Engagement beim Bildungsprotesttag: Inklusion meint wirklich alle

Die 15-jährige Janne Schmidmann egangiert sich für Inklusion. Die Bremerin organisiert den bundesweiten Bildungsprotesttag am 23. September mit.

Ein Rollstuhl steht im Klassenzimmer

Alle sollen einen Platz im Klassenzimmer haben Foto: picture alliance/dpa/Inga Kjer

BREMEN taz | „Hätte man mir vor einem halben Jahr gesagt, ich würde auf einer Demo sprechen, hätte ich gesagt: Nie im Leben!“ Sie habe sich ja bis vor zwei Jahren nicht einmal freiwillig im Unterricht gemeldet, erzählt Janne Schmidmann.

Und jetzt das: Am Freitag vor einer Woche hat die 15-Jährige während des weltweiten Klimastreiks vor 3.500 Menschen auf dem Bremer Marktplatz eine Wende in der Bildungspolitik sowie eine Inklusion aller Schü­le­r:in­nen gefordert. Rhetorisch geschickt, mit sicherem Auftreten. Der Bogen zum Klimathema gelang ihr mühelos: Die Menschen würden auch deshalb ihre Lebensgrundlagen zerstören, weil Schule nicht auf die Folgen und die Lösungen des Klimawandels vorbereite. „Stattdessen lernen wir, wie wir unsere Erde noch weiter ausbeuten.“

Eingeladen worden war die Zehntklässlerin, weil sie den bundesweiten Bildungsprotesttag am 23. September mit organisiert. Dort wird sie wieder auf einer Kundgebung als Rednerin auftreten, in ihrer Heimatstadt Bremen. Anfang September informierte sie über diesen Tag in Berlin auf einer Pressekonferenz, als einzige Schülerin. Dabei ist sie erst im Juli zum Team dazu gestoßen, das die Bremer Proteste koordiniert.

Den Menschen, die hinter dem Bündnis „Bildungswende jetzt“ stehen, geht es darum, allen von Anfang an eine gute Bildung zu ermöglichen, unabhängig von ihrem Lerntempo, der Herkunft und dem Einkommen ihrer Eltern, und sie ihren Fähigkeiten entsprechend zu fördern. Wie wenig selbstverständlich das ist, hat Janne Schmidmann selbst erlebt. Aufgrund einer angeborenen Knochenerkrankung muss sie immer wieder operiert werden, kann wochen- oder monatelang nicht in die Schule gehen. Zudem ist sie in ihrer Mobilität eingeschränkt, brauchte immer wieder einen Rollstuhl, zuletzt für ein ganzes Jahr. An ihrem linken Bein trägt sie eine Orthese, die auf Nervenimpulse reagiert und ihr Bein bewegt und stützt. Damit reitet und klettert sie – wobei ihr die Orthese beim Klettern nichts nütze. „Das mache ich einbeinig.“

Keine Unterstützung

In der weiterführenden Schule – einer Modellschule, die das selbständige Lernen betont – wurde die Behinderung zum Problem: Sie bekam während ihrer Krankenhaus- und Rehaaufenthalte keine Unterstützung der Lehrkräfte und auch das Material nicht, das sie zur Erledigung der Aufgaben brauchte; das Klassenlehrerteam plante Klassenfahrten mit langer Radtour hin und zurück – sie hatte zunehmend das Gefühl, ausgeschlossen zu werden.

„Ich habe mich lange gefragt, ob ich das Problem bin, ob ich es nicht verdient habe, mitgenommen zu werden.“ Sie sagt das ohne Wut oder Trauer, aber die Worte entfalten dennoch ihre Wucht, so wie während des Klimastreiks. Sie spricht mit Emphase über Fakten und drückt sich dabei so deutlich aus, dass die Emotionen bei den Zuhörenden entstehen.

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Im Verlauf der Neunten habe es ihr „gereicht“, sagt sie. Sie erzählte während der Präsentation ihrer Facharbeit über Inklusion an Bremer Schulen vor Klasse und Lehrerin, wie „ätzend“ sie die Umsetzung der Inklusion fände und schloss sich dem Bremer Schü­le­r:in­nen­rat für Inklusion an. Die Sicherheit, dass nicht sie das Problem ist, hätten ihr ihre beiden ebenfalls behinderten jüngeren Geschwister gegeben, sagt sie. „Die erleben ja dasselbe wie ich.“

Ob sie ein Vorbild sein wolle? „Ja, für Menschen, die Lust haben, sich zu engagieren und sich nicht trauen.“

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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