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: Unentdecktes zwischen Kölner Dom und Loreley

Das Rheinland zwischen Köln und der Loreley ist neben Berlin das von Touristen am meisten besuchte Gebiet Deutschlands. Um so erstaunlicher, dass es bisher keinen Reiseführer, keine kritische Literatur für diesen vom Massentourismus geprägten Rheinabschnitt gab. Nun hat der Pionier der „Reiseführer der anderen Art“, Martin Stankowski, diese Lücke gefüllt.

Mit der für ihn typischen Entdeckerlust hat sich der in Köln lebende Publizist ein Jahr lang links und rechts am Rheinufer zwischen Kölner Dom und Loreley umgesehen. Herausgekommen ist ein professionell gemachtes und unterhaltsam geschriebenes Standardwerk für Rheintouristen: „Links + Rechts – Der andere Rheinreiseführer, Vom Kölner Dom bis zur Loreley“.

Stankowski hat natürlich Kirchen und Museen besucht, in Burgen und Schlössern geschlafen und auch die kulinarischen Angebote getestet. „Reisen am Rhein ist schön“, lautet das wenig überraschende Fazit des bekennenden Genießers. Auch ein kleiner aber feiner Serviceteil fehlt nicht. Doch Stankowski wäre nicht Stankowski, würde er nicht mit bislang unbekannten Details zur Geschichte, Politik und Kultur der kleinen und großen Orte entlang des Flusses aufwarten. Und genau dieser kritische Blick hinter die Kulissen, das Wandern abseits der klassischen Touristenpfade machen den besonderen Charme und Reiz des reich bebilderten „anderen“ Reiseführers aus.

Wie sonst käme ausgerechnet das Jahrzehnte lang umstrittene AKW Mülheim-Kärlich als Ausflugtipp in einen Reiseführer?! Stankowski macht's möglich: „Es lohnt einen Ausflug ganz nah ran, am besten mit jungen Menschen, um ihnen den Irrsinn und die Absurdität des Atomkraftwerks vor Augen zu führen“, begründet der engagierte Linke seine Empfehlung. Und erzählt in wenigen Sätzen die unglaubliche Geschichte dieser „Fortschrittsruine“ im Rheinland.

In Koblenz, das viele Reisende nur vom Blick aus dem Zug- oder Autofenster kennen, hat Stankowski gleich zweimal Station gemacht – und war begeistert. Auf einem alten Klapprad entdeckte er statt einer verschlafenen Beamtenstadt eine sehr lebendige Kultur- und Jazzszene. „Die Caféhaus-Szene ist der Kölner weit überlegen“, lobt er ohne Abstriche. Auch habe die im Krieg völlig zerstörte Garnisonsstadt eine überraschend „vitale Urbanität“, die „ganz sicher nicht in Köln anzutreffen ist“.

Seine Begeisterung über die Wehrtechnische Studiensammlung der Bundeswehr in der Koblenzer Langemarck-Kaserne hält sich hingegen in Grenzen. Auf 7.000 Quadratmetern sind dort Uniformen, Panzer, Schiffe und anderes Kriegsmaterial ausgestellt. „Eigentlich müssten mehr junge Männer den Kriegsdienst wegen klaustrophobischer anstatt pazifistischer Erwägungen verweigern“, lautet angesichts der „engen Innereien“ der Kettenfahrzeuge Stankowskis ironischer Kommentar. THOMAS SPOLERT

Martin Stankowski: Links + Rechts – Der andere Rheinreiseführer, Vom Kölner Dom bis zur Loreley, Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2005, 19,90 Euro