Vorwurf gegen „Hamburger Abendblatt“: Gute Nachrichten für den Sponsor

Das „Hamburger Abendblatt“ lässt sich die Beleuchtung des TV-Turms in Firmenfarben sponsern. Zugleich gibt es einen großen Artikel über den Geldgeber.

farbig angestrahlter Fernsehturm

Musste schon für manche Projektion herhalten: Hamburger Fernsehturm Foto: Christian Charisius/dpa

HAMBURG taz | Das Geld ist knapp bei den Zeitungshäusern. Um die stark eingebrochenen Erlöse zu kompensieren, muss das Management kreativ sein. Das Hamburger Abendblatt lässt daher sich zur Kostendämpfung eine Jubiläumsaktion sponsern. Zufall oder nicht – gleich neben dem Artikel dazu steht ein großer Bericht über den Sponsor. 1.000 Arbeitsplätze wolle er schaffen, steht auf der Internetseite.

Das Abendblatt als wichtigste Hamburger Lokalzeitung hat Axel Springer 1948 gegründet und damit den Grundstein seines Medienimperiums gelegt. 2014 verkaufte der Springer-Verlag das Blatt an die Funke-Mediengruppe. Im Jubiläumsjahr erscheint eine Artikelserie zu den wichtigsten Ereignissen der vergangenen 75 Jahre. Als Extra für die Leser hat sich Marketingchefin Vivian Hecker einen Besuch des Fernsehturms – im Volksmund Telemichel – ausgedacht.

400 Losgewinner dürfen noch bis Mittwoch mit dem Aufzug zur – eigentlich seit einigen Jahren geschlossenen – Aussichtsplattform in rund 130 Metern Höhe fahren. Für viele ältere Hamburger verbinden sich Erinnerungen damit, im Restaurant der gemächlich sich drehenden Plattform zu sitzen und den Blick über die Stadt schweifen zu lassen.

Um das Ereignis in der ganzen Stadt sichtbar zu machen, wird die Plattform sowie die darüber liegende in diesen Tagen angestrahlt: Nachts erscheinen sie als zwei grüne Ringe. Die Beleuchtung lässt sich das Abendblatt von der städtischen Messegesellschaft Hamburg Messe und Kongress sowie der Firma Eins-Komma-Fünf-Grad sponsern.

Unternehmen will Gebäude klimaneutral machen

Zum Start der Aktion am Montag erschien in der Zeitung ein großer Artikel über Eins-Komma-Fünf-Grad. 500.000 Gebäude pro Jahr wolle das 2021 gegründete Hamburger Unternehmen bis Ende des Jahrzehnts auf klimaneutrale Strom- und Wärmeerzeugung sowie Mobilität umrüsten. Dafür biete es ein Paket aus Solarmodulen, Wärmepumpe, Stromspeicher und E-Auto-Ladestation an – alles miteinander vernetzt und von einer selbst entwickelten Energiemanagement-Software gesteuert. Demnächst wolle die Firma ihre Solarmodule sogar selbst herstellen.

Dieses Engagement für den Klimaschutz ist natürlich aller Ehren wert, wäre da nicht das unglückliche Zusammenfallen der Aktion mit der Veröffentlichung des Artikels. Dass das eine mit dem anderen zu tun haben könnte, drängt sich geradezu auf.

Orientierung hierzu bietet der Pressekodex des Deutschen Presserats. Das ist das Organ der freiwilligen Selbstkontrolle der Printmedien und deren Online-Auftritte in Deutschland. „Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter beeinflusst werden“, heißt es in Ziffer Sieben. Auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Werbung sei zu achten.

Ein Verdacht auf Schleichwerbung liege dann nahe, „wenn die Veröffentlichung über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte Vorteile belohnt wird“.

Verlag weist Vorwurf zurück

Präzisiert wird das im Leitfaden zum Pressekodex: „Eine finanzielle Gegenleistung stellt einen eindeutigen Indikator für vorliegende Schleichwerbung dar“, heißt es darin. Gegen Schleichwerbung spricht der Nachrichtenwert eines Artikels. Die Berichterstattung müsse Informationen liefern, die von besonderer Qualität und dadurch von öffentlichem Interesse seien. Das könnte der Fall sein, wenn eine Firma ein Produkt als einzige anbietet oder etwas ganz Neues tut.

Die Funke-Mediengruppe weist den Vorwurf der Schleichwerbung entschieden zurück. „Es ist ein – wenn auch ob der Wirkung unglücklicher – Zufall“, teilt die Pressestelle mit. Zwischen den beteiligten Ressorts habe es keinerlei Absprachen gegeben, geschweige denn einen Einfluss des Unternehmens. Es handle sich um einen Zufall, „getrieben allein von der Nachricht, dass 1 Komma 5 – ein Unternehmen, über das die Redaktion des Hamburger Abendblattes wie auch über andere lokale Unternehmen regelmäßig berichtet – 1.000 neue Arbeitsplätze schafft“.

Tatsächlich hat das Abendblatt in einer Vielzahl von Artikeln über das Start-up-Unternehmen berichtet, nachdem es 2022 gut 200 Millionen Euro an Wagniskapital eingesammelt hatte. Die Hoffnung dahinter ist, dass hier ein „Einhorn“ der Energiewende entstehen könnte, ein Tech-Unternehmen mit gewaltigem Wachstum nach dem Vorbild der Amerikaner – und das mit dem Vorhaben, Einfamilienhäuser mittels standardisierter Prozesse klimaneutral zu machen.

Den Hamburger Heinrich-Hertz-Turm grün anzustrahlen, passt insofern gut zum Unternehmen und natürlich auch zum Hamburger Abendblatt, das im grünen Gewande auftritt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.