kein gutes vorbild
: Bremen gibt ein Mahnmal in Auftrag, das an die Opfer der Brechmittelfolter erinnern soll

Klar, es ist wichtig und, ja, auch wirklich gut, dass die südafrikanische Bildhauerin Usha Seejarim in Bremen ab kommendem Jahr eine Plastik errichtet. Aber wie jedes andere Mahnmal auch kann diese Plastik nicht als gutes Vorbild gelten. Sie soll an die Opfer des polizeilichen Brechmitteleinsatzes erinnern und davor warnen, dass legitimierte polizeiliche Gewalt jederzeit in menschenrechtswidrige Folter umschlagen kann.

Aber dass die Stadt nach 14 Jahren zivilgesellschaftlichen Drängens dieses Kunstwerk nun finanziert und in Auftrag gibt – am 6. Dezember hat das fachlich zuständige Gremium, die Kulturdeputation, den Entwurf von Seejarim bestätigt –, setzt voraus: Das Unrecht ist geschehen. Der Staat und seine Vollstrecker waren zuvor längst zu Tätern geworden. Verwaltung, Rechtsmediziner und Streifenbeamte hatten sich in Bremen ab 1991 die schmerzhafte und entwürdigende Prozedur der zwangsweisen Brechmittelvergabe als zulässiges Verfahren zur Beweissicherung schöngeredet: Es sollten vermeintlich verschluckte Drogenpäckchen herausgewürgt werden. Keine gefunden? Hat man den Verdächtigten halt umsonst gequält.

Neun Bundesländer folgten dem schlechten Bremer Beispiel. Ausgerechnet das Innenministerium in Thüringen, wo Faschisten nach der Macht greifen, ist erschreckenderweise nicht in der Lage zu klären, ob die Praxis noch im Landesrecht verankert ist. Hamburg hat sie erst 2021 auch formell abgeschafft, quasi zum 20. Todestag von Achidi John, der als Erster an den Folgen dieser Tortur in Deutschland gestorben war.

Im Juli 2006 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt, dass die Praxis rechtswidrig ist. Anderthalb Jahre zuvor hatte Bremen sie vorläufig beendet: Am 5. Januar 2005 war im Bremer Polizeigewahrsam der Burkinabe Laye-Alama Condé ertrunken. Damit er den giftigen Speiwurzelsirup schluckt, war ihm nämlich per Schlauch von einem Rechtsmediziner, kompetent nur im Umgang mit Leichen, Wasser in den Magen gespült worden. Das war damals so üblich. Es geriet dabei auch in die Lungen. Ein Unfall. Wie nur hätte man ohne den ahnen können, dass diese Waterboarding-Zwangsmedikation, die heftigen, oft Risse in der Speiseröhre verursachenden Brechreiz auslöst, Folter ist?

Noch fehlt jede Entschädigung für die Opfer: Tausende müssen es gewesen sein. Dass die Praxis offenbar ausschließlich People of Color getroffen hat, macht die Botschaft dieser noch unvollkommenen Aufarbeitung nur noch beklemmender. Umso wichtiger also wird das Mahnmal: „Wenn wir uns nicht mit den Traumata der Vergangenheit auseinandersetzen und keine Verantwortung dafür übernehmen, dann rechtfertigt das in einer verzerrten Logik die aktuellen Ungerechtigkeiten“, sagt die Künstlerin Usha Seejarim.

Gutes/schlechtes Vorbild

Was woanders richtig gut läuftoder gerade auch nicht, findetauf jeden Fall hier seinen Platz.

Hoffnung, dass es Bremen ernst ist mit dem Wunsch nach Versöhnung, stiftet das Verfahren zur Auswahl des Entwurfs: Nachdem in einem ersten Schritt sechs Künst­le­r*in­nen ermittelt worden waren, die ein Konzept konkretisieren sollten, lag die letzte Entscheidung über die Gestalt des Erinnerungszeichens in den Händen einer Jury von Ex­per­t*in­nen: Menschen, die rassistische Diskriminierung erlitten haben. Ihre Stimme wirkt so in den öffentlichen Raum, gestaltet ihn, wahrnehmbar und dauerhaft, und vielleicht gelingt dem Kunstwerk dann wirklich, wie Seejarim sich wünscht, „zu Gesprächen anzustiften“.

Benno Schirrmeister