Tarifverhandlungen: Infrastruktur in Gefahr

Zum Auftakt der Verhandlungen warnt Verdi: Ohne gerechte Löhne ist dem Personalmangel im öffentlichen Dienst nicht beizukommen.

«Still loving TV-L» steht während einer Demonstration des verdi-Netzwerks «Freie Träger, faire Löhne!» für bessere Löhne der freien Träger im sozialen Bereich auf einem Banner.

Muss dringend der Inflation angepasst werden: Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder Foto: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

BERLIN taz | Bei den kommenden Tarifverhandlungen geht es nicht nur um gerechte Löhne, sondern um die Zukunft der Infrastruktur der Stadt – so lässt sich die Kernbotschaft einer Verdi-Pressekonferenz zusammenfassen, die die Dienstleistungsgewerkschaft am Mittwochvormittag in ihrer Zentrale abhielt. Anlass waren die Verhandlungen um den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), die am Donnerstag starten.

Martina Breitmann, Leiterin einer Kindertagesstätte, teilt ihre Erfahrungen als Beschäftigte im Sozialbereich auf der Pressekonferenz. Seit Jahren fehle es aufgrund der schlechten Bezahlung und der hohen Belastung ihrer Mit­ar­bei­te­r*in­nen ständig an Personal. Die Ausfälle erhöhten den Druck auf die übrigen Mitarbeitenden, die dann wiederum kündigten – ein Teufelskreis. Unter den überwiegend weiblichen Er­zie­he­r*in­nen gibt es eine der höchsten Burn-out-Quoten bundesweit, so die Kita-Leiterin.

Die Situation belaste die Förderung der Kinder, welche die eigentliche Aufgabe von Kindertagesstätten sei: „Ich muss es ehrlich sagen: Wir bewahren die Kinder nur noch auf. Für Bildung oder Vorbereitung auf die Schule ist schlicht keine Zeit und kein Personal da“, klagt Breitmann. Dabei sei gerade nach der Zeit der Pandemie der individuelle Betreuungsbedarf bei vielen Kindern gestiegen. Doch statt neue Fachkräfte zu finden, ist es angesichts dieser Zustände sogar schwer geworden, selbst langjährige Mit­ar­bei­te­r*in­nen zu halten.

Martina Breitmann ist sich sicher, dass die Eltern den Tarifkampf unterstützen werden. Immerhin hängt deren Berufstätigkeit von der kommunalen Betreuung ab, angesichts der Inflation mehr als zuvor. „Die Eltern sind gerade sehr an unserer Seite und werden sicher mit uns auf die Straße gehen“, sagt sie.

Einmalzahlungen nicht ausreichend

Mehr Investition in den Nachwuchs und in gute Mit­ar­bei­te­r*in­nen wünschten sich auch Mirko Ückert, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität, und Louis Leary, studentischer Beschäftigter an der Humboldt-Universität. Leary berichtet, dass viele seiner Kol­le­g*in­nen angesichts der Bezahlung von 13 Euro pro Stunde nicht mehr an der Uni arbeiten wollen, sondern sich andere Stellen suchen würden. „Dabei halten wir den Laden am Laufen“, sagt er. Für Studierende seien Tu­to­r*in­nen wichtige Ansprechpersonen. „Von der Verwaltung bis zu den Beratungsstellen fehlt Personal, um den Studierenden gerecht zu werden“, ergänzt Mirko Ückert. Dabei hängt es im Zweifel von dieser Betreuung ab, ob Studierende ihre Ausbildung fortsetzen oder das Studium abbrechen.

Im Stadtstaat Berlin betrifft der Tarifvertrag viele Beschäftigte in der kommunalen Infrastruktur, für die in anderen Bundesländern der Tarif des öffentlichen Dienstes TV-ÖD gelten würde. Das sind nicht wenige: In den Landes- und Bezirksverwaltungen, in den Kita-Eigenbetrieben des Landes Berlin und den Hochschulen arbeiten insgesamt rund 124.000 Beschäftigte und 63.000 Beamte.

In der Tarifrunde will die Gewerkschaft Verdi ihre Forderungen gegenüber der Arbeitgebervereinigung „Tarifgemeinschaft deutscher Länder“, vertreten durch den Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), durchsetzen. Die Gewerkschaft fordert eine Lohnerhöhung um mindestens 10,5 Prozent.

„In der Krise hat sich für viele gezeigt, dass Einmalzahlungen keine tatsächliche Absicherung darstellen, sondern eine Angleichung an die Inflation und auch die steigenden Mieten im Tarif verankert werden müssen“, sagte der Pressesprecher von Verdi, Kalle Kunkel. Die sogenannte Coronaprämie sei vielfach nicht bei den Beschäftigten angekommen, sondern von Arbeitgeberseite als freiwillige Zahlung verstanden worden. „Für ihre Forderungen werden die Beschäftigen auf jeden Fall auf die Straße gehen. Es wird auch Streiks geben, sollte es von Arbeitgeberseite keine Bewegung geben“, warnt Kunkel.

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