„Dschihad-Museum“ der Hisbollah: Gegen „IS“ und Israel zugleich

Im libanesischen Baalbek hat die Hisbollah ein Propaganda-Museum eröffnet. Darin legt sie den Fokus auf ihren Kampf gegen Israel – aber nicht nur.

Menschen in einer Ausstellung

Reger Andrang: Die Besucher erwartet eine Waffenschau und Kriegspropaganda Foto: Leon Holly

BAALBEK taz | In Baalbek im Ostlibanon huldigten die alten Römer einst ihrem Götterkönig Jupiter und dem Weingott Bacchus. Vor fast zweitausend Jahren errichteten sie einen Tempelkomplex, von dem heute noch Ruinen erhalten sind. Trotz der schweren politischen und wirtschaftlichen Krise im Libanon ist die Stadt, die knapp zwei Autostunden nordöstlich der Hauptstadt Beirut liegt, deshalb immer noch ein beliebtes Ziel für Reisende.

Fast zweitausend Jahre nach den Römern herrscht heute die schiitische Hisbollah-Miliz in Baalbek. Die Hauptverkehrsstraße säumen Plakate mit dem Konterfei ihres Anführers Hassan Nasrallah. Verlässt man das Stadtzentrum und fährt einen Hügel am Stadtrand hinauf, gelangt man zu einer Attraktion der etwas anderen Art, die die „Partei Gottes“ kürzlich für Bewohner und Besucher eröffnet hat: Seit Anfang August kann man dort, einige hundert Meter über der Stadt, ein sogenanntes Dschihad-Museum besichtigen – eine absurde Mischung aus Geschichtspropaganda und Waffenschau.

Ein Wachposten mit Maschinengewehr patrouilliert vor dem Museumsgebäude, das in ein dekoratives Tarnnetz gehüllt ist. Bereits vor dem Haus stehend kann man hinter der Treppe den Beginn der Ausstellung erspähen: Ein Bild zeigt das strenge Antlitz von Ajatollah Chomeini, dem iranischen Revolutionsführer. Nach seiner „Islamischen Revolution“ 1979 gründeten die Schiiten im Libanon angeleitet von den iranischen Revolutionsgarden die Hisbollah. Der konkrete Anlass für die Gründung war der Einmarsch der israelischen Armee in den Libanon 1982. Seitdem kämpft die Miliz gegen den verhassten jüdischen Staat und seinen Verbündeten, die USA.

Gerade wird eine Besuchergruppe durch das Museum geführt. Sie schreiten einen Zeitstrahl ab, der die Daten des „Widerstandskampfs“ gegen Israel markiert, ansprechend aufbereitet und versehen mit Bildern und arabischen Erklärtexten. Auf einem Bildschirm flimmert ein Video aus den 1980er Jahren, das Hisbollah-Kämpfer in Gefechten mit der israelischen Armee zeigt. In einem anderen inszenierten Propagandaclip sieht man hochgerüstete Spezialeinheiten, die durch einen Grenzzaun nach Israel eindringen und dort eine Militärbasis erobern. Es herrscht reger Andrang an diesem Montag wenige Tage vor dem Überfall der palästinensischen Hamas auf Israel am 7. Oktober.

Steinberg: „Das sektiererische Element ist stark“
Eine Karte zeigt, das Baalbek im Osten, Beiruth im Westen und Mlita im Süden des Libanon liegen

Baalbek liegt in der Bekaa-Ebene, unweit der Grenze zu Syrien. Die Hisbollah hat hier eine ihrer Hochburgen. Ihre demografische Basis liegt indes vor allem im Süden des Landes, wo sie bereits 2010 in der Stadt Mlita einen riesigen Komplex samt Propagandaausstellung einweihte, um das zehnjährige Jubiläum des Rückzugs der israelischen Armee aus dem Libanon zu feiern.

Wie sich die Ausstellung in Baalbek vom Museum in Mlita unterscheidet, merkt man erst am Ende des Rundgangs. Hat sich die Hisbollah bislang mit ihrer Feindschaft gegen Israel legitimiert, legt sie hier einen weiteren Fokus: auf ihre Teilnahme am Syrienkrieg. Die Hisbollah griff ab 2012 in den Krieg ein, um das Regime von Baschar al-Assad mit Truppen zu unterstützen. Der Diktator hatte im Vorjahr auf Demonstranten schießen lassen und damit einen Bürgerkrieg provoziert. Etwa eine halbe Million Menschen verloren in der Folge ihr Leben.

Nach Einschätzung des Nahostforschers Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin ist die Intervention der Hisbollah in Syrien für die Miliz selbst von großer Bedeutung. Hatte sie davor zuletzt im Jahr 2000 im größeren Stil gegen die israelische Armee im Südlibanon gekämpft, konnte sie ab 2012 in Syrien wieder wichtige Kampf­erfahrung sammeln. „Sie hat dort gelernt, mit Drohnen umzugehen, und hat mit anderen Einheiten im Verband operiert“, sagt Steinberg. So kämpfte die Hisbollah aufseiten der regimetreuen Truppen, anderer schiitischer Milizen und später auch der russischen Luftwaffe gegen die Aufständischen.

Auf dem Zeitstrahl im Museum hebt die Hisbollah auch wichtige Kämpfe hervor – etwa die Schlacht um die westsyrische Stadt al-Kusair, an deren Rückeroberung aus Oppositionshand sie im Frühjahr 2013 großen Anteil hatte. Steinberg zufolge war die Bodenunterstützung der Hisbollah und anderer schiitischer Milizen für Assad entscheidend. Es sei unklar, ob es dem Regime sonst gelungen wäre, große Teile des Landes zurückzuerobern.

