Melonis Asylverfahrenslager in Albanien: Zwischenlager nicht vorgesehen

Meloni und ihr albanischer Amtskollege Rama einigen sich auf eine Zwischenstation für aus dem Mittelmeer Gerettete. Mit EU-Recht ist das unvereinbar.

Portrait Giorgia Meloni

Italiens Premierministerin Giorgia Meloni Anfang November in Rom Foto: Roberto Monaldo/LaPresse/ap

Es ist ein Präzedenzfall: Über 20 Jahre ist es her, dass der damalige deutsche SPD-Innenminister Otto Schily Asylverfahrenslager in Nordafrika ins Spiel brachte. Alle Diplomaten, die seither ein EU-Nachbarland dafür gewinnen wollten, bissen auf Granit. Dass Giorgia Meloni nun Albanien zu einer Zusage zu bewegen vermochte, ist ein politischer Coup, mit dem die rechtsextreme Ministerpräsidentin angesichts der rekordverdächtig hohen Ankunftszahlen in Italien zweifellos punkten wird.

Für Schutzsuchende bedeutet er eine weitere Entrechtung. Der Deal ist umso erstaunlicher, da Albanien als Standort für Asylverfahrenslager schon länger im Gespräch war. Bereits 2018 hatte die EU angefragt, ob nicht auf dem Mittelmeer Gerettete in dem Westbalkanstaat für die Dauer des Asylverfahrens geparkt werden könnten.

Das Land wies das Ansinnen damals empört zurück: Es sei, wie „verzweifelte Menschen irgendwo abzuladen, wie Giftmüll, den niemand will“, sagte Ministerpräsident Edi Rama damals. Dass er es sich anders überlegte, wird die laufende Debatte über Asylverfahren in Drittstaaten – auch hierzulande – weiter anfachen. Auf dem Balkan gibt es ja noch andere Staaten, werden sich einige denken.

Dabei haben sowohl Meloni als auch die deutschen Befürworter der Verlagerung keine Antwort auf zentrale Fragen. Denn einige der nach Albanien Verfrachteten wird Italien aufnehmen, einen Teil wird es abschieben können. Viele der Abgelehnten aber nicht – wegen unklarer Identität, Staatenlosigkeit, Herkunft aus Kriegsgebieten oder aus anderen Gründen. Wo sollen sie hin? Deshalb stimmte bisher kein Land einem solchen Modell zu. Gut möglich, dass Italien dafür bisher auch keine Idee hat und der Albanien-Deal deshalb noch platzt.

Italien ist fraglos politisch bereit, Rechte der Schutzsuchenden zu übergehen. Doch das EU-Recht legt genau fest, wo und wie Asylsuchende untergebracht werden müssen. Sie in irgendwelche anderen Länder zu bringen und dort festzuhalten, ist nicht vorgesehen. Ob Melonis Deal in Straßburg Bestand hat, ist höchst zweifelhaft.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.