Eigentümer gegen „Wunderwuzzi“

Ein wankendes Imperium und Stillstand auf Baustellen: Nun haben seine Investoren den Immobilienmogul Benko entmachtet

René Benko im Parlamentsausweichquartier in der Wiener Hofburg

René Benko hat wohl im eigenen Reich nichts mehr zu melden. Foto: Helmut Fohringer/APA/picture alliance

Von Patrick Guyton

Der junge René Benko schmiss in Innsbruck die Schule und machte keine Matura, wie das Abitur in Österreich heißt. Stattdessen war er begeistert von einem Freund, der in der Immobilienbranche tätig war. Benko begann damit, verfallende Dachböden in Luxuswohnungen umzubauen und zu verkaufen. Aus ihm wurde einer der größten Immobilienentwickler.

Der heute 46-Jährige baute sich mit seiner Firma Signa ein riesiges, weit verzweigtes Reich auf. 2018 übernahm er den dauerkrisengeplagten Kaufhauskonzern Galeria-Karstadt-Kaufhof. Sein Vermögen wird auf mehr als 5 Milliarden Euro geschätzt.

Seit diesem Freitag nun scheint das alles aus zu sein. Nachdem Signa finanziell mehr und mehr ins Schwanken geriet und auf den Baustellen nicht mehr gearbeitet wurde, haben ihn die Investoren entmachtet, also rausgeworfen. Benko gab offenbar klein bei. Der Milliardär habe signalisiert, sich als Vorsitzender aus dem Beirat der Signa Holding GmbH zurückzuziehen, sagte der österreichische Industrielle und Holding-Gesellschafter Hans Peter Haselsteiner dem Radiosender Ö1. Außerdem sei Benko grundsätzlich bereit, seine Stimmrechte einem Sanierer mit weitreichenden Befugnissen zu übertragen, sagte Haselsteiner. Und Signa liegt nun vorerst in Trümmern.

In den letzten Wochen waren Benkos Finanznöte nicht zu übersehen. Am Hamburger Elbtower, ein riesiges Vorzeigeprojekt in der Hafencity, wurde nicht mehr gebaut. 65 Stockwerke soll der Wolkenkratzer, entworfen vom britischen Architektenstar David Chipperfield, haben und 240 Meter hoch sein. Bisher sind rund 20 Stockwerke gebaut, doch die Kräne stehen still. Der nächste Fall wurde in der Stuttgarter Flaniermeile Königstraße bekannt. Dort plante Signa ein Millionenprojekt für Handel und Büros. Das alte Haus wurde abgerissen, doch von Arbeiten am neuen ist nichts zu sehen. Stattdessen wurde dem planenden Münchner Büro Steidle Architekten die Unterbrechung mitgeteilt.

„Dieses Imperium erscheint wie ein Kartenhaus“, sagt Wirtschaftsprofessor Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein im Gespräch mit der taz. „Vieles an Signa wirkt nicht seriös.“ Er vermisst „Sicherungsmechanismen“ und meint, Benko habe gegenüber den Geldgebern „potenter gewirkt, als er es war“.

In Österreich und anderswo wurde Benko entweder als vorbildlicher Selfmade-Mann gesehen, oder man hielt ihn für einen windigen Geschäftsmann, also eine Art von Hochstapler. Professor Heinemann sagt: „Die jetzige Lage überrascht mich nicht.“ Man nannte Benko auch den „Wunderwuzzi“.

Überall wird das Konstrukt der Sigma-Gruppe als undurchsichtig beschrieben. Benko konnte boomen, weil die Zinsen sehr lange niedrig waren und er billiges Geld bekam für seine Kaufprojekte. Zugleich stiegen die Werte von Immobilien stetig, das war fast ein Naturgesetz. Heute ist das alles nicht mehr so: Darlehen sind teuer, der Immobilienmarkt stagniert und die Baukosten sind wegen Materialmangels und Inflation in die Höhe geschossen.

Einerseits ist Benko ein Mann, der öffentlich fast nie auftritt. Andererseits steckt er tief im österreichischen „Freunderlsumpf“, wie man im Nachbarland sagt. Er war bestens bekannt vor allem mit Politikern aus der Regierungszeit des einstigen ÖVP-Kanzlers Sebastian Kurz.

Viele dort meinen zu wissen, wo sich etwa der frühere FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache an dem Vormittag aufhielt, als er direkt im Anschluss in die Falle des Ibiza-Videos getappt war: auf der Yacht von René Benko.

„Es gibt in Österreich eine wahnsinnige Nähe von Wirtschaft und Politik“, sagt der sozialdemokratisch Parlamentsabgeordnete Jan Krainer zur taz. Benko sei in den Ministerien „ein- und ausgegangen, als sei er der Minister selbst“. Einmal ist er in einem Korruptionsprozess zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt worden.

„Dieses Imperium erscheint wie ein Kartenhaus“

Gerrit Heinemann, Hochschule Niederrhein

Die Galeria-Kaufhäuser sind erst einmal nicht von dem Beben betroffen. Einst hatte Benko dort weit höhere Gewinnerwartungen gehabt, doch der Einzelhandel stagniert oder geht zurück. Weshalb es für Ökonom Heinemann nicht undenkbar ist, dass Galeria erneut in einer Insolvenz landen könnte.

Benko hatte Signa völlig auf sich ausgerichtet. Um ihm zu glauben, gehörten laut Heinemann „eine gehörige Portion Hoffnung und eine rosarote Brille“. Zu Stuttgart, wo Signa mitgeteilt hatte, dass es keinen Baustopp, sondern nur wegen hohen Interesses eine „Umplanung“ gebe, meint er: „Da ist man womöglich in einem Hoffnungsdelirium.“

Wie die Lage jetzt ist und was aus dem Imperium wird, ist derzeit völlig unklar. Als wichtiger Mann im Hintergrund wird der bekannte Insolvenzverwalter und Unternehmenssanierer Arndt Geiwitz aus Neu-Ulm gesehen, der noch von Benko selbst geholt worden war, um bei Signa Ordnung zu schaffen.