Polens neue Regierung: Die schwere Last des Donald Tusk

Der Sieg über die PiS-Populisten ist ein Hoffnungsschimmer für den liberalen Westen. Doch auf die neue Koalition in Warschau warten schwierige Aufgaben.

Donald Tusk steht vor einem Mikrofon und ballt die Fäuste

Der polnische Premierminister Donald Tusk bei seiner Vereidigung am 13. Dezember in Warschau Foto: Aleksandra Szmigiel/reuters

Polens neuer Ministerpräsident Donald Tusk wurde vom Portal Politico ganz oben auf die jährliche Rangliste der einflussreichsten Menschen in Europa gesetzt. Das Politico ist eins der derzeit wichtigsten Foren für internationale Politik. Grund für dieses Urteil war zweifellos der Sieg von Tusk gegen Jarosław Kaczyński bei den Parlamentswahlen. In Wirklichkeit geht es aber bei der Verleihung dieser „Goldmedaille“ um etwas ganz anderes.

Die polnischen Wahlen dienen heute in Europa als Hoffnungsschimmer in schwierigen Zeiten. Im Jahr 2024 werden die Bürgerinnen und Bürger in bis zu 70 Ländern der Erde an die Urnen gehen. Die düstere Prognose besteht, dass die Populisten vielerorts gewinnen werden. Der jüngste Sieg eines Populisten in den Niederlanden ist umso bemerkenswerter, als das Land als eine der Wiegen der Globalisierung und der Toleranz gilt.

In anderen Ländern wird die Rückkehr der Populisten durchaus ernst genommen. Das beste Beispiel ist die anhaltende Popularität Donald Trumps in den USA. Erstaunlicherweise tappen ihre Konkurrenten trotz der vergangenen Jahre offenbar noch immer im Nebel. Vor diesem Hintergrund scheint Tusk tatsächlich ein Politiker zu sein, der das gefunden hat, wonach viele noch suchen: eine wirksame Strategie, um Wahlen in einem Land zu gewinnen, in dem der Populismus an der Macht etabliert war.

Die These vom „mächtigsten Mann Europas“ ist allerdings mit Vorsicht zu genießen. Denn Tusk hat Kaczyński nicht allein besiegt, sondern mit Unterstützung einer ganzen Reihe anderer Parteien und Politiker. Die neue Regierung wird eine Koalition von den Konservativen aus der Polnischen Volkspartei bis zur progressiven Linken. Aktuell scheint sie zwar geeint, aber es besteht kein Mangel an Themen, an denen sie sich entzünden könnte. Ersten Unmut gab es bereits über die Frage von Religionsunterricht in den staatlichen Schulen.

Auf juristischem Minenfeld

Problematisch ist auch, die PiS noch über eine Reihe von Institutionen verfügt, obschon die Regierung Tusk bereits vereidigt ist. Diese Woche verbreiteten die polnischen Medien Bilder von der Unterseite des polnischen Fernsehens, das von der neuen Regierung übernommen worden war. Es ging nicht ohne Polizeieinsätze und Proteste der Partei PiS vor dem Fernsehgebäude ab.

Kurz darauf wurde „Wia­domości“, die wichtigste Nachrichtensendung des polnischen öffentlich-rechtlichen Fernsehens, die von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in ein Instrument der Parteipropaganda umgewandelt worden war, aus dem Fernsehprogramm gestrichen. Der Aufbau starker und unabhängiger öffentlicher Medien liegt jedoch noch in weiter Ferne.

Zu allem Überfluss haben die PiS-Politiker ein wahres juristisches Minenfeld hinterlassen. Mit verschiedenen juristischen Tricks haben sie beschlossen, die Chancen auf grundlegende Reformen oder personelle Veränderungen im Staat zu behindern. Man ist versucht zu sagen, dass die Bezeichnung von Tusk als mächtigster Mann Europas während seiner ersten Regierungszeit zwischen 2007 und 2014 angemessener war. 2010 wurde dieser Politiker für seine Verdienste um die Förderung der europäischen Ideen mit dem Karlspreis ausgezeichnet.

Doch erst jetzt sehen wir, wie dringend der Westen politische Hoffnungen braucht. Darüber sind wir ganz und gar nicht glücklich. Wir stammen aus einer Generation, die den Westen als Inspiration und Vorbild ansah. Zumal wir wissen, dass die Übernahme der Exekutive nach der PiS eher der politisch schwierigste Moment in Tusks Biografie ist. Als würde man durch Schlamm waten. Millimeter für Millimeter wird die Entminung dieser legalen Minen erfolgen.

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ist Vorstandsmitglied der Stiftung Kultura Liberalna in Polen und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sonderforschungsbereich Affective Societies, Freie Universität Berlin. Sie hat zwei Söhne und pendelt zwischen Berlin und Warschau.

ist Chefredakteur des polnischen Online-Wochenblatts Kultura Liberalna und Pop-Back-Fellow an der Universität Cambridge.

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