Ausweitung des Gazakriegs: Gefährliche Nebenschauplätze

Der Iran hat am Montag Ziele im Irak angegriffen. Es ist eine Reaktion auf die gezielten israelischen Tötungen im Libanon und Syrien.

Ein Blick auf ein nach Raketenangriffen beschädigtes Gebäude in Erbil, im Hintergrund ist die Stadt zu sehen

Folgen des Angriffs: Ein zerstörtes Gebäude in Erbil im Norden vom Irak am 16. Januar Foto: Azad Lashkari/reuters

BERLIN taz | Irak, Libanon, Jemen: Seit Monaten warnen Be­ob­ach­te­r*in­nen vor einer Regionalisierung des Gazakriegs. Dabei ist die internationale Ausweitung des Konflikts zwischen Israel und der Hamas bereits in vollem Gange – auch wenn sich die Nebenschauplätze in der Region bislang nicht zu offenen Kriegen entwickelt haben.

Zuletzt kriegerisch aktiv geworden ist das islamistische Regime in Iran, dem Mutterland der selbsternannten „Achse des Widerstands“ gegen Israel und seine Verbündeten, zu der etliche paramilitärische Organisationen in der Region zählen. Die iranischen Revolutionsgarden griffen am Montagabend Ziele im Nachbarland Irak an. Bei dem Angriff nahe der Stadt Erbil im kurdischen Norden des Landes sei ein „israelisches Spionagehauptquartier“ des israelischen Geheimdienstes getroffen worden, das nahe einem im Bau befindlichen US-Konsulat liegen soll. Israel bestätigte den Angriff, bei dem nach irakischen Angaben vier Zivilisten getötet wurden, nicht.

Das iranische Regime hat seit 2014 seine Präsenz im Irak über Teheran-treue Milizen unter dem Dachverband der „Volksmobilisierung“ stark ausgebaut. Diese greifen regelmäßig Stellungen des US-Militärs an. Bei dem Beschuss am Montag kamen nach iranischen Angaben ballistische Raketen zum Einsatz, die aus Iran selbst abgefeuert wurden und mehr als 1.200 Kilometer zurücklegten – offenbar ein Signal an Israel, das rund 1.000 Kilometer von der iranischen Grenze entfernt liegt.

Die Revolutionsgarden bezeichneten den Angriff als „Antwort auf die Untaten des zionistischen Regimes“, das „Kommandeure der Revolutionsgarden und der Widerstandsachse gemartert hat“, wie es in einer Erklärung hