Skywalk über der Elbe: Nach drüben geht es weiterhin nicht

Die Dömitzer Eisenbahnbrücke ist ein Industriedenkmal, das Touristen nun auf einem Skywalk begehen können. Überwunden ist die Teilung damit noch nicht.

llustration von einem Menschen, der über eine Brücke fliegt

Auf der Brücke ist man dem Himmel noch ein Stückchen näher Foto: Jeong Hwa Min

DÖMITZ taz | Wie ein Wahrzeichen ragt die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Dömitzer Eisenbahnbrücke über die Elbe. Jahrzehntelang war das kolossale Bauwerk nur von den Ufern aus zu bestaunen. Der Elbe-Radweg, wiederholt zum beliebtesten Radfernweg Deutschlands gekürt, führt auf niedersächsischer Seite direkt unter dem wuchtigen Brückenkopf mit den beiden Wehrtürmen hindurch. Jetzt können Be­su­che­r:in­nen den hier noch nicht begradigten und ausgebaggerten Fluss und das mecklenburgische Ufer gegenüber mit der Kleinstadt Dömitz auch von oben erkunden.

Über insgesamt rund 130 Meter ist die Dömitzer Eisenbahnbrücke begehbar. Knapp 2 Meter breit ist der sogenannte Skywalk, die massiv-metallenen Zäune auf den Seiten sollen auch Nichtschwindelfreien ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Im August wurde die Touristenattraktion nach dreijähriger Bauzeit eröffnet.

Ein Zeuge der deutschen Teilung

Die zwischen 1870 und 1873 errichtete Brücke war ursprünglich knapp einen Kilometer lang und verband Wittenberge und Lüneburg. Am 20. April 1945 wurde sie durch einen Luftangriff der Alliierten zerstört. Nie mehr aufgebaut, blieb sie ein stummer Zeuge der deutschen Teilung.

Die Besonderheit

Die Elbbrücke bei Dömitz war mit 986 Metern eine der längsten Strombrücken Deutschlands. Das in den letzten Kriegstagen teilzerstörte Bauwerk war Teil der Bahnstrecke von Wittenberge nach Lüneburg, die nie eine überregionale Bedeutung erlangte. Nach dem Krieg wurde die Brücke nicht wieder aufgebaut, sie symbolisierte so an der Grenze die deutsche Teilung in Ost und West.

Die Zielgruppe

Alle, die aus ungewohnter Perspektive einen Blick auf die spektakulär schöne Elbtalaue werfen wollen. Und alle, die sich für Eisenbahn- und Industriegeschichte interessieren.

Hindernisse auf dem Weg

Nach 130 Metern Skywalk ist vorerst Schluss. Geländer hindern am Weitergehen und In-den-Fluss-Fallen. Die Brücke ist nur bis Sonnenuntergang zugänglich.

In seinem Film „Im Lauf der Zeit“ setzte der Regisseur Wim Wenders der Brücke ein filmisches Denkmal. Autoren wie Guntram Vesper und Nicolas Born zeigten sich von ihr beeindruckt. Vertriebenenverbände luden den Ort politisch auf, bis 1981 versammelten sie sich hier an Gedenktagen wie dem 17. Juni. Zugleich dokumentieren die Brückenreste mit den später weltweit nachgeahmten Brückenbögen die hohe Ingenieurskunst im 19. Jahrhundert. 1987 wurden in der DDR die Brückenpfeiler auf dem Ost­ufer gesprengt, die Brückenreste im Westen blieben stehen, insgesamt etwa 550 Meter.

Nachdem die Deutsche Bahn lange vergeblich versucht hatte, die Brücke zu verkaufen oder sogar zu verschenken, gab sie das Bauwerk 2010 an ein Auktionshaus zur Versteigerung. Den Zuschlag erhielt der Niederländer Toni Bienemann, der für die Brücke 305.000 Euro auf den Auktionstisch blättern musste.

Der Landkreis Lüchow-Dannenberg sowie die Gemeinde Langendorf und die Samtgemeinde Elbtalaue, auf deren Gebiet die Brückenreste stehen, äußerten schon damals die Hoffnung, dass der neue Besitzer das historische Monument einer touristischen Nutzung zuführen würde. Der Kreisverwaltung etwa schwebte vor, den Brückenkopf als Aussichtsplattform zu gestalten und dort ein Café einzurichten.

Doch zunächst passierte: Nichts. Erst 10 Jahre später begannen Handwerker, die beiden historischen Kopftürme der Brücke zu restaurieren. Rund 12.000 Steine mussten sie dafür neu setzen. „Die größte Herausforderung war eigentlich, dass dieses sehr stark geschädigte Bauwerk hinterher nicht viel anders aussehen sollte als in seinem historischen Zustand“, sagt der leitende Architekt Ralf Pohlmann. Deshalb nutzten die Maurer so viel altes Material wie möglich.

Frische Ziegel nach historischer Art

Natürlich, so Pohlmann, ging auch einiges zu Bruch, „dafür haben wir nach einem möglichst originalgetreuen Ersatz gesucht“. Fündig wurden die Baufachleute im brandenburgischen Werder an der Havel. Dort gibt es noch eine Ziegelei mit einem historischen Ringofen, in dem handgeformte Ziegel nach althergebrachten Verfahren hergestellt werden – perfekt für das Projekt an der Elbe.

Wer die Brückenpfeiler betrachtet, nimmt kaum wahr, dass hier so intensiv saniert wurde. Für Lüchow-Dannenbergs oberste Denkmalpflegerin Kerstin Duncker ein Zeichen ausgezeichneter Arbeit: „Die beste Sanierung ist die, die man nicht sieht.“

Insgesamt 8 Millionen Euro sind in die Sanierung und die Errichtung des Skywalks geflossen, davon 7,5 Millionen aus Mitteln des Landes und der EU. Bei dem Projekt haben die niedersächsische Samtgemeinde Elbtalaue, das Amt Dömitz in Mecklenburg-Vorpommern und weitere Behörden in Ost- und Westdeutschland zusammengearbeitet.

Mittelfristig soll der Skywalk auf alle noch vorhandenen 16 Brückenpfeiler ausgeweitet, ein barrierefreier Zugang geschaffen und ein Infozentrum eingerichtet werden. Die Pläne dafür sind da, die Finanzierung ist allerdings noch längst nicht gesichert.

Mit dem von den Kommunalpolitikern erhofften Café wird es aber wohl nichts: Das Bauwerk verfügt weder über einen Strom- noch einen Wasseranschluss. Auch sanitäre Anlagen sind nicht vorhanden. Da das Gebäude kilometerweit von Ansiedlungen entfernt steht, würde allein die Verlegung von Versorgungsleitungen Millionen verschlingen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.