung des Pestizids missachtet. Das Auftreten von Tumoren in den von ihr analysierten Studien sei ausführlich untersucht worden, schrieb die Behörde der taz. „Die Schlussfolgerung lautete, dass es keine überzeugenden Beweise dafür gibt, dass Glyphosat Tumore auslöst.“ Oxidativer Stress sei zwar ein Mechanismus, der zur Tumorbildung führen könne. Aber die Echa ergänzte: „Da es keine eindeutigen Beweise für Tumore im Zusammenhang mit Glyphosat gibt, ist der Nachweis, dass Glyphosat oxidativen Stress verursacht, für die Schlussfolgerung nicht relevant.“ Die Echa-ExpertInnen hätten auch Clausings Argumente zur Kenntnis genommen.

Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hatte die Einschätzung der Echa übernommen. Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) kritisierte im Juli, sie berücksichtige die Auswirkungen auf die Natur nicht ausreichend. Tatsächlich hatte die Efsa selbst erklärt, aufgrund fehlender Daten seien „keine eindeutigen Schlussfolgerungen“ dazu möglich, wie der Unkrautvernichter sich auf die Artenvielfalt auswirkt. Özdemirs Koalitionspartner FDP plädiert aber für Glyphosat.

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