Muslimisch-jüdische Unterrichtsbesuche: „Immer geht es auch um den Respekt“

Wie umgehen mit dem Nahost-Konflikt im Unterricht? Ein Rabbi und ein Imam werben in Berliner Klassenzimmern für mehr Verständnis füreinander.

Imam Ender Cetin (2.v.r.) und Rabbiner Igor Itkin (r) besuchen zusammen dem Schulleiter André Koglin (3.v.r.) als „meet2respect“-Team die Otto-Hahn-Sekundarschule in Neukölln und sprechen dort mit Schülerinnen und Schülern einer 9. Klasse.

Imam Ender Cetin (2.v.r.) und Rabbiner Igor Itkin (r) im Gespräch mit Schü­le­r*in­nen in Neukölln Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

taz: Herr Dray, seit 2013 besuchen Sie als Rabbi im Rahmen des Projekts meet2respect zusammen mit einem Imam Schulklassen in Berlin, um über die verschiedenen Religionen und ihr Miteinander aufzuklären. Wie kann man sich so einen Besuch vorstellen?

Elias Dray: Zuerst fragen wir die Schüler, ob sie wissen, wer von uns zu welcher Religion gehört. Später spielen wir in den jüngeren Klassen ein Spiel: Jeder bekommt eine Karte mit religiösen Gegenständen drauf, dann soll eingeordnet werden, ob das Symbol zum Judentum, zum Islam oder zu beiden Religionen gehört. Bei älteren Schülern werden häufig gesellschaftliche Fragen diskutiert, zu denen sie Stellung nehmen sollen. Unsere Unterrichtsbesuche drehen sich natürlich um die Religionen und um ein Verständnis von ihren Werten. Aber immer geht es auch um den Respekt gegenüber verschiedenen Religionen, gegenüber Andersgläubigen und Andersdenkenden. Und darum, Themen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, wie es eben ständig im Leben wichtig ist.

Wie groß ist die Bereitschaft unter den Schü­le­r*in­nen, sich solchen Unterrichtsbesuchen zu öffnen?

Teilweise kommt es vor, dass Schulen im Vorhinein nicht ankündigen, wer genau zu Besuch kommt – weil man befürchtet, manche Schüler würden dann nicht im Unterricht erscheinen. Aber am Ende freuen sich viele der Schüler, wenn auch der Islam mal Thema im Klassenzimmer ist.

Wie gehen Sie dabei mit dem aktuellen Krieg zwischen Israel und der Hamas um?

Natürlich ist jetzt eine sehr angespannte Situation, das muss man irgendwo auffangen. Die Schüler sollen lernen, dass der Angriff der Hamas auf Israel etwas absolut Unmenschliches, etwas ganz Schlimmes ist. Und dass es nicht einfach akzeptiert werden darf, sondern wir es verurteilen müssen.

Wie wird auf etwaige Vorurteile reagiert?

Sagt ein Schüler zum Beispiel, er fände Juden unsympathisch, führt man ein Gespräch darüber. Der Imam erklärt dann etwa, dass er sehr viele jüdische Freunde hätte und der Islam ja selber vom Judentum abstammen würde, dass man respektvoll miteinander umgehen müsse und nie irgendwas verallgemeinern könne.

geboren 1977, ist Leiter der Jüdischen Gemeinde Amberg. Gleichzeitig besucht er zusammen mit einem Imam Schulklassen in Berlin, seit 2022 auch in Brandenburg und seit 2023 in Bayern.

Haben Sie das Gefühl, dass die Besuche etwas bei den Kindern und Jugendlichen bewirken?

Wir merken schon, dass es den Schülern gut tut, von anderen Perspektiven zu erfahren und selber angehört zu werden. Viele haben sonst keinen Raum dafür, über solche Themen zu sprechen. Aber auch für die Lehrer ist der Umgang mit dem Krieg im Nahen Osten natürlich sehr schwierig. Von einem Imam oder Rabbi eine Rückmeldung zu bekommen, wie man so ein Thema einordnen muss oder einordnen kann, hilft ihnen ebenfalls.

Dann gibt es von den Schulen gerade eine hohe Nachfrage nach Ihren Besuchen?

Alle zehn Minuten, würde ich sagen, schreibt uns eine Schule an. Auch vorher waren wir ständig ausgebucht und konnten den Bedarf nicht decken, aber jetzt ist es noch schwieriger. Wir haben oft nur noch die Möglichkeit, auf andere Träger zu verweisen, aber auch die sind alle überlastet.

In Berlin wird Ihr Projekt von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie finanziert, in Brandenburg vom Ministerium für Bildung, Jugend und Sport. Ist geplant, angesichts der hohen Nachfrage das Budget auszuweiten?

Nein. Eigentlich wäre dringend nötig, dass unsere Gelder im neuen Berliner Haushalt erhöht werden. Wir haben mal selber nachgerechnet: Sieben Prozent der Schüler erreichen wir zur Zeit, das müssen viel mehr werden. Leute, die wir dafür einsetzen können, haben wir, aber im Moment gibt es keine Finanzzusagen seitens der Politik – das ist erschreckend. Dazu würden wir meet2respect gerne auch in anderen Bundesländern fortsetzen. Bisher war es aber nicht leicht, in den Ländern selber politische Unterstützung zu finden.

meet2respect

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