Der Wolf ist erledigt

Nach sieben Jahren wird mit dem Dreiliter-Lupo von VW das letzte Modell der Baureihe eingestellt. Das Ökomobil ist damit vom Tisch. Ein Nachruf auf das einzige Charakterauto von VW seit dem Käfer

VON PHILIPP DUDEK

Ende Juni ist Schluss. Dann läuft der letzte Dreiliter-Lupo von VW vom Band – behauptet zumindest die Fachzeitschrift Automobilwoche. „Über einen definitiven Zeitpunkt einer Einstellung ist noch nicht entschieden“, sagte dazu ein VW-Sprecher am Wochenende. Aber das Ende naht mit großen Schritten. Auch der völlig überflüssige Lupo GTI mit mehr als 120 PS wird nur noch bis zum Monatsende gebaut. Die Standard-Version des Kurzen kann man schon seit Februar nicht mehr kaufen.

Schuld daran ist der neue VW Fox. Der Lupo-Nachfolger, der eigentlich keiner ist. Mit dem Lupo verabschiedet sich VW von dem einzigen Charakterauto, das der Konzern seit dem Ende des VW Käfers gebaut hat – und von der Dreiliter-Technologie. Der Fox ist der Vorbote einer neuen Zeit, die auch bei VW schon angebrochen ist. Öko-Bewusstsein und Umwelttechnologie sind Luxus. Das rezessionsgeplagte Volk braucht wieder einen Volkswagen. Der Fox ist größer, stärker und vor allem billiger als der Lupo. Rund 9.000 Euro kostet die Einstiegsversion. Das liegt vor allem daran, dass der Neue in Brasilien gebaut wird und nicht in Wolfsburg oder Brüssel wie der Lupo.

Ein Dreiliter-Fox ist nicht geplant und auch die Pläne eines Einliter-Modells werden wohl vorerst auf Eis gelegt. Hohe Entwicklungskosten stehen einer Käufergruppe gegenüber, die sich für 15.000 Euro keine Öko-Karre von VW kaufen will. Wer so viel Geld für ein Auto ausgeben kann, kauft lieber ein kleines Cabrio bei der Konkurrenz oder für viel mehr Geld einen dicken VW Touareg. Der Fox säuft sieben Liter Benzin auf hundert Kilometer und gräbt seinem Vorgänger das Wasser ab. Seit der Fox auf dem Markt ist, gebe es nur noch eine geringe Nachfrage nach dem Dreiliter-Lupo, sagte der VW-Sprecher. In den letzten sechs Jahren hatten sich europaweit nur 30.000 Käufer gefunden.

VW hat sich seit dem Produktionsstart des Lupos immer wieder über die mangelnde Kaufbereitschaft der Zielgruppe beklagt. Beworben wurde das Auto trotzdem nicht. Nur ganz am Anfang, beim Verkaufsstart der Basis-Version 1998 – als Öko-Autos noch eine echte Lobby hatten –, entstieg in einem Fernsehspot ein ziemlich hochgewachsener Basketball-Spieler einem kleinen roten Lupo und bewies damit, dass sich Ingenieure sinnvolle Gedanken zum Thema Platz in Kleinwagen gemacht haben.

Der Lupo war mehr Volkswagen als es der Fox je sein wird. Das Auto war der erste Mini, mit dem man tatsächlich nicht nur zu Aldi, sondern über den Brenner nach Italien fahren konnte – zu zweit und mit richtig viel Gepäck. Man konnte auch zu viert und mit wenig Gepäck von Leipzig nach München fahren. Beschwert hat sich da niemand. Schließlich war auf den Rückbank mehr Platz als in so manchem Mittelklasse-Auto. Und wenn man die Rücksitze noch umgelegt hatte, ging so einiges: Kühlschränke und Kommoden hatten plötzlich Platz in einem Auto, das von außen nicht viel größer wirkte als eine Waschmaschine.

Der Lupo war der Jack Lemmon unter den Autos. Immer wieder kaputt und trotzdem liebenswürdig. Mein Lupo hat in seinem kurzen Leben schon einige Werkstätten von innen gesehen: 2.000 Kilometer: das Kassettendeck gibt auf; 10.000 Kilometer: der Bremskraftverstärker wird ausgetauscht; 50.000 Kilometer: die Vorderbremsen verabschieden sich; 60.000 Kilometer: die Drosselkappe will nicht mehr; 70.000 Kilometer: das Lenkgestänge muss ausgetauscht werden. Trotzdem wehrte sich das Auto gegen die Verschrottung mit einem eingebauten Schutzmechanismus: Runde Scheinwerfer-Kugelaugen und ein lächelnder Kühlergrill erinnerten irgendwie an einen kleinen Hund. Und den würde man ja auch nur ungern einschläfern lassen. Der Fox mit seiner VW-typischen Grinsefresse wird es da schon deutlich schwerer haben.

Mit einem Verbrauch von knapp sechs Liter Benzin auf hundert Kilometer war selbst der günstige Basis-Lupo im Vergleich noch sparsam – und damit das Standardmobil für Pflegepersonal, Wachdienste und das Ordnungsamt. Dass die Benzinkosten allerdings die Werkstattkosten ausgleichen konnten, darf man gerne bezweifeln. Das Ökobewusstsein musste auf jeden Fall in einem Lupo nur ein bisschen leiden – vor allem dann, wenn man damit zum Aldi gefahren ist.

Zumindest die Technologie des Dreiliter-Lupo wird hoffentlich noch ihr Comeback feiern. Schon jetzt fahren Hollywood-Stars Hybrid-Autos, und Arnold Schwarzenegger, Gouverneur von Kalifornien, verkündete am Wochenende per Dekret, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 auf das Niveau von 1990 herunterzuschrauben. Wir setzen auf den Jägermeister-Effekt: Was hier pfui ist, muss erst drüben hui sein, um hier nicht mehr pfui zu sein. Lupo strikes back.

Philipp Dudek, 27, fährt seit fünf Jahren Lupo und hat es nur ganz selten bereut.