SPD debattiert über Migration: Schulze fordert weniger Populismus

Vor dem Parteitag der SPD kritisieren mehrere Anträge die Asylpolitik der Ampel. Auch Entwicklungsministerin Schulze wirbt für Solidarität.

Svenja Schulze sitzt neben Mädchen im Flüchtlingscamp in Jordanien auf einem Sofa

Svenja Schulze fordert Sachlichkeit in der Migrationsdebatte, im Flüchtlingscamp in Jordanien Foto: Hannes P Albert/dpa

BERLIN taz | Migration und Integration dürften auf dem SPD-Parteitag am Wochenende für kontroverse Debatten sorgen. Derzeit liegen 58 Anträge zu den Themenfeldern vor. Die meisten davon setzen sich kritisch mit der Asylpolitik der selbst angeführten Bundesregierung auseinander. Sie reichen von der Forderung, das Gemeinsame Europäische Asylsystem als inhuman abzulehnen, bis hin zur Einführung des kommunalen Wahlrechts für Ausländer aus Nicht-EU-Staaten.

Selbst aus dem SPD-Parteivorstand kommen nun Vorschläge, die Asylpolitik zu korrigieren. Etwa von der Genossin Svenja Schulze aus Münster in Nordrhein-Westfalen, im sonstigen Leben auch Bundesentwicklungsministerin in der Ampelregierung.

Deutschland trage eine historische Verantwortung für Menschen, die vor Vertreibung, Verfolgung, Zerstörung und Krieg fliehen, heißt es in dem Antrag, der der taz vorliegt. „Abschottung, Ober- und Belastungsgrenzen sind keine Lösung, sondern Populismus“, schreibt Schulze und schlägt damit einen deutlich solidarischeren Grundton an, als zuletzt in der politischen Debatte üblich. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach im November im Spiegel etwa davon, dass Deutschland „endlich im großen Stil abschieben“ müsse.

Schulze fordert eine Versachlichung der Debatte um Migrationspolitik und konkret eine bessere Unterstützung der Aufnahmeländer im Globalen Süden. Rund 80 Prozent der weltweit 110 Millionen Flüchtlinge fänden Aufnahme im Nachbarland. „Sie dürfen wir mit dieser Aufgabe nicht allein lassen“, schreibt Schulze und fordert die Bundesrepublik auf voranzugehen. Beim Globalen Flüchtlingsforum Mitte Dezember müsse Deutschland „eine Führungsrolle einnehmen und ganz konkrete Unterstützung bei der Bildung, Gesundheit und Beschäftigung für Flüchtlinge zusagen.“

Schulze kritisiert verengten EU-Diskurs

Beim Globalen Flüchtlingsforum kommen die Mi­nis­te­r:in­nen erstmals seit 2019 wieder in Genf zusammen und überprüfen, ob und welche Fortschritte beim UNO-Flüchtlingspakt erzielt wurden, etwa wenn es darum geht, Flüchtlinge besser zu versorgen und zu verteilen.

Schulze fordert Migrationsabkommen mit Partnerländern, zu denen auch gehöre, „dass Menschen, die kein Recht auf einen Aufenthalt in Deutschland und Europa haben, von Ihren Herkunftsstaaten wieder aufgenommen werden.“ Sie hält jedoch nichts von der Forderung, Entwicklungsgelder zu kürzen, falls Staaten nicht bereit sind zu kooperieren. „Wer bei Ernährung, Bildung oder Gesundheitssystemen kürzt, vergrößert das Leid von Menschen und politische und soziale Unsicherheit.“

Die Debatte in der EU kritisiert sie. „Die Antworten, nach denen viele EU-Mitgliedsstaaten rufen, funktionieren schlichtweg nicht.“ Seit Jahren verenge sich der Diskurs immer mehr auf restriktive Maßnahmen, so die Genossin und warnt bei der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems vor einer Aushöhlung des Asylrechts. Das werde von den Partnerländern im Globalen Süden sehr genau beobachtet und vermittle den Eindruck doppelter Standards – „von Partnerländern fordern wir Schutz und Aufnahme von Flüchtlingen ein und die EU selbst tut das Gegenteil?“

Damit ein Antrag als Initiativantrag auf dem Parteitag debattiert wird, müssen 50 Un­ter­stüt­ze­r:in­nen aus 5 Bezirken gewonnen werden oder der Parteivorstand muss mehrheitlich dafür stimmen. Aus Schulzes Umfeld hieß es, die 50 Un­ter­stüt­ze­r:in­nen zu finden, werde kein Problem sein.

SPD Berlin will keine Familien in EU-Außenlagern

Die Anträge, die bereits vorliegen, gehen zum Teil deutlich über den Antrag von Schulze hinaus. So fordert etwa der Landesverband Berlin dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem nur zuzustimmen, wenn Familien mit minderjährigen Kindern von jeglicher Form von Grenzverfahren ausgenommen seien.

Die Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt fordert alle Außenlager zu schließen und Flüchtlinge in die EU-Länder zu verteilen. Beide lehnen eine Verschärfung von Abschiebungen, wie etwa die Verlängerung der Abschiebehaft von 10 auf 28 Tage ab. Die Jusos wollen die Seenotrettung entkriminalisieren, die Kommunen besser unterstützen, alle Ankerzentren schließen, Arbeitsverbote abschaffen und das Asylbewerberleistungsgesetz überarbeiten.

Wie all diese Anträge auf dem Parteitag behandelt werden, wird sich am Donnerstag entscheiden. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat in Absprache mit den Jusos, der AG Migration, Fach- und Kommunalpolitikern einen eigenen Antrag zu dem Thema erarbeitet. Dieser soll am Donnerstag vom Vorstand verabschiedet und ebenfalls auf dem Parteitag debattiert werden. Auch Schulzes Antrag könnte darin aufgehen.

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