„Ich bin selber der Idiot“

Der Kabarettist Michael Ehnert erzählt von der Macht der Worthülsen, von der Fragwürdigkeit der Männlichkeit und der Schwierigkeit, seinen Standpunkt gegen scheinbar Stärkere durchzusetzen

Von JÜRGEN SCHÖN

Das politische Kabarett lebt und es kommt sogar ohne Politiker aus. Zumindest, wenn Michael Ehnert auf der Bühne steht. „Warum soll ich dem Publikum erzählen, was es schon aus den Nachrichten weiß? Nur vielleicht witziger formuliert“, fragt er und erzählt lieber „Mein Leben“. Für dieses Soloprogramm wurde er gerade mit dem renommierten Publikumspreis des Bonner Pantheon ausgezeichnet.

Mit seinen 37 Jahren hat der Hamburger schon Einiges zu erzählen. Von den Mühen, seinen eigenen Weg durchs Leben zu finden. Von der Faszination Film. Von den Gefahren der Anpassung. Von der Macht der Bilder und der Worthülsen. Von der Fragwürdigkeit der Männlichkeit. Das alles immer aus einem sehr persönlichen Blickwinkel und sich immer wieder selbst in Frage stellend. Das gilt besonders für sein zentrales Thema: die Schwierigkeit, seinen Standpunkt gegen scheinbar Stärkere durchzusetzen.

Die Erkenntnis: Die Großen und Mächtigen sind eigentlich nur „Spacken“, Blender, die ihre eigene Angst verstecken. „Dabei klage ich keine anderen als Idioten an, ich bin selber der Idiot“, stellt Ehnert klar. So erleichtere er es dem Publikum, sich mit ihm zu identifizieren und sich selber zu hinterfragen. Und das sei seine „sehr kleine und private“ Botschaft: Mut zu haben, sich selber anzuschauen.

Aber ist das nicht ein bisschen wenig? Erwartet das Publikum von einem Kabarettisten nicht auch tagespolitische Deutungen, „Handlungsanweisungen“ gar? Ehnert winkt ab, die Zeit der Agitation hat er hinter sich. Mit Kristian Bader war er zwischen 1990 und 2004 als „Bader-Ehnert-Kommando“ auf Tournee, die beiden kassierten 1995 den erstmals verliehenen Prix Pantheon. „In unserem letzten Programm verteilten wir am Schluss einer Vorstellung Aufkleber mit ,Tun Sie das...‘, ,Tun Sie jenes...‘“, erzählt er. „Das war ein satirisch-distanzierender Kommentar zu dem, was wir auf der Bühne verkündet haben.“ Seine zwei Kinder haben den „glücklich liierten“ Hamburger dazu gebracht, keine fertigen Rezepte für die Lebensgestaltung mehr zu propagieren. „Ich kann nicht über deren Leben bestimmen, ich bin nicht Gott.“ Stattdessen will er nur „Türen öffnen“. Ob sie dann durchschritten werden, müsse jeder selber entscheiden, seine Kinder ebenso wie sein Publikum. Seine Kinder haben ihm auch die Grundidee für „Mein Leben“ gegeben: Er konfrontiert sein Ich mit sich selber als Sechsjährigem, misst so Wünsche und Träume mit dem tatsächlich Erreichten.

Das alles tut er mit perfekter Schauspielkunst, zieht – sehr zur Freude des Publikums – alle Register zwischen Komödie und Tragödie, leuchtet dabei jede Falte eines Charakters aus. „Ich liebe diese Mischung, in der sich die mystische Komponente des Theaters mit seinen kathartischen Momenten entfaltet“, beschreibt er seine Arbeitsgrundlage.

Sein Können zeigt Michael Ehnert regelmäßig auch im Theater und in Fernsehfilmen („Gegen den Strom“) oder TV-Serien wie „Tatort“ oder „Ein Fall für Zwei“. Er lacht: „Da bin ich inzwischen vom korrupten Polizisten zum Arzt und Richter aufgestiegen.“ RTL habe ihn auch einmal für eine Comedyreihe haben wollen. „Doch da hätte ich zu viele Kompromisse machen müssen.“ Den Comedys sagt er ein baldiges Ende voraus: „Da wird einfach zu wenig Neues ausprobiert.“

„Mein Leben“: 10. und 11.6. jeweils 20.30 Uhr, Eifelturm-Theater Köln, Eifelstr. 33, Tel 0221 / 32 17 92