Umweltverschmutzung im Globalen Süden: Afrika ertrinkt in Plastik

In afrikanischen Ländern sterben Menschen bei Regen in Plastikfluten. Viele fordern ein globales Plastikverbot. Die Vereinten Nationen wollen handeln.

Zwei Kühe stehen in der ugandischen Hauptstadt Kampala auf einem Müllberg und suchen nach Futter.

In Uganda sehen die Kühe vor lauter Müll das Gras nicht mehr Foto: Omer Faruk Ozbil/Anadolu/afp

Jedes Mal, wenn die Regenzeit einsetzt, wird der Plastikmüll in den Straßengräben zur tödlichen Falle. So auch am vergangenen Dienstag, als sich mitten in der Nacht ein Unwetter über den Dächern der ugandischen Hauptstadt Kampala entlud.

„Ich hatte meine Ziege dort angebunden“, berichtet Mussa Kasuja und deutet auf einen Stock, der zwischen dem Ufer eines kleinen Flusses und dem Holzverschlag, in dem er seine Werkstatt untergebracht hat, aus dem Boden ragt. „Am nächsten Morgen war sie weg“, seufzt der Tischler: „Auch die Stühle und Tische, die ich gerade fertig gebaut hatte und die zum Trocknen hier standen, wurden weggespült.“

Kasujas Tischlerei liegt in einem sumpfigen Gebiet zwischen den Hügeln in einem Vorstadtviertel Kampalas. Direkt neben seiner Werkstatt fließt ein Strom in Richtung Victoriasee, rund 4 Kilometer südlich. In der Trockenzeit ist dies nur ein Bach, manchmal nicht mehr als ein stinkendes Rinnsal. Doch darin häufen sich Plastikflaschen und Plastiktüten.

Wenn aber die Regenzeit einsetzt und plötzlich von allen Seiten die Wassermassen die Hügel hinunter donnern und weitere Plastikabfälle aus sämtlichen Abwasserkanälen der Umgebung mit sich reißen, dann wird das Rinnsal zu einem gewaltigen Strom. Die Abfälle darin bleiben zwischen den Steinen hängen, stauen das Wasser weiter auf und überspülen letztlich die Straße, Tischler Kajusas Werkstatt und die umliegende Umgebung. Dann hat auch eine Ziege keine Chance und wird einfach weggespült.

Immer mehr Menschen sterben in den Plastikfluten

Dieses Problem gibt es in vielen Teilen Afrikas, weshalb die UN-Umweltagentur (Unep) ein globales Abkommen über Plastikverschmutzung vereinbaren möchte. Mitte November hat in der kenianischen Hauptstadt Nairobi die dritte von fünf Verhandlungsrunden stattgefunden. Ziel ist es, Vorfälle wie den vor Kasujas Tischlerei in Zukunft zu verhindern.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

In den vergangenen Jahren häuft sich in Uganda die Zahl der Toten, die in den Fluten während der Regenzeit ertrinken. Mittlerweile hat die na­tio­na­le Umweltbehörde (Nema) die Verschmutzung der Flüsse, Bäche und Abwasserkanäle innerhalb der Städte des Landes zum Risiko für die Bevölkerung erklärt.

Laut der jüngsten Studie, die 2022 von Nema in Auftrag gegeben wurde, werden täglich landesweit 600 Tonnen Plastik produziert. Doch nur 40 Prozent davon werden dann im Müll entsorgt. 60 Prozent landen in Straßengräben.

„Diese (60 Prozent) machen den größten Teil der Verschmutzung unserer Seen und Flüsse, der Verschlechterung unserer Böden und der Unwirksamkeit der Fruchtbarkeit und Produktivität der Landwirtschaft aus“, so Nema-Direktor Barirega Akankwasah. Nema hat angekündigt, dass die Regierung ab 2024 die nationalen Getränkehersteller dazu verpflichten will, nur noch Glasflaschen zu verkaufen.

Ruanda ist Vorzeigeland

Ugandas Hauptstadt Kampala mit gerade einmal 2 Millionen Einwohnern ist nicht allein, fast alle afrikanischen Städte sind vom Plastikmüll betroffen. Nur die wenigsten verfügen über Müllentsorgungssysteme wie zum Beispiel eine Müllabfuhr. Von Mülltrennung und Recycling kann vielerorts nicht die Rede sein. Meistens landet der ganze Müll – vom Elektroschrott bis zur Bananenschale – auf einem gigantischen Berg außerhalb der Hauptstadt oder einfach nur in den Straßengräben.

Zusätzlich führen bestimmte Faktoren wie Armut und Mangel an sauberem Trinkwasser aus Brunnen und Wasserleitungen dazu, dass viel Plastik im Umlauf ist. Denn jeder Liter Wasser, den die Menschen täglich trinken, wird in einer Plastikflasche serviert.

Einige afrikanische Länder haben deswegen bereits eine drastische Abkehr vom Einwegplastik vollzogen. Ugandas Nachbarland Ruanda ist seit 2008 weltweit eines der Vorzeigeländer für die Null-Toleranz-Politik gegenüber Einwegplastik. Damals wurden der Import, die Herstellung und Nutzung von Plastiktüten, beispielsweise in Supermärkten, verboten. Seitdem kontrollieren an allen Grenzen und Flughäfen Zollbeamte Koffer und Taschen, um Plastiktüten zu konfiszieren. 2019 folgte ein Gesetz, das weiteres Einwegplastik verbot: Strohhalme, Plastikbesteck, Plastikteller.

Andere Länder in Afrika ziehen nach

Gleichzeitig startete Ruandas Umweltbehörde Rema ein Projekt, um Recyclingmethoden für Plastik zu entwerfen. Dies wurde über die Privatwirtschaft finanziert. Jede Firma, die eine Ausnahmeregelung erhalten hatte, um weiter Einwegplastik verwenden zu dürfen, beispielsweise Hersteller von medizinischen Produkten wie Einwegspritzen und deren sterile Verpackung, musste einen gewissen Prozentsatz ihres Gewinns in einen Fonds abführen, aus welchem heraus die Recyclingprojekte finanziert wurden.

Ruanda war zudem eines der ersten Länder weltweit, die 2021 im Rahmen der Unep den Vorschlag in den Raum gestellt hatten, ein weltweit bindendes Abkommen für Plastikreduzierung und -vermeidung anzustrengen.

Ruandas Erfolg hat in Ostafrika Nachbarländer ermutigt, gleichzuziehen. In Kenia wurde 2017 eines der striktesten Gesetze weltweit gegen Einwegplastik eingeführt. Auf Missachtung des Gesetzes stehen seitdem vier Jahre Gefängnis sowie eine Geldstrafe von umgerechnet 25.000 Euro. In Tansania wurde 2019 ein ähnliches Gesetz verabschiedet.

Globales Plastikverbot

Diese nationalen Verbote stoßen aber jetzt an ihre Grenzen. Mittlerweile haben sich in Ostafrika mafiaartige Strukturen etabliert, die Plastiktüten quer durch die Region schmuggeln. Kenias Präsident William Ruto ist deswegen ein eifriger Verfechter eines globalen Abkommens, das langfristig Einwegplastik weltweit verbietet. Über 60 Staaten, viele aus dem Globalen Süden, sprechen sich für eine starke Reduktion der Plastikproduktion aus.

In Uganda forderten Parlamentarier vor Beginn der Unep-Konferenz erneut ein striktes Verbot von Einwegplastik. Zwar wurde bereits 2007 der Gebrauch von einfachen Plastiktüten verboten, an der Umsetzung hapert es allerdings. In Uganda hat die Plastikindustrie eine große Lobby und die Umweltbehörde Nema keine ausreichenden Befugnisse, das Plastikverbot durchzusetzen.

Ugandas Minister und Parlamentarier sind sich einig: Die Welt braucht ein globales Plastikverbot. Bis Sonntag haben sie noch Zeit, in Nairobi für ihr Ziel einzutreten. Nach zwei weiteren Verhandlungsrunden soll das Abkommen dann nächstes Jahr verabschiedet werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.