Berliner Grüne: Ein wirkliches Urgestein

Wolfgang Wieland war ein prägender Landes- und Bundespolitiker der Grünen. Nun ist er mit 75 Jahren gestorben.

Das Foto zeigt den am 5. Dezember 2023 verstorbenen Grünen-Politiker Wolfgang Wieland.

„Das war ein anerkannter Kollege“ – der verstorbene Wolfgang Wieland beeindruckte auch CDUler Foto: Christian Ditsch/version

BERLIN taz | Journalisten nennen langgediente Politiker schon mal gerne „Urgestein“. Oft genug ist das jemand, von dem tatsächlich nur am Rande schon mal zu hören war. Bei Wolfgang Wieland ist das anders. Da passte der Begriff, egal, ob in einem seiner vielen Ämter und Mandate oder ohne. Seit Dienstag muss es heißen „bei ihm war das anders“. Denn Wieland, Mitgründer der Alternativen Liste, Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Justizsenator und Bundestagsmitglied, ist mit 75 Jahren gestorben.

Um richtig einschätzen zu können, wer da jetzt nicht mehr ist, hilft der Blick des politischen Gegners. Umso mehr, wenn der von der CDU kommt und zu Zeiten agierte, als Politiker beider Parteien noch längst nicht regelmäßig Kaffee zusammen tranken oder miteinander regierten. „Das war kein Feind im eigentlichen Sinne, das war ein anerkannter Kollege“, sagte der taz am Mittwoch Klaus-Rüdiger Landowsky, als Fraktionschef der eigentliche starke Mann der CDU bis zum Bankenskandal 2001.

Die Wortgefechte der beiden gehörten zum Besten, was das Abgeordnetenhaus seit Jahrzehnten zu bieten hat und waren meilenweit vom puren Reden-Ablesen vieler Abgeordneter damals wie heute entfernt. „Marx ist tot, Lenin ist tot – und Sie sehen auch schon ganz blass aus, Herr Wieland!“, hielt ihm Landowsky etwa mal entgegen. Was Wieland oft genug rhetorisch glänzend konterte.

Wieland mochte das nicht so gedruckt lesen, aber dass er sich 2004 nach 16 Jahren aus dem Abgeordnetenhaus verabschiedete, hatte auch etwas damit zu tun, dass er solche Rededuelle und damit auch Landowsky vermisste. „Ich habe mich, als ich nicht mehr Fraktionsvorsitzender war, mehr gelangweilt, als ich es mir vorstellen konnte“, sagte er der taz, bevor er sich als Spitzenkandidat bei der Brandenburger Landtagswahl versuchte.

Innenpolitiker und NSU-Aufklärer im Bundestag

Dort scheiterte er zwar bei dem Versuch, die Grünen in Potsdam ins Parlament zu bringen. Er selbst aber wurde auf einer anderen Ebene erneut Abgeordneter und bis 2013 eine gewichtige Stimme als Innenpolitiker und NSU-Aufklärer im Bundestag. Dort begegnete er auch der späteren Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) wieder, die ihn schon aus dem Abgeordnetenhaus kannte. „Ich habe viel von ihm gelernt“, erinnerte sie sich gegenüber der taz an den Mann, der regelmäßig bei ihrer Geburtstagsfeier war. Warum? „Weil er seine Meinung, auch wenn sie von meiner abwich, so gut begründen konnte.“ Wieland sei weder missionarisch noch ideologisch aufgetreten – „Er überzeugte, weil er intellektuell so gut war.“

In seiner Partei machte man sich das zunutze, wenn die Argumente ausgetauscht, die Fronten komplett verhärtet waren und Annäherung kaum möglich schien. Wieland wurde als Moderator und Mediator gerufen und trug etwa viel dazu bei, dass sich die Grünen-Fraktion nach der Wahl-Enttäuschung von 2011 nicht spaltete.

Der Grünen-Landesvorstand beschreibt Wieland in einer Pressemitteilung kaum anders als die CDU-Politikerin Grütters: „Berlin verliert einen der Menschen, die in der Lage waren, Orientierung zu geben. Einen Staatsmann, an dem sich viele ausgerichtet haben, und nach dessen Reden am liebsten auch die anderen Fraktionen geklatscht hätten, weil er einfach überzeugt hat.“

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