Gute Zeiten, soziale Zeiten

Unsozial statt sportlich: Hamburgs CDU-Senat wehrt sich gegen den Vorwurf der Opposition, Sozialpolitik nur bei schönem Wetter machen zu wollen. Und sportlich richtet sich die Olympia-Perspektive bereits auf die zwanziger Jahre

von Markus Jox
und Sven-Michael Veit

Es gibt Sätze, die drohen den zu überleben, der sie sprach. „Soziale Dinge können wir uns wieder leisten, wenn es uns besser geht“, dürfte so einer sein. Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hat ihn kürzlich gesagt in einem Interview – und sich damit „von den Prinzipien des Grundgesetzes entfernt“, wie ihm SPD-Fraktionsvize Gesine Dräger gestern in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft vorwarf. Sozialpolitik nach Art der SPD habe, beteuerte Dräger, „bei aller Härte das Ziel, das Sozialsystem zu erhalten“. Der Union aber gelte Sozialpolitik offenbar als Schönwetterangelegenheit.

Nur erreichten ihre Worte die Adressaten kaum: Die Mehrheit der CDU-Abgeordneten und auch der Bürgermeister selbst, der sich von SPD-Fraktionschef Michael Neumann wieder einmal des „schrankenlosen Neoliberalismus“ hatte zeihen lassen müssen, nutzten die Debatte für eine Kaffeepause. Was von Beust den Vorwurf von Martina Gregersen (GAL) einbrachte, „die Solidarität aufzukündigen“. Die seit fast vier Jahren exekutierte Sparpolitik des Senats bei Kindern, Frauen, Bildung und Sozialem gefährde den sozialen Rechtsstaat. Bürgermeister, Senat und CDU, so Gregersen, „diffamieren soziale Politik“.

Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) wies das selbstredend als „wirklichkeitsfern“ zurück. „Den Einzelnen schmerzt jede Einschränkung“, hat sie jedoch erkannt, „selbst wenn sie noch so berechtigt und sinnvoll ist.“ Diejenigen aber, „die sich nicht helfen lassen wollen“, könnten eben „mit unserer Hilfe nicht rechnen“. Und im Übrigen sei die rot-grüne Bundesregierung in Berlin an allem Übel schuld, weil ihre Politik die Arbeitslosenzahlen erhöhe und die staatlichen Einnahmen senke. Man könne schließlich, rechnete auch Karen Koop (CDU) der Opposition vor, „nur Geld ausgeben, das vorher erwirtschaftet wurde“.

Es gehe eben nicht darum, stellte GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch umgehend klar, mehr Geld auszugeben, „sondern das vorhandene richtig“. Und im Sozialbereich könne das „keinesfalls falsch sein“. Der Bürgermeister solle „aufhören, den netten Landesvater zu spielen und Schwäne zu füttern“ – stattdessen solle Ole von Beust vielmehr die sozialen Realitäten in der Stadt zur Kenntnis nehmen, forderte Goetsch. Die Rede der Sozialsenatorin wollte die GAL-Chefin erst gar nicht kommentieren – falle Schnieber-Jastram in den einschlägigen Ausschusssitzungen des Parlaments doch einzig durch ihre Abwesenheit auf.

Im Gegensatz zu der ob solcher Angriffe noch selbstzufriedener auf der Senatsbank thronenden und vor sich hingrinsenden Kollegin Schnieber-Jastram blickt Sportsenatorin Alexandra Dinges-Dierig (neuerdings CDU) immer so blass und ängstlich drein wie ein Vögelchen, das soeben aus dem Nest gefallen ist. „Dieses Sportgesicht hat große Probleme mit seiner eigenen Vermarktung und muss aufpassen, dass es nicht zum Spottgesicht wird“, ätzte GALierin Verena Lappe in den letzten Minuten der Aktuellen Stunde mit Blick auf Dinges-Dierig. Es sei ein „fataler Fehler“ der Ressortchefin gewesen, die Leitung im Sportamt so lange Zeit vakant zu lassen und stattdessen „einen Haufen von Mitläufern“ die Arbeit tun zu lassen. Von der großen „Hamburg zeigt Trikot-Aktion“ etwa (siehe Foto oben) sei der Hamburger Sportverband gerade mal eine Woche vorher informiert worden, beklagte Lappe.

Andreas Mattner von der CDU hatte dem nicht viel mehr entgegenzusetzen, als „den schönen Geist von Olympia“ zu beschwören, der zu Zeiten der Hamburger Bewerbung „parteiübergreifend“ geherrscht habe.

Den wird Mattner wohl noch lange beschwören können. In drei Wochen wird Olympia 2012 sehr wahrscheinlich an eine europäische Metropole vergeben werden, nachdem Mitkonkurrent New York aus finanziellen Gründen seine Bewerbung zurückziehen dürfte. Die Folge: Hamburg darf seinen sportiven Blick schon mal auf das Jahr 2024 richten.