Geschichte der Juden in Hamburg: Teppichhandel gehört dazu

Hamburgs Institut für die Geschichte der deutschen Juden widmet sich auch der Nachkriegszeit. Mit seinen Projekten will es in die Öffentlichkeit.

Kerzen stehen zwischen den goldenen Stolpersteinen, die in der Straße eingelassen sind. Menschen gehen im Hintergrund die Straße entlang.

Stolpersteine im Hamburger Grindel-Viertel erinnern an die Deportation und Ermordung von Juden Foto: Marcus Brandt/dpa

HAMBURG taz | Karen Körber verbindet einen Perserteppich nicht nur mit Wohnungsdekoration, sondern auch mit ihrem aktuellen Forschungsprojekt zur Geschichte der iranischen Jüdinnen und Juden in Hamburg: Die Soziologin arbeitet seit 2018 am dortigen Institut für die Geschichte der deutschen Juden (IGdJ) und leitet den Bereich Jüdische Gegenwartsforschung. Das IGdJ wurde 1966 durch den von der Stadt Hamburg berufenen Heinz Mosche Graupe als erstem Direktor eröffnet.

Schon Mitte der 1950er-Jahre hatte es eine Bürger*innen-Initiative gegeben. 1963 sagte die Hamburger Bürgerschaft Mittel zur Gründung eines Forschungsinstituts zu. Damals boten die Quellen, die die NS-Zeit im Hamburger Staatsarchiv überstanden, eine gute Gelegenheit zur Erforschung der über 400-jährigen jüdischen Geschichte im Hamburger Raum.

Die heutige Direktorin Kim Wünschmann nennt die damals wichtigen Fragen: „Wohin gehören diese Quellen, und wer hat die Deutungshoheit?“ Da auch der israelische Staat Anspruch anmeldete, kam es zu einer Aufteilung des Archivguts zwischen Hamburg und Jerusalem und der Ergänzung der Bestände um Mikrofilme und Kopien.

Das IGdJ ist eine Stiftung bürgerlichen Rechts und wird von der Stadt Hamburg grundfinanziert. Es umfasst ein Team von sieben Festangestellten. Für Forschungsprojekte, die heute auch auf die aktuelle Situation von Jüdinnen und Juden in Hamburg gerichtet sind, benötigt es dann Drittmittel. Dabei steht das Institut im sachbezogenen Austausch mit der jüdischen Gemeinschaft Hamburgs.

Zahlreiche Kooperationen mit Israel

Im Zweifel braucht es laut Körber aber klare Grenzen „zwischen denjenigen, die als jüdische Ak­teu­r*in­nen auch ein politisches Anliegen haben und zwischen uns, die wissenschaftlich reflektierend mit Veränderungen in der Gegenwart umgehen“. Zum jüngsten Angriff der Hamas auf Israel sagt sie: „Heute sind unsere Gedanken bei unseren Kol­le­g*in­nen und Freun­d*in­nen in Israel. Das IGdJ unterhält zahlreiche und tiefe wissenschaftliche Kooperationen mit Israel.“

Die Arbeitsergebnisse des IGdJ werden indes nicht nur in die Forschungsgemeinschaft getragen. Wünschmann sagt: „Wir wollen einen Raum für Diskurs schaffen, der auch in die breite Öffentlichkeit hineinwirkt.“ Das Schulprojekt „Geschichtomat“ etwa kombiniert historisches Lernen mit dem Erwerb von Medienkompetenzen. Derzeit arbeitet das IGdJ an der grafischen Darstellung zweier Beispiele deutsch-jüdischer Geschichte in Comic-Form, die 2024 publiziert werden sollen.

Als „Glücksfall“ beschreibt Wissenschaftlerin Körber das Zustandekommen ihrer Recherchen zu den iranischen Jüdinnen und Juden, die exemplarisch für den Arbeitsbereich der Jüdischen Geschichte nach 1945 stehen. Schriftliche Quellen habe es keine gegeben, doch durch ein Kuratoriumsmitglied habe sie Kontakt zu Rabin Yaghoubi bekommen.

Er kam Anfang der 1970er-Jahre in Hamburg zur Welt, sein Vater war 1958 aus Iran eingewandert, die Mutter 1967. Wie sie kamen zwischen 1950 und 2000 bis zu 1.500 Iraner*innen, darunter 200 bis 300 jüdischen Glaubens, nach Hamburg. Sie hatten als Handeltreibende „maßgeblich wirtschaftliche Motive für die Migration“, sagt Körber. Der Hafen wurde zentraler Umschlagplatz für den Teppichhandel in Europa.

Nach der „Islamischen Revolution“ 1979, die die Flucht des Schahs und das bis heute währende Mullah-Regime zur Folge hatte, verließen viele Jüdinnen und Juden Iran in Richtung USA – und viele der in Hamburg Lebenden folgte den Verwandten. Körber führt dies auch auf den in Europa einbrechenden Teppichhandel zurück.

Körber hat ihre Forschungsergebnisse gemeinsam mit der Digital-History-Expertin Anna Menny in eine digitale Ausstellung übersetzt. Erste Einblicke bietet ein Gesprächsabend am 6. November während der Hamburger Jüdischen Kulturtage. Sven Bleilefens

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