Berliner Schwebebahn-Fantasien – Pro: Sinnvoller Lückenschluss

Berlin braucht eine Magnetschwebebahn. Glaubt zumindest die CDU. Der Spott ist riesig, aber bei genauerem Hinsehen ist das eine faszinierende Idee.

Das Bild zeigt die Berliner die M-Bahn vor über 30 Jahren

Immer dieses Gemecker: Schon die M-Bahn vor über 30 Jahren sah eigentlich ganz neckisch aus Foto: Bernd Settnik/dpa

Die Berliner CDU will eine Magnetschwebebahn. Was für eine Nachricht. Die wollen halt „Mit dem Kopf durch die Wand“, titelte Anfang der Woche die taz und erinnerte an die M-Bahn, die Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre über West-Berlins Mauerland surfte – und dabei auch mal durch den Endbahnhof krachte.

Oder man blickt noch weiter zurück und erinnert an die Schwebebahn, die probeweise schon 1906 in der Brunnenstraße errichtet wurde. Schließlich zeigte sich schon damals die Überlegenheit der Technik. Sie wurde gleich wieder abgerissen.

Wirklich lustig, dass die Hauptstadt-CDU diesen Quatsch nicht lassen kann. Alle paar Jahrzehnte träumt jemand vom zügigen Luftschloss im Himmel über Berlin. Und stürzt dann wieder ab. Der schnelle Witz liegt auf der Hand. Leider zu sehr.

Denn bei genauerem Hinschauen zeigt sich schnell das Faszinierende an dieser Idee. Man sollte sie erst einmal ernst nehmen, auch wenn, vielleicht sogar gerade weil sie von der CDU kommt, die ansonsten nur in Autos denken kann.

Ein neues Verkehrsmittel könnte bald das Stadtbild prägen, nahezu geräuschlos, in dichtem Takt die Menschen fortbewegen. Und es könnte damit die diskursive Lücke zwischen dem Ausbau des U-Bahn- und des Tramnetzes schließen.

Teure U-Bahn-Pläne, lahmender Tramausbau

Tatsächlich haben die beiden unübersehbare Probleme. Der U-Bahn-Bau ist unendlich teuer, zumindest wenn man ihn dem Namen entsprechend unter der Erde vorantreibt. Überirdisch ginge zwar auch. Das ist aber heutzutage schon wegen des folgenden Lärms kaum noch durchsetzbar. Hinzu kommen die Unmengen von Beton, die benötigt werden, aber mit einer extremen CO2-Produktion verbunden sind.

Deshalb predigen die ökologischer denkenden Verkehrsstrategen ja auch seit Jahrzehnten die Erweiterung des Straßenbahnnetzes. Die aber kommt nur sehr langsam voran. Schlimmer noch: Wenn es dann endlich mal neue Strecken gibt, ist die Tram, die da fahren darf, kaum schneller. Denn an den meisten Stellen der Stadt fehlt es am nötigen Raum.

Zumindest solange Autos noch überall fahren dürfen, bimmelt sich die Tram allenfalls sehr gemütlich durch die Kieze. Tempo aber zählt, gerade in einer wachsenden Stadt, in der die Wege der aus der Mitte verdrängten Bewohner täglich länger werden.

Die Magnetbahn könnte locker darüber hinwegschweben. Leiser als eine U-Bahn. Und sogar dort, wo garantiert nie eine Tram hinkäme. Graft Architects haben für den Bahn-Anbieter schon vor Jahren eine Studie erstellt, wie Haltepunkte aussehen könnten – und wo die Bahn fahren könnte. Ihr Vorschlag: vom Hauptbahnhof über Charité und Virchow-Klinikum zum künftigen Technologie-Standort auf dem einstigen Flughafen Tegel.

Berlin, die Hauptstadt im Madigmachen

Die Strecke ließe sich oberhalb des Berlin-Spandauer Schifffahrtkanals realisieren. Und der Hauptstadt so ein urbanes Wuppertalgefühl verschaffen. Das ist nicht popelig, sondern visionär – auch wenn das die mutmaßlichen CDU-Wähler auf den Neubaubalkonen entlang des Kanals nicht so sehen werden.

Aber sie müssen sich keine Sorgen machen. Visionen werden in Berlin immer erst mal kleingeredet. Deshalb gibt es nach 7 Jahren Planung keinen Meter Radschnellweg, nach 10 Jahren Diskussion kein Flussbad in Mitte, nach 30 Jahren Gerede keine Tram durch die Leipziger Straße, nach 50 Jahren Versprechen keinen U-Bahn-Anschluss im Märkischen Viertel.

Berlin ist die Hauptstadt im Madigmachen, Bedenkentragen, Naserümpfen. Deshalb wird die Magnetschwebebahn nie gebaut werden, obwohl sie der Stadt guttun könnte.

Oder ist das doch alles Quatsch? Ein Contra zum Magnetschwebebahnbau von Claudius Prößer finden Sie hier.

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Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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