Beschwerden über Berichte der BBC: Wortwahl, Quellen, Social Media

Tausende sind mit der Berichterstattung der BBC zum Nahostkonflikt unzufrieden. Auch im Sender gibt es Protest, ja sogar Kündigungen.

Demonstranten mit israelischen Fahnen

Protest vor dem BBC Broadcasting House in London Mitte Oktober Foto: Toby Melville/reuters

Die BBC kämpft mit Beschwerden. Allein vom 7. Oktober, als der Nahostkonflikt durch die Terrorattentate der Hamas wieder entfacht wurde und Israel reagierte, bis zum 16. Oktober hat der britische Sender über 1.500 Beschwerden über seine Berichterstattung zu dem Krieg bekommen – von Be­für­wor­te­r:in­nen beider Seiten, die finden, dass die BBC nicht unparteiisch berichtet hätte.

Insbesondere in der Kritik steht die Wortwahl der BBC. So wurde die Hamas bis zum 20. Oktober nicht als Terrororganisation bezeichnet, sondern lediglich als militante Gruppe. Erst danach ging der Sender dazu über, die Hamas als eine „als terroristisch eingestufte Organisation“ zu beschreiben.

Die proisraelische Seite übte jedoch noch mehr Kritik. Etwa an BBC-Korrespondent Jon Donnison. Der spekulierte live in den Nachrichten über die durch einen Flugkörper verursachte Explosion vor Gazas Al-Ahli-Krankenhaus: „Es ist schwer vorstellbar in Anbetracht der Größe der Explosion, dass es etwas anderes gewesen sein könnte als ein israelischer Luftangriff.“ Erst in der späteren Berichterstattung wurde ein Fokus darauf gelegt, wie andere die Lage einschätzen und wie sich Israel dazu äußerte.

Doch auch Un­ter­stüt­ze­r:in­nen der palästinensischen Seite üben Kritik an dem Sender, etwa weil es in manchen BBC-Beiträgen hieß, dass Menschen in Gaza „gestorben“ seien, die Menschen in Israel „ermordet“.

Auch Rami Ruhayem, BBC-Korrespondent in Beirut, verurteilte die Wortwahl der BBC in einer E-Mail an den Intendanten Tim Davie, die danach öffentlich wurde. Er kritisiert darin, dass Berichte über den Angriff der Hamas auf Israel mit Worten wie „Massaker“, „Schlachtung“ und „Gräueltaten“ arbeiten, nicht aber bei Berichten über Gegenmaßnahmen Israels. Er sehe darin Aufwiegelung und Kriegspropaganda und argumentiert für die Nutzung von Begriffen wie „Siedlerkolonialismus“ und „ethnische Säuberung“.

Kündigungen und Posts bei X

Andere Mitarbeitende ziehen drastischere Konsequenzen als Ruhayem mit seiner Mail. Der jüdische Fußballreporter der BBC, Noah Abrahams, trat aus Protest über die anfängliche Benennung der Hamas als militante Gruppe zurück. Und auch mit der inzwischen geänderten Richtlinie und Benennung ist er nicht zufrieden.

Auf der anderen Seite steht Bassam Bounenni, ein aus Tunesien stammender Mitarbeiter des BBC-Arabischdienstes, der – so postete er bei X – seine Kündigung wegen seines „beruflichen Gewissens“ eingereicht hat. Es wird vermutet, dass er im Vorfeld wie einige weitere Kol­le­g:in­nen im Nahen Osten suspendiert worden war wegen Social-Media-Posts, die die Unparteilichkeitsregeln der BBC verletzten, da sie als Hamas-Unterstützung gelesen werden können. Tatsächlich hat Bounenni, das ergab eine Durchsicht der am 30. Oktober noch sichtbaren X-Posts, kein einziges Mal die Terrorangriffe der Hamas verurteilt.

Wegen all der Kontroversen musste sich Generalintendant Tim Davie vergangene Woche bei einem Treffen mit Abgeordneten der Konservativen rechtfertigen. Er soll sich dort für den Kommentar Jon Donnisons zum Al-Ahil-Krankenhaus entschuldigt haben. Die BBC-Nachrichtenchefin Deborah Turness schreibt in einem Beitrag auf dem BBC-Blog unter anderem: „Wir können es uns nicht erlauben zu sagen, dass wir richtig liegen, nur weil beide Seiten uns kritisieren.“ Man müsse Kritik ernst nehmen. Sicher mache man Fehler, auch wenn man versuche, dem BBC-Gelübde der Unparteilichkeit treu zu bleiben. Und sie kündigt Änderungen an: unter anderem mehr Nachrichtenschärfe und offener über Quellen zu sprechen. Etwa darüber, welche Informationen oder Behauptungen (noch) nicht verifiziert werden konnten. Man werde dazu generell mehr über die Wortwahl nachdenken.

Die Vorwürfe über Berichterstattung treffen aber auch andere Medien wie den Fernsehsender ITV, nachdem er – um den gestiegenen Hass auf muslimische Bri­t:in­nen darzustellen – die britisch-palästinensische Journalistin Latifa Abouchakra einlud. Doch Abouchakra arbeitet auch für den Sender Press TV, welcher vom iranischen Staat getragen wird. Dort beschrieb sie die Angriffe der Hamas als eine Rückkehr der Terroristen in ihre Heimat. ITV entschuldigte sich und versicherte, man hätte Abouchakra nicht eingeladen, wenn man mehr über sie gewusst hätte. Man werde bei der Einladung von Fernsehgästen künftig genauer hinsehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.