Europa macht die Europäische Union ratlos

Nach der britischen Ankündigung, das Referendum zu verschieben, übt man sich in Brüssel in Schadensbegrenzung

„Das ist keine Beendigung,sondern eine Unterbrechung“

BRÜSSEL taz ■ Es war gestern in Brüssel eine Reaktion im Konjunktiv. Hätte der britische Außenminister Jack Straw das Referendum über die EU-Verfassung endgültig abgesagt, statt es auszusetzen, hätte Kommissionschef Manuel Barroso seinem Missfallen zumindest in diplomatischer Form Ausdruck verleihen müssen. Denn Barroso und Ratspräsident Juncker sind in dieser Frage einer Meinung: Erst beim EU-Gipfel nächste Woche in Brüssel sollen die Regierungschefs darüber entscheiden, wie es mit Europa weitergehen soll – und zwar gemeinsam. Das wäre ein starkes Signal, dass sie sich in dieser Frage einig sind.

Ein britischer Alleingang hätte diesen Plan zunichte gemacht, die anderen EU-Mitglieder provoziert und Britanniens Ruf als chronischer Quertreiber in der Union weiter gefestigt. Natürlich wurde der Sprecher der Kommission gestern gefragt, warum das deutsch-französische Treffen vergangenen Samstag von der Kommission nicht als Alleingang kritisiert worden sei. Die offizielle Antwort: Damit hätten Schröder und Chirac keine neuen Fakten geschaffen und die Regieanweisungen der Luxemburger Präsidentschaft nicht gestört. Die inoffizielle Antwort: Schröder und Chirac haben ja nur das gefordert, was auch Juncker und Barroso für das Beste halten: die Ratifizierung wie geplant fortzusetzen und nicht die eine Hälfte der europäischen Bevölkerung von den Urnen fern zu halten, während die andere Hälfte direkt oder indirekt Gelegenheit hatte, ihre Meinung zu sagen.

Unterdessen warnte Bundesaußenminister Fischer (Grüne) vor voreiligen Schlüssen. „Das ist keine Beendigung, sondern eine Unterbrechung“, betonte er gestern in Lissabon. Im Übrigen sei die Entscheidung aus London nicht unerwartet gekommen: Er habe mit seinem „Freund Jack Straw“ in telefonischem Kontakt gestanden.

Ganz abgesehen von den verfassungsrechtlichen Hindernissen in einigen Ländern ist nicht so recht klar, worin der Vorteil in der derzeitigen Lage bestehen soll. Die Franzosen und Niederländer würden mit Sicherheit auch dann zu keiner anderen Entscheidung kommen. Wie der EU-Gipfel die Krise mit einer salomonischen Erklärung entschärfen will, bleibt eine spannende Frage.

DANIELA WEINGÄRTNER