Militärfahrzeuge stehen unter einem Pavillion, im Hintergrund weht die Flagge Libanons

Im Freien warten ausrangierte Militärfahrzeuge der Hisbollah auf die Besucher Foto: Leon Holly

Gerade am Anfang des Syrienkriegs war der Widerstand gegen Assad noch durchmischt: neben eher säkularen Gruppen tummelten sich auch Islamisten unterschiedlicher Couleur. Unabhängig vom Grad der Religiosität hatte der Aufstand gegen Assad seine Basis im sunnitischen Teil der Bevölkerung – ein wichtiger Faktor für die schiitische Hisbollah. „Das sektiererische Element ist ungeheuer stark“, sagt Steinberg. „Die Hisbollah hat immer damit argumentiert, dass sie in Syrien die heiligen Stätten verteidigt.“ Ein sakraler Ort, den die Partei vor Angriffen schützen wollte, ist etwa der Schrein Zainab bint Alis in den südlichen Vororten von Damaskus, wo laut schiitischer Tradition eine Enkelin des islamischen Propheten Mohammed begraben liegt.

Die Hisbollah brüstet sich deshalb auch mit ihrem vermeintlichen Sieg über die sunnitischen Dschihadisten des sogenannten „Islamischen Staats“ (IS). Sie spricht auch von einer „zweiten Befreiung“. Die erste war nach der Lesart der israelische Rückzug aus dem Libanon im Jahr 2000. Ein Plakat außerhalb des Museumsgebäudes zeigt einen Hisbollah-Kämpfer, der mit faschistischem Gruß vor der Hisbollah-Flagge salutiert – vor ihm auf dem Boden liegt eine schwarze IS-Flagge.

In Wahrheit aber kämpfte die Hisbollah in Syrien zunächst vor allem in Westsyrien, nahe der libanesischen Grenze, wo der „IS“ weniger präsent war. Erst im späteren Verlauf des Krieges kam es weiter östlich zu Kämpfen mit Dschihadisten des IS. Die Hauptarbeit im Kampf gegen die Terrormiliz verrichteten kurdische Kämpfer, die Unterstützung der US-Luftwaffe bekamen.

Geld und Waffen erhält die Hisbollah vor allem aus Iran. Für die Ajatollahs in Teheran war eine Intervention aufseiten des Assad-Regimes von strategischer Bedeutung, konnten sie doch so über den Irak eine Landbrücke bis in den Libanon schlagen. Die Hisbollah deshalb nur als williges Instrument iranischer Außenpolitik zu sehen, sei jedoch verkürzt, meint der Nahostforscher Steinberg. So sei etwa nicht klar, ob die iranischen Revolutionsgarden der Hisbollah die Anweisung gaben, in Syrien zu intervenieren, oder ob es eine gemeinsame Entscheidung war. „Auf jeden Fall hat die Hisbollah durch den Krieg in dem Verhältnis mit den Revolutionsgarden an Bedeutung gewonnen.“

Eine Seilbahn ist geplant

Um das Museum in Baalbek werkeln noch immer Bauarbeiter. Von dem Gebäude führt ein Weg einen steinigen Hügel hinauf. An der Seite stehen oliv-graue Artilleriegeschütze, weiter oben folgen erbeutete israelische Panzer.

Um Israel auch aus Syrien unter Druck zu setzen und potentiell eine weitere Front eröffnen zu können, hat die Hisbollah in den vergangenen Jahren immer wieder versucht, Stellungen am syrischen Teil der großteils von Israel besetzten Golanhöhen aufzubauen. Das israelische Militär antwortete mit Luftschlägen gegen Basen der Hisbollah.

Erst im Oktober bombardierte Israel zudem die Flughäfen in Damaskus und Aleppo, wohl um iranische Waffenlieferungen in den Libanon zu stoppen. Nach der Hamas-Attacke vom 7. Oktober auf Israel ist auch die Gefahr eines Krieges zwischen der Hisbollah und Israel so groß wie seit Jahren nicht mehr. Viel hängt davon ab, ob die Hisbollah sich weiter zurückhält oder in den kommenden Wochen doch noch voll in den Krieg einsteigt.

Der Weg durch den Museumskomplex endet an einem Plateau. Am Geländer wehen gelbe Hisbollah-Fahnen. Die versprenkelten libanesischen Nationalflaggen wirken fehl am Platz, denn der libanesische Staat hat in den von der Hisbollah beherrschten Gebieten nicht viel zu melden.

Auf dem Plateau hat die Miliz ihr militärisches Equipment aufgefahren: Militärfahrzeuge und Raketen reihen sich an Boote und Panzer. Es soll ein Zeichen der Stärke sein. Und tatsächlich sagen Analysten, dass das iranische Regime die Hisbollah in den vergangenen Jahren stark hochgerüstet hat. Weit über hunderttausend Raketen dürfte die Hisbollah mittlerweile haben – Waffen, mit denen sie Israel am liebsten von der Landkarte tilgen würde.

Von dem Plateau aus schweift der Blick über die Felder der Bekaa-Ebene. Direkt unten am Hügel beginnt Baalbek, in dessen Zentrum gut sichtbar die sechs beigen Säulen des Jupitertempels emporragen. Unten an den Touristenständen vor dem Tempel verkaufen Händler neben den üblichen Souvenirs auch Hisbollah-T-Shirts. Um noch mehr Besucher anzulocken, hat die Partei weitere Pläne: Künftig soll es Besuchern möglich sein, vor der Tempelanlage eine Seilbahn zu besteigen, die sie von den römischen Ruinen direkt hoch zum Dschihad-Museum bringt.

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