Berichterstattung in der Ukraine: Aus für ukrainische Mediengruppe

Mit ihrer russischsprachigen Zeitung stand Vesti schon länger im Visier der Regierung. Es ist nicht die erste Plattform, die vom Markt verschwindet.

Aktivisten, verkleidet als Zombies mit der aktuellen Ausgabe von Vesti im Jahr 2015

Protest gegen die prorussische Propaganda der kostenlosen Zeitung „Vesti“ 2015 in Kyjiw Foto: ZUMA Press/imago

taz | Die ukrainische Medienholding Vesti Ukraina verabschiedet sich. Kurz vor dem Jahreswechsel wandte sich das Unternehmen an seine Leser und Hörer mit der Ankündigung, alle Unternehmensaktivitäten einzustellen. Ein Weiterverkauf ist nicht angedacht, heißt es lapidar in der Erklärung. Mit der Schließung der Vesti-Medien, die in jüngster Zeit vor allem mit dem Portal vestia.ua in der Öffentlichkeit vertreten waren, verlässt ein weiterer großer Player die ukrainische Medienlandschaft.

2013 gestartet, wurde die Zeitung Vesti („die Nachrichten“) schnell zu einer führenden Publikation in der Ukraine. Kaum ein Waggon in der U-Bahn von Kyjiw, in dem man nicht einen Passagier fand, der aufmerksam die Vesti durchblätterte. Kein Wunder, wurde sie doch lange Zeit zunächst kostenlos und dann für einen symbolisch niedrigen Preis von 5 Cent an den U-Bahn-Stationen verteilt.

Den Regierenden waren die Vesti oft ein Dorn im Auge. Die Print-Ausgabe war in russischer Sprache erschienen, mit Kritik an der Regierung und der Maidan-Bewegung wurde nicht gespart. 2017 hatte der nationale Rundfunk- und Fernsehrat dem 2014 ins Leben gerufenen Radio Vesti im Raum Charkiw die Lizenz entzogen, wenige Tage später dann im Raum Kyjiw. Am 8. Februar 2018 waren ukrainische Sicherheitsbehörden in Büros der Medienholding Vesti im Zentrum Kyjiws eingebrochen. Dabei, so die Medienholding damals, seien MitarbeiterInnen geschlagen, Tränengas eingesetzt und JournalistInnen bedroht worden. Der Vorsitzende des Nationalen Journalistenverbands, Serhiy Tomilenko, hatte damals die Sicherheitsbehörden aufgefordert, sich zu erklären.

2018 drangen ukrainische Sicherheitsbehörden in Büros von Vesti ein

Den Angriffen, Hausdurchsuchungen und Lizenzentzügen auf Vesti.ua folgten in den vergangenen Jahren Proteste und Straßenaktionen. Mit dem russischen Großangriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 verstummte die Kritik von Vesti an Regierung und Behörden jedoch. Das inzwischen auf Ukrainisch publizierende Portal unterschied sich zuletzt kaum noch von anderen ukrainischen Medien.

Ein Tod mit Ansage

Jetzt ist es still geworden um Vesti.ua. Wer die Webseite in den vergangenen Wochen verfolgte, konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, als arbeiteten die Redakteure nur noch mit großer Lustlosigkeit an dem Projekt. Es fanden sich kaum noch eigene Berichte, die neuesten Kommentarartikel datieren vom 1. November und aus dem Sommer. Das Portal schien seine Zähne verloren zu haben. Und so wird das Projekt Vestia.ua wohl ohne viel Aufhebens begraben. Ohne genaue Gründe für die Schließung der Medienholding zu nennen, erinnert diese nun in ihrer Erklärung an die „Schikanen durch Gesetzeshüter, Hausdurchsuchungen, blockierte Büros und zerstörte Geräte, Sendeverbote, Lizenzentzug und Angriffe mit Tränengas“.

Vesti.ua ist nicht die erste regierungskritische Plattform, die vom Markt verschwindet. Am 20. August 2021 war das Portal strana.ua nach einer von Präsident Wolodimir Selenski gebilligten Entscheidung des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats mit Sanktionen belegt worden. Diese verpflichteten die ukrainischen Provider, die Seiten von ­strana.ua landesweit zu blockieren. Als strana.ua unter anderen Adressen, wie strana.news, weiter online erreichbar war, wurden auch diese Adressen blockiert. Im Juli 2022 hatte zudem die „Mediengruppe Ukraina“ des Oligarchen Rinat Achmetow ihre Dienste eingestellt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.