Tod im Polizeigewahrsam: Obduktion entlastet Polizisten

Am 3. Januar starb ein Mann im Braunschweiger Polizeigewahrsam. „Hocherregungszustand“ führte in Verbindung mit Rauschmitteln zu Herzstillstand.

Blick durch ein Türfenster in eine gekachelte Gewahrsamszelle

Ungemütlicher Ort: Gewahrsamszelle, hier im Kölner Polizeipräsidium Foto: Marius Becker/dpa

HAMBURG taz | Im Fall des Mannes, der im Januar in Gewahrsam der Braunschweiger Polizei starb, liegt das Obduktionsergebnis vor. Wie die Staatsanwaltschaft auf Anfrage mitteilt, starb der aus Guinea stammende Mamadou B., Spitzname „Johnson“, an einem Herz-Kreislauf-Stillstand. Dessen Ursache sei höchstwahrscheinlich ein „Hocherregungszustand unter Fremdbeeinflussung (Alkohol, Kokain)“ gewesen. Dass die Polizei den Mann nach einer Kneipenrangelei mitgenommen habe, sei aber „ohne Wenn und Aber“ korrekt gewesen.

Die Festnahme hatte für besondere Aufmerksamkeit gesorgt, weil B. Schwarz ist und sich herausstellte, dass B. nicht Täter, sondern Opfer war. Nach Auswertung der Videoaufnahmen aus dem Lokal hat die Staatsanwaltschaft das noch einmal revidiert: B. sei „keinesfalls nur Opfer, sondern eben auch Täter, wenn auch nicht in dem Umfang, der zunächst angesichts der unzutreffenden Zeugenaussagen im Raum stand“.

Das Geschehen spielte sich am Neujahrsmorgen in der Kneipe „Charlie Chaplin“ in der Braunschweiger Innenstadt ab. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft begann Mamadou B. gegen 9.50 Uhr eine „tätliche Auseinandersetzung“ mit einem Gast, woraus sich eine Schlägerei mit mehreren Beteiligten entwickelte.

B. habe sich auch aggressiv gegenüber schlichtend eingreifenden Personen gezeigt. Dabei habe er auch Unbeteiligte geschlagen und sei selbst getreten worden. Schließlich habe ein damals 20-jähriger Braunschweiger drei Sekunden lang Pfefferspray auf B. gesprüht. Der junge Mann wurde vor wenigen Tagen wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt.

Am Boden festgehalten

B. wurde festgenommen, weil ihn ein Opfer der Reizgasattacke als denjenigen benannte, der Stress gemacht und das Gas versprüht habe. Im Mai sagte Staatsanwalt Christian Wolters der taz, die Beamten hätten B. mitgenommen, um Schlimmeres zu verhüten. Dabei dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass B. schon mehrfach wegen Drogenbesitzes, Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung verurteilt worden war.

Der 38-Jährige weigerte sich, nach seiner Festnahme mitzugehen. Auf einem Instagram-Video ist zu sehen, wie ihn Polizisten aus der Kneipe schleifen. „Er beleidigte fortwährend die eingesetzen Polizeibeamten und spuckte diese auch an“, schreibt die Staatsanwaltschaft mit Blick auf den Vorgang. Die Ingewahrsamnahme wäre auch ohne den Verdacht des Versprühens des Reizgases rechtmäßig gewesen, betont die Staatsanwaltschaft, weil B. selbst die Auseinandersetzung in dem Lokal ausgelöst habe und einer einfachen Körperverletzung verdächtig gewesen sei.

Auf der Wache habe B. versucht, Polizisten anzugreifen, die das abwenden konnten, indem sie ihn gegen eine Wand drückten und schließlich am Boden festhielten. Dort sei B. liegend zurückgeblieben. Eine Ärztin, die ein bis zwei Minuten später nach ihm schaute, habe beobachtet, dass er den Kopf drehte.

Gut zehn Minuten später habe die Ärztin mit Polizisten die Zelle betreten, um eine Blutprobe zu nehmen. „Da wies der Geschädigte keine Vitalfunktion mehr auf“, teilt die Staatsanwaltschaft mit. B. konnte zwar reanimiert werden. Bis zu seinem Tod gut 36 Stunden später sei er aber nicht mehr aus dem Koma erwacht.

Herz-Kreislauf-Stillstand als Todesursache

„Die Obduktion ergab als Todesursache einen Herz-Kreislauf-Stillstand, der zu einem massiven Hirnödem und in der Folge einem hypoxischen Hirnschaden führte“, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Demnach hatte B. 1,55 Promille Alkohol im Blut, außerdem Kokain und Kokainabbauprodukte. Zum letzten Mal habe Johnson wohl maximal anderthalb Stunden vor der Schlägerei Kokain geschnupft. Ein Schlag sei „als Todesursache zweifelsfrei ausgeschlossen“ worden. „Damit waren weder die Ereignisse während der Schlägerei im ‚Charlie Chaplin‘ noch das Geschehen in Polizeigewahrsam todesursächlich“, stellt die Staatsanwaltschaft fest.

Allerdings sind immer wieder Fälle bekannt geworden, wo Menschen nach dem Einsatz von Pfefferspray gestorben sind. „Indirekte gesundheitliche Gefahren beim Einsatz von Pfefferspray bestehen insbesondere für solche Personen, die unter Drogeneinfluss stehen oder Psychopharmaka eingenommen haben“, stellte der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages 2010 in einer Ausarbeitung fest. Das Spray darf nur zur Selbstverteidigung verwendet werden. In internationalen Konflikten ist es nach der Biowaffenkonvention verboten.

Fatal könnte zudem die Fixierung am Zellenboden gewesen sein. Man dürfe niemanden länger als ein paar Sekunden in Bauchlage festhalten, sagte der Kriminologe Thomas Feltes 2020 der taz.

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