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: Mit drohender Energie aufgeladen

„Rose Bernd“ (BRD 1957, Regie: Wolfgang Staudte); die DVD ist ab circa 13 Euro im Handel erhältlich.

Raf Vallone ist ein Mann, von dem nicht nur Rose Bernd die Augen nicht abwenden kann: ein Mann wie der Bagger, den er führt und neben dem ihn Regisseur Wolfgang Staudte mehr als einmal platziert. Ein Mann wie ein Schraubstock, das sind Rose Bernds Worte, wenn er sie, mehr als einmal, umarmt oder eher doch quetscht. Raf Vallone war ein Star der fünfziger Jahre, ein Italiener, der erst als Erstliga-Fußballer (Pokalsieger mit Turin im Jahr 1936), dann zunächst ohne großen Ehrgeiz als Schauspieler reüssierte, auf der Bühne in Stücken von Arthur Miller, in Filmen der Neorealisten, in Hollywood später oft aufs Kolossale spezialisiert, zuletzt noch ein Auftritt als Kardinal in Francis Ford Copploas drittem „Paten“.

Dieses Bild, dieser Schraubstock und Bagger von einem Mann steht nun, mit nacktem Oberkörper durchaus und in Farbe, im Jahr 1957 im deutschen Kino herum. Ihm gegenüber, in dieser Gerhart-Hauptmann-Verfilmung: Maria Schell, Österreich-Schweizerin, nach einem Preis als beste Schauspielerin in Cannes (für ihre Rolle in Helmut Käutners „Die letzte Brücke“) und einigen Hollywood-Filmen auf dem Sprung zum Weltstar, der sie dann doch nicht recht wurde. Nachmals wegen ihrer Rollen-Klischees als „Seelchen“ verspottet, nimmt sie hier die Figur der Kindsmörderin seelchenhaft erst, jagt sie aber in furioser Wut auf die Welt und vor allem die Männer eindrucksvoll durch ganz andere Schauspielregister, das alles mit bis an den Rand des Unverständlichen dick aufgetragenem Schlesisch.

Das kommt von Hauptmann und seinem naturalistischen Drama. Es ist in die Gegenwart und ins westliche Nachkriegsdeutschland verlegt, Rose Bernd und ihr schrecklich frommer Vater dürften Vertriebene sein, Näheres erfährt man dazu aber nicht. Der Dialekt ist Versatzstück, aber nicht realistisches Kolorit, weil nichts Kolorit ist, sondern im gerade nicht naturalistischen, fast archetypischen Raum des Melodrams angesiedelt. Alles darin scheint mit drohender Energie aufgeladen: der ragende Bagger, der wogende Weizen, die gebärende Kuh. Alle Räume immer sichtlich in Szene gesetzt: der Vierseithof, die Natur und das Dorfgasthaus, darin eine Jukebox mit dem für die damalige Zeit typischen, großspurigen US-Schlitten-nahen Design.

Das Begehren der Männer ist Rose Bernds Unglück. Der Hofbesitzer Flamm nähert sich ihrem Bett in Strümpfen, und von ihm wird sie schwanger. Der Baggermann Streckmann, der ihr besser gefällt, hat eine andere Liebste, die stirbt auf seinem Motorrad, da rückt er Rose Bernd erst recht auf die Pelle. Zögerlich, farblos August Keil, kein Bild von einem Mann, aber einer, der es gut mit ihr meint. Dazu der Vater, die Bibel stets bei der Hand, kein Wunder, dass Rose Bernd am Ende verzweifelt nur noch Auswege und Schlupflöcher sucht.

Wolfgang Staudte inszeniert meist eher statisch, schraubstockhaft fast, lässt aber in einer umso eindrucksvolleren Tanzszene einmal die Kamera los: Alles dreht sich und dreht sich, es ist schwindelerregend. Noch ein paar Jahre zuvor hatte Staudte, zum Unmut der BRD-Indus­trie, Filme für die Defa gedreht, mit der westdeutschen Verdrängung der NS-Vergangenheit hat er zwei Jahre später in „Rosen für den Staatsanwalt“ abgerechnet.

Ein weiterer scharf gesellschaftskritischer Film, „Herrenpartie“, beförderte ihn Mitte der sechziger Jahre ins Abseits, sein Scheitern mit einer eigenen Produktionsfirma sorgte dafür, dass er fast nur noch Auftragsarbeiten, meist Krimis für die Reihen „Der Kommissar“ oder „Tatort“, für das Fernsehen drehte. In diesen Reihen war dann auch Maria Schell öfter zu sehen. Die Geschichte des deutschen Nachkriegskinos ist eine des Zurückgestutztwerdens. Ekkehard Knörer