Teillegalisierung von Cannabis: Bubatzgesetz braucht noch etwas

Der Bundestag debattiert emotional über den Gesetzentwurf zur Teillegalisierung von Marihuana. Es gibt noch jede Menge Änderungsbedarf.

Eine Frau raucht, sie trägt einen roten Hut, der mit einem Muster aus Hanfbättern verziert ist

Teilnehmerin bei der Hanfparade in Berlin, August 2023 Foto: Annette Riedl/dpa

BERLIN taz | In der ersten Lesung des Gesetzentwurfs zur Teillegalisierung von Cannabis im Bundestag wird klar: Da sind noch Änderungen fällig. Am Mittwochabend diskutierten Ver­tre­te­r*in­nen aller Fraktionen in einer hochemotionalen Debatte. Zumindest bei Grünen, SPD und FDP war man sich einig: Dieser Gesetzentwurf läute einen Paradigmenwechsel in der bislang gescheiterten Cannabispolitik ein, im Detail sei er aber noch verbesserungswürdig. Die Opposition fragte dagegen: Hat der Bundesgesundheitsminister nicht Wichtigeres zu tun?

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass in einem ersten Schritt Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz herausgenommen, der Konsum entkriminalisiert sowie der unkommerzielle Anbau von Cannabis zu Genusszwecken unter Auflagen erlaubt wird.

Konkret heißt das, dass erwachsene Konsumierende – fast 4,5 Millionen gibt es laut Bundesgesundheitsministerium in Deutschland – nicht mehr auf dem Schwarzmarkt Cannabis kaufen müssten, sondern zum Beispiel in sogenannten Social Clubs. Das sind Anbauvereinigungen, in denen die Mitglieder unter strengen Auflagen Cannabis gemeinschaftlich und nichtgewerblich anbauen und kontrolliert weitergeben dürfen.

Die Social Clubs müssen strenge Auflagen wie etwa Mindestabstände zu Kinder- und Jugendeinrichtungen von 250 Metern einhalten. An jedes Mitglied ab 21 Jahren dürften bis zu 25 Gramm Cannabis pro Tag und höchstens 50 Gramm pro Monat zum Eigenkonsum weitergegeben werden. Bei Menschen zwischen 18 und 20 sind maximal 25 Gramm pro Tag und 30 Gramm pro Monat vorgesehen, außerdem soll es eine Obergrenze für den THC-Gehalt geben.

Gescheiterte Drogenpolitik

Der Cannabiskonsum soll nicht in den Social Clubs und ansonsten nur in einem Abstand von 200 Metern zu Schulen, Kitas etc. erlaubt sein. Bis zu drei Cannabispflanzen dürften Erwachsene auch zu Hause hegen. Maximal 25 Gramm Cannabis dürfte ein Erwachsener laut Gesetzentwurf besitzen, das reicht je nach Vorlieben für rund 100 Joints.

In einem zweiten Schritt soll in Modellregionen auch der gewerbliche Anbau und Vertrieb von Cannabis ermöglicht werden. Dabei sollen auch die Auswirkungen dieser Modellversuche auf den Konsum in der Bevölkerung und den Schwarzmarkt wissenschaftlich untersucht werden. So soll auch Ge­le­gen­heits­konsu­men­t*in­nen ein legaler Erwerb ermöglicht werden.

Die Teillegalisierung soll von einer großen Aufklärungs- und Präventionskampagne begleitet werden, die sich vornehmlich an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene richtet. Bei ihnen gilt regelmäßiger Cannabiskonsum aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Hirnreifung als besonders gefährlich.

„Was ist die ehrliche Bilanz unserer Cannabispolitik?“, fragte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu Beginn der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag. Lauterbach verwies auf den seit Jahren steigenden Konsum bei jungen Menschen und darauf, dass dieser Konsum aufgrund immer höheren THC-Gehalts, toxischer Verunreinigungen und suchtsteigernder Beimengungen immer gefährlicher werde.

Union spricht von „Lifestylepolitik“

Ziel des Cannabisgesetzes sei einerseits ein verbesserter Kinder- und Jugendschutz, so Lauterbach. Zum anderen solle Erwachsenen ein informierter und kontrollierter Konsum ermöglicht werden – um damit die Gesundheitsgefahren und die Belastungen für Polizei und Justiz zu reduzieren, die der Schwarzmarkt mit sich bringt.

