Macron zu Besuch in Israel: Er will mehr als freie Geiseln

Frankreichs Präsident Macron fordert in Tel Aviv eine inter­nationale Koalition gegen die Hamas. In seiner Heimat dürfte das nicht allen gefallen.

Frankreichs Präsident Macron umarmt den Ministerpräsidenten Netanjahu mit ernster Miene

Emmanuel Macron traf sich am Dienstag mit dem israelischen Premierminister Netanjahu in Tel Aviv Foto: Christophe Ena/reuters

PARIS taz | Außenpolitik ist Innenpolitik. Das gilt auch für Emmanuel Macrons Reise in den Nahen Osten. Jedes seiner Worte beim Treffen mit dem israelischen Staatschef Jitzhak Herzog und Premierminister Benjamin Netanjahu in Jerusalem, jede Äußerung während des kurzen Besuchs in Ramallah beim Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, wird auch in Frankreich auf die Waagschale gelegt. Als riskanten politischen „Hochseilakt“ analysierte die Zeitung Libération die Nahostreise des französischen Staatspräsidenten. Da seine Reise nicht bloß ein Pflichtbesuch sein soll, wurden konkrete Ergebnisse erwartet.

Mit 30 Todesopfern und 9 mutmaßlich als Geiseln nach Gaza entführten Staatsangehörigen ist Frankreich direkt vom Konflikt betroffen. Zu Macrons vorrangigen Absichten und Aufgaben gehört es, vor und hinter den diplomatischen Kulissen die Freilassung dieser von der Hamas festgehaltenen Landsleute zu erwirken.

Illustration: Katja Gendikov

Im Diskurs um Israel und Gaza verhärten sich die Fronten. Warum das nicht hilft.

Man weiß, dass er diesbezüglich namentlich den Emir von Katar am Telefon um Vermittlung gebeten hat. Nach seiner Ankunft in Tel Aviv traf Macron als Erstes die Familien der französischen Terroropfer und Angehörige der Verschleppten, denen er versicherte, „alles in seiner Macht Stehende“ zu tun.

Die Freilassung der Geiseln ist nicht der einzige Punkt. Frankreich möchte wie die anderen europäischen Partner das Selbstverteidigungsrecht Israels bekräftigen und zugleich die Einhaltung des Völkerrechts anmahnen. Anders als Deutschland forderte er im Vorfeld sogar für die Einrichtung eines humanitären Korridors „eine humanitäre Feuerpause, die es uns gegebenenfalls erlaubt, ein politisches Szenario für einen Waffenstillstand zu schaffen“.

Nahost-Konflikt nicht nach Frankreich importieren

In Israel sagte Macron aber nicht explizit, ob für ihn wie für US-Präsident Joe Biden die Freilassung aller Geiseln eine Vorbedingung für die Einstellung der bewaffneten Auseinandersetzungen sei. In Frankreich werden der Präsident und seine Regierung von der politischen Linken dafür kritisiert, nicht ohne Wenn und Aber für eine sofortige Waffenruhe einzutreten.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte einen vorgängigen Stopp der Hamas-Angriffe verlangt: „Wir können die humanitäre Katastrophe nicht eindämmen, wenn der Terrorismus von Gaza so weitergeht.“ Und noch deutlicher meinte der italienische Außenminister Antonio Tajani: „Wir können Israel nicht sagen, es dürfe sich nicht mehr selbst verteidigen, solange die Hamas Raketen auf seine Städte abfeuert.“ Der Terrorismus der Hamas müsse international bekämpft werden, wie IS oder al-Qaida, sagte nun Macron.

Gleichzeitig wiederholte der französische Präsident, dass Frankreich seit jeher gegen die Kolonisierung in den besetzten Gebieten und für eine Zweistaatenlösung eintritt: „Israels Sicherheit kann nicht von Dauer sein ohne entschlossenen Neubeginn des politischen Prozesses mit den Palästinensern.“ Das wollte Macron auch bei seinem Treffen mit Mahmud Abbas und später in Amman bei dem jordanischen König Abdullah II. bekräftigen.

Aus innenpolitischer Sicht ist es Macrons Priorität, mit möglichst ausgewogen erscheinenden Stellungnahmen dazu beizutragen, dass der Konflikt im Nahen Osten nicht nach Frankreich importiert wird. Dort wachsen die Spannungen: In den ersten Tagen nach den Hamas-Massakern wurden in Frankreich sämtliche Kundgebungen für Palästina verboten. Am Sonntag konnten dann nach einem Gerichtsentscheid rund 15.000 Menschen in Paris aus Solidarität mit den Palästinensern für einen sofortigen Waffenstillstand ungehindert demonstrieren.

In Frankreich hatte die Frage, ob die Hamas als „terroristisch“ definiert werden muss, zu einer heftigen Polemik Anlass gegeben. Im Unterschied zu den Grünen, Sozialisten und Kommunisten hatten es führende Mitglieder von La France insoumise ausdrücklich abgelehnt, von einem Terrorismus der Hamas zu sprechen. Premierministerin Elisabeth Borne verurteilte dies vor den Abgeordneten als gefährliche Verharmlosung: „Den Terrorismus relativieren, rechtfertigen oder gar absegnen, das heißt hinzunehmen, dass dieser erneut in Israel oder Frankreich und überall zuschlägt.“

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