Bundesparteitag der SPD: „Eine durchaus positive Stimmung“

Otto Ellerbrock ist 15, Axel Schäfer 71. Beide sind Sozis und hadern mit der Ampel. Wie sie den Kanzler sehen und was sie sich von der SPD wünschen.

Der Schüler Otto Ellerbrock und de Abgeordnete Axel Schäfer auf dem SPD-Parteitag in Berlin

Jüngster und ältester auf dem SPD-Parteitag in Berlin: Otto Ellerbrock (links) und Axel Schäfer Foto: Anna Lehmann

taz: Herr Ellerbrock, wie haben Sie Ihren ersten Parteitag erlebt?

Otto Ellerbrock: Wir stellen den Bundeskanzler, aber leben in extrem schwierigen Zeiten. Die Erfolge der Regierung werden überschattet von zahlreichen Krisen. Aber hier herrscht eine durchaus positive Stimmung.

Herr Schäfer, Ihr erster Parteitag war 1977, vor fast 50 Jahren. Auch damals stellte die SPD schon den Kanzler. Sehen Sie Parallelen?

Axel Schäfer: Ja, damals war Helmut Schmidt Kanzler und Willy Brandt Parteivorsitzender. Heute haben wir mehr Krisen, aber damals war es auch nicht einfach. Wir hatten damals nach Stammheim, nach Terrorismus, nach Flugzeugentführungen den deutschen Herbst. Und wir waren ein geteiltes Land.

Otto Ellerbrock, 15, Schüler, trat 2022 in die SPD ein.

Axel Schäfer, 71, Bundestagsabgeordneter, trat 1969 in die SPD ein

Dafür hatte die SPD damals über 40 Prozent, jetzt steht sie in Umfragen bei 14 Prozent. Wie ernst ist die Lage?

Ellerbrock: Die Lage ist sehr ernst. Die Umfragen sind ein Signal der Bürgerinnen und Bürger an die regierenden Parteien, dass sie durch die ganzen Krisen verunsichert sind und dass sie Antworten erwarten.

Schäfer: Wir haben einen ganz großen Vorteil: Wir sind geschlossen wie selten. Die Frage ist nur, ob wir auch immer so entschlossen sind, wie es notwendig wäre. Problematisch sind die Streitigkeiten in der Koalition. Das bleibt auch an uns hängen.

Wie zufrieden sind sie denn mit dem Kanzler?

Ellerbrock: Die Rede von Olaf hat gezeigt, dass er nicht nur mit kühlem Kopf regiert, sondern auch mit heißem Herzen sprechen kann. Das hat mir gut gefallen und ich habe mich abgeholt gefühlt. Ich bin mit Olaf Scholz sehr zufrieden. Ich finde, dass er die Koalition gut zusammenhält und einen wirklich guten Job macht. Aber ich möchte nicht in seiner Haut stecken.

Was macht die SPD denn falsch, dass sie jetzt bei 14 Prozent liegt?

Schäfer: Wir haben das schon einmal am Ende der Großen Koalition erlebt: Da lagen wir auf dem gleichen Niveau, sind dann aber auf 26 Prozent hochgekommen. Aber natürlich muss man sich fragen, was man falsch macht. Ein Problem sind handwerkliche Fehler, die dann öffentlich zum Mega-Problem aufgebauscht werden. Auf der anderen Seite müssen wir deutlicher machen, worum es zurzeit geht: Nämlich, dass wir von den größten Herausforderungen seit 1945 stehen, und das weltweit. Da geht es eben nicht mehr darum, ob die SPD oder die CDU vorne liegt, denn unsere Demokratie ist so gefährdet wie nie zuvor.

Was muss die SPD besser machen?

Ellerbrock: Man kann sicher vieles besser machen. Zum Beispiel in unserem digitalen Auftritt – dort muss man die Arbeit im Bundestag für alle Bürgerinnen und Bürger gut und verständlich erklären.

Das heißt, die Politik ist gut – sie müsste nur besser erklärt werden?

Ellerbrock: Es kommt zu wenig bei den Leuten an, und manchmal wird es zu umständlich erklärt. Es muss so erklärt werden, dass jeder, egal welcher sozialen Herkunft, es auch versteht.

Schäfer: Das hätte ich mit 25 nicht so gut formulieren können, wie er das mit 15 macht. Ein Thema, das für Verunsicherung sorgt, ist die Migrationspolitik.

Welcher Kurs ist da richtig?

Ellerbrock: Das ist ein schwieriges Thema, und die Debatte wird seit Jahren geführt. Wir brauchen da eine klare europäische Antwort.

Schäfer: Das lässt sich nur gesamteuropäisch lösen, und da muss man ehrlich sagen, was machbar ist. Wenn die deutsche Position ein Stückchen restriktiver als bisher ist, dann liegt das auch daran, dass es dafür in Europa sonst keine Mehrheit gibt. Wenn man weiß, dass das Verhältnis vier Länder gegen 23 ist, dann weiß man, wie schwierig es ist. Das kann man den Menschen vermitteln.

War die Ansage von Olaf, ab jetzt werde im großen Stil abgeschoben, wirklich nötig?

Schäfer: Das ist natürlich eine zugespitzte Formulierung. Es geht darum, den Menschen das Gefühl zu geben, dass der Staat funktioniert und dass man sich an die Regeln hält, die wir uns selbst gegeben haben. Das zeigt sich auch daran, ob Leute, die abgeschoben werden könnten, auch abgeschoben werden.

Wie kann die SPD innerhalb der Koalition ihr Profil schärfen? Zwischen zwei Polen, der FDP und den Grünen, ist das ja nicht ganz einfach.

Ellerbrock: Diese Koalition hat sich gefunden, weil sie zusammenarbeiten wollte. Sie hat viele Versprechen umgesetzt. Aber jetzt ist die Zeit, wieder an einem Strang zu ziehen – gerade mit Blick auf die Gefahren, die diesem Land durch rechte Parteien drohen. Ich glaube, das kommt auch bei der FDP so langsam an.

Schäfer: Es zeigt sich ja, dass die FDP mit ihrer Oppositionsrolle innerhalb der Regierung keine Stimmen gewinnt. Wir müssen weiter Überzeugungsarbeit leisten. Ich leiste im Bundestag meinen Beitrag dazu: Ich habe einen Kollegen von der FDP und einen von den Grünen, zusammen praktizieren wir die Ampel im Kleinen. Wir hoffen, dass uns das auch im Großen gelingt.

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