Ob es denn nicht drängendere Probleme in der Gesundheitspolitik gebe, fragten Ver­tre­te­r*in­nen der CDU/CSU wie die Gesundheitspolitikerin Simone Borchardt, die auf Krankenhaus- und Apothekensterben, Pflegekollaps und noch immer drohende Medikamentenknappheit verwies. „Besinnen Sie sich auf die Gesundheit der Menschen, statt Lifestylepolitik zu betreiben“, forderte Borchardt den Bundesgesundheitsminister auf. Sie kritisierte, dass Lauterbach selbst betone, wie gefährlich der Konsum für Menschen bis 25 sei und dennoch den Konsum ab 18 erlaube.

Borchardt und ihre Fraktionskollegin Melanie Bernstein stellten zudem infrage, wie das Ziel des Kinder- und Jugendschutzes erreicht werden solle, wenn doch gerade erst bei der Suchtprävention und dem Budget der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung massiv gespart wurde. Eine Legalisierung sei mit dem Kinder- und Jugendschutz „gar nicht“ vereinbar, so CDU-Politikerin Bernstein.

Auch Ates Gürpinar, Gesundheitspolitiker bei der Linken, kritisierte die Kürzungen bei der Suchtprävention. Ansonsten sah er es aber als Erfolg, dass nach jahrzehntelanger Kritik aus der Wissenschaft endlich ein Gesetzentwurf vorliege, auch wenn dieser „näher am Verbot als an der Legalisierung“ geraten sei. Auch Gürpinar forderte eine Überarbeitung des Gesetzentwurfs, etwa in Bezug auf die strengen Regelungen für die Social Clubs.

Änderungen wahrscheinlich

Angesichts der Kritik, die am Entwurf aus den eigenen Reihen kam, ist das nicht abwegig. So betonte die grüne Bundestagsabgeordnete Kirsten Kappert-Gonther, selbst Fachärztin für Psychiatrie, die Regeln für die Social Clubs dürften nicht zu streng sein und nicht als „Verbot durch die Hintertür“ wirken. Details müssten bis zur finalen Lesung des Gesetzentwurfs noch verbessert werden.

Das sieht offenbar auch Kristine Lütke, sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, so. Bis zur Verabschiedung müsse das Gesetz weniger kleinteilig und bürokratisch werden sowie die Auswirkungen der Regelungen auf Medizinalcannabis stärker in den Blick nehmen. Vor allem die Abstandsgebote bei den Social Clubs und für den Konsum müssten klarer formuliert und hinsichtlich ihrer Praxistauglichkeit geprüft werden. Dass der Konsum in den Social Clubs laut Gesetzentwurf nicht erlaubt sei, gehöre ebenfalls auf den Prüfstand.

Die im Gesetzentwurf enthaltene Festlegung von Obergrenzen des THC-Gehalts lehne die FDP komplett ab, so Lütke. Damit würden gerade die vulnerablen Gruppen auf der Suche nach Substanzen mit höherem Wirkstoffgehalt auf den Schwarzmarkt getrieben.

„Wir müssen noch eine Menge Dinge verbessern“, bestätigte auch SPD-Abgeordneter Dirk Heidenblut. Die Rechts- und Innenpolitikerin der SPD Carmen Wegge sprach von einer „Revolution in der Drogenpolitik“ und betonte die Entlastung von Justiz und Sicherheitsbehörden als ein zentrales Argument für die Teillegalisierung.

Wie viel Geld wird wirklich eingespart?

Gerade dies wurde aber im Vorfeld infrage gestellt. In einem Referentenentwurf des Cannabisgesetzes war von Einsparungen von rund einer Milliarde Euro bei Strafverfolgungsbehörden, Gerichten und Justizvollzug durch den Wegfall der Strafverfolgung die Rede. Nach heftiger Kritik von Seiten des Deutschen Rich­te­rbunds wurden diese Zahlen im aktuellen Gesetzentwurf nach unten korrigiert. Der Rich­te­rbund erwartet durch die Teillegalisierung „allenfalls minimale Entlastungen“.

Auch die Bundesärztekammer sprach sich im Vorfeld vehement gegen die Legalisierungspläne der Bundesregierung aus und sieht darin eine „relevante Gefährdung der psychischen Gesundheit und der Entwicklungschancen der jungen Generation in Deutschland“.

Das von der Bundesärztekammer befürwortete Rauchverbot in Fahrzeugen bei Anwesenheit von Minderjährigen und Schwangeren, das ursprünglich ebenfalls im Gesetzentwurf enthalten war, ist auf Betreiben der FDP gestrichen worden.

Der Entwurf zum Cannabisgesetz wird nun in den Fachausschüssen weiter beraten. Mit einer Verabschiedung im Bundestag kann im November gerechnet werden. Die Länder, die den Gesetzentwurf im Vorfeld teils ebenfalls heftig kritisiert hatten und Verschärfungen forderten, werden sich anschließend im Bundesrat damit befassen, können das Vorhaben aber wohl nicht stoppen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.