Einfach nicht mehr ausrechenbar

Bei den Frauen ist der Clásico seit jeher einseitig – Barça gewinnt gegen Real diesmal mit 5:0

Aus Barcelona Florian Haupt

Routiniert scheinen die Spielerinnen beim Einlaufen die vollen Tribünen wahrzunehmen. Ist inzwischen normal, wenn die Frauen des FC Barcelona ein größeres Match bestreiten. An diesem Sonntag kommt Real Madrid. Und es kommen 38.707 zahlende Zuschauer in Barças aktuelle Ausweichheimat auf dem Olympiaberg Montjuïc. Mehr als beim letzten Männerligaspiel gegen Deportivo Alavés.

Eine Sensation ist das nicht, denn es gibt exzellenten Sport zu sehen. Mal wieder scheinen die Champions-League-Siegerinnen ein anderes Spiel zu betreiben als ihre Gegnerinnen, Spaniens zweitbestes Team. Die Madrileninnen gestalten die Partie eine Viertelstunde offen – bis Barças Rechtsaußen Caroline Graham Hansen ins Dribbling geht und Weltfußballerin Aitana Bonmatí die Vorlage nach einem kurzen Ballstreichler mit einem Schlenzer ins lange Eck verwandelt. Danach rivalisiert Barcelona nur noch mit sich selbst: um noch bessere Kombinationen, um noch kunstvollere Tore. Besonders wertvoll ist das 4:0, das Aitana mit ihrer typisch eleganten Ballführung und einem ebenso typischen Rhythmuswechsel auflegt und die eingewechselte Claudia Pina mit dem Absatz erzielt. Am Ende heißt es 5:0 – der zwölfte Sieg im zwölften Frauen-Clásico bei einem Torverhältnis von 42:6.

Später wird Angreiferin Mariona Caldentey, Schützin des 3:0, gefragt, ob die Liga damit bei sechs Punkten Vorsprung schon entschieden ist. Im November. Mariona lacht: „Wenn ich jetzt die Liga für gelaufen erkläre, sorgt der Míster dafür, dass es für mich gelaufen ist.“ Aber wo selbst der Míster, Trainer Jonathan Giráldez, angesichts der Überlegenheit einräumen muss, dass „das Resultat etwas knapp ausfiel“, weiß natürlich jeder, dass die Liga entschieden ist. Im Prinzip geht es eher darum, ob Barça wieder die ersten 27 Matches am Stück gewinnt wie 2022/23 oder gleich alle.

Die eigentliche Herausforderung heißt Champions League. Dort leisten außer Olympique Lyon auch die deutschen Teams Widerstand. Vorige Saison gewann der FC Bayern ein Gruppenmatch, der VfL Wolfsburg führte im Finale zur Halbzeit 2:0. Morgen wird Eintracht Frankfurt versuchen, das katalanische Dream-Team zu stoppen.

Barças Frauen sind deutlich stärker als die spanischen Weltmeisterinnen. Dort stellen sie unter anderem das Mittelfeldgenie Aitana, ihre Weltfußballer-Vorgängerin Alexia Putellas, die Abwehrchefin Irene Paredes (beide fehlten gegen Real verletzt), die schnelle Angreiferin Salma Paralluello, Dritte bei der Goldenen-Ball-Wahl, und Mariona. Sie haben darüber hinaus die spielstarke Verteidigerin Mapi León und Strategin Patri Guijarro, die das Nationalteam boykottieren. Sie haben zwei Schlüsselspielerinnen der englischen WM-Finalisten, Lucy Bronze und Keira Walsh, die Schwedin Fridolina Rolfö (derzeit auch verletzt) und die brillante, aus unerfindlichen Gründen bei den Fußball-Oscars immer übergangene Graham Hansen. Vor allem haben sie ihre Spielidee zu einer perfekten Maschine verzahnt, die gekonnt den hauseigenen Passfußball zelebriert und nie ausrechenbar wird.

„Egal wie viele Ausfälle: Das Team soll immer wiedererkennbar sein“, sagt Trainer Giráldez nach dem Match: „Die Spielerinnen müssen verinnerlichen, dass wir den Gegner die ganze Partie unterwerfen wollen.“ Dann widmet er die Gala unter tiefblauem Himmel „allen, die heute gekommen sind“, und erzählt, dass der Montjuïc einer seiner Lieblingsorte war, als er mit 19 aus Galizien nach Barcelona zog. Giráldez schlug damals mit Geld für einen Monat auf und sich mit Gelegenheitsjobs durch. Heute ist er 31 und trainiert das aufregendste Frauenteam des Planeten.