Wärmewende: Wärme aus der Tiefe

Probebohrungen sollen das Potenzial von Geothermie austesten. Der Bedarf an grüner Energie ist riesig, sowohl für die Forschung als auch fürs Heizen

Mann im orangenen Anzug steht vor einem Bohrturm

Tag der offenen Baustelle in Potsdam. Rund 2000 Meter soll in die Tiefe gebohrt werden Foto: Patrick Pleul

BERLIN taz | Auf dem Wissenschafts-Campus in Buch frisst die Forschung viel Energie. Hier im Norden, fast an der Grenze zu Brandenburg, müssen Kühlschränke für Bakterienproben auf –80 Grad Celsius gekühlt oder in Laboren achtmal pro Stunde komplett die Luft getauscht werden. „Das ist natürlich ein wahnsinniger Energieverbrauch“, sagt die Geschäftsführerin des Campus, Christina Quensel. „Aber das lässt sich im Laborbereich nicht vermeiden.“ Sie führt über den Campus und präsentiert stolz den neu gebauten „Berlin-Bio-Cube“: Auf fünf Stockwerken sollen sich hier bald Biotech-Unternehmen ansiedeln und forschen. Mit dem wachsenden Campus dürfte auch der Energiebedarf weiter steigen.

Und das ist ein Problem. Denn bislang erhält der Campus seine Wärme aus dem nahegelegenen Heizkraftwerk Buch. Bis vor Kurzem verwendete der Energiekonzern Vattenfall dort zur Strom- und Wärmeerzeugung vor allem Methangas, das beim Abbau von Müll in einer Brandenburger Deponie entstand. Seitdem die Deponie stillgelegt wurde, kommt in dem Kraftwerk aber immer mehr klimaschädliches Erdgas zum Einsatz.

Quensel denkt deshalb über Alternativen nach. „Wir würden uns sehr freuen, wenn die Fernwärme, die wir bekommen, grün ist“, sagt sie. Der Campus erforscht deshalb nun das Potenzial zur Energiegewinnung aus Erdwärme. Dabei handelt es sich um im Inneren der Erde gespeicherte Wärme, die etwa durch nukleare Zerfallsprozesse im Erdkern freigesetzt wird – und dabei auch das Grundwasser erwärmt. Wärmepumpen hingegen nutzen die niedrigeren, aber konstanten Temperaturen kurz unter der Erdoberfläche.

Auf der Vulkaninsel Island etwa dringt diese Wärme bis an die Oberfläche. Will man aber in Deutschland im großen Stil Geothermie nutzen, muss man zunächst kilometertief in die Erde bohren, in der Hoffnung, auf ein geeignetes Wasserreservoir zu stoßen. Das warme Wasser wird dann von dort an die Oberfläche gepumpt, wo man damit heizen oder eine Turbine antreiben und Strom erzeugen kann, bevor es in das Tiefenreservoir zurückfließt.

Der Senat steuert dafür insgesamt sechs Millionen Euro bei

Der Campus erhält über sein Projekt RENEWAC nun Förderung vom Land. Neben der Urban Tech Republic auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel und dem Fernheizwerk Neukölln wählte der Senat Buch als Ort für Bohrungen. Frühestens 2025 sollen die Maschinen hier beginnen, sich in den Untergrund zu graben.

Der Senat steuert dafür insgesamt sechs Millionen Euro aus dem Innovationsfonds bei. Die Politik sieht Fernwärme wieder vermehrt als Alternative zum individuellen Heizen mit Wärmepumpen. In Berlin sind 1,4 Millionen Wohnungen an das Fernwärmenetz angeschlossen, das das Land in diesem Jahr von Vattenfall zurückkaufen will. Im nächsten Schritt gilt es, das heute überwiegend fossil betriebene Netz zu dekarbonisieren – hier soll die Geothermie helfen.

Doch wo eignet sich der Berliner Untergrund überhaupt, um nach Tiefenwärme zu bohren? Um diese Frage zu beantworten, arbeitet die Campusleitung in Buch mit Wis­sen­schaft­le­r:in­nen am Geo-Forschungs-Zentrum in Potsdam zusammen. Magdalena Scheck-Wenderoth erforscht dort das Tiefenreich unter Berlin und erstellt 3-D-Modelle, die zeigen können, wo man am ehesten warmes Wasser findet.

Auf der Grundlage vergangener Bohrungen – etwa noch aus DDR-Zeiten – kann sie abschätzen, welche Steine sich in welcher Tiefe finden lassen. „Wir wissen, dass die Steine Eigenschaften haben – wie Wärmeleitfähigkeit – und auch radiogene Wärme produzieren. Das alles ergibt dann ein Temperaturbild“, sagt Scheck-Wenderoth in ihrem Büro in Potsdam. In den oberen Kilometern fließe Wasser im Porenraum, das auch die Wärme und Kälte transportiert. Die Geologin deutet auf ein Untergrundmodell Brandenburgs. Das Besondere hier sei der hohe Salzgehalt. „Salz ist besonders, weil es super leitfähig ist, aber gleichzeitig undurchlässig. Das ist für das Temperaturfeld wichtig.“

Mut macht eine erfolgreiche Probebohrung in Potsdam

Neben Daten aus bisherigen Bohrungen stützt sich Scheck-Wenderoth für ihr Modelle auch auf weitere geophysikalische Messungen. „Man misst da Schallwellengeschwindigkeiten im Untergrund, so ähnlich wie beim Ultraschall am Menschen, nur mit anderen Wellenlängen und Frequenzen.“ Mit magnetischen, elektrischen oder gravimetrischen Methoden lässt sich das Modell weiter verbessern.

Absolute Gewissheit aber liefert die Prognose nicht. Die bringt alleine die Bohrung. Mut macht ihnen eine erfolgreiche Probebohrung in Potsdam. Dort wollte der städtische Energieversorger mehr als zwei Kilometer tief in den Buntsandstein bohren, um dort 60 Grad warmes Wasser anzuzapfen. Dabei stießen sie auf eine Schicht aus Aalen-Sandstein in nur einem Kilometer Tiefe.

Das Wasser dort ist zwar nur 47 Grad warm. Trotzdem kann mehr warmes Wasser gefördert werden, wie Daniel Acksel vom GFZ erklärt: „Die Energie ist abhängig von der Wassertemperatur, aber auch vom Volumenstrom, also der Menge an Wasser, die durchfließt.“ Weil der Stein in Potsdam durchlässiger ist, kann zweieinhalbmal mehr heißes Wasser gefördert werden als ursprünglich angenommen. Damit können – statt wie erhofft 3.200 – nun sogar 6.900 Potsdamer Haushalte mit Wärme versorgt werden.

Garantiert ist der Erfolg jedoch nicht, weshalb private Konzerne oft vor den kostspieligen Investitionen zurückschrecken. Daher ist der Staat gefragt. Eine Studie der Investitionsbank Berlin kam jüngst zu dem Schluss, dass das Land über sieben Jahre 4,2 Milliarden Euro investieren müsste, um ein Fünftel seines Wärmebedarfs mit Geothermie zu decken – und damit zudem 3.200 dauerhafte Arbeitsplätze zu schaffen. Das Potenzial der Erdwärme ist also groß – der einzige Weg ist sie aber kaum. „Man wird mit tiefer Geothermie nicht komplett alles ersetzen können“, resümiert Christina Quensel mit Blick auf den Campus in Buch. „Aber es ist ein wichtiger Baustein.“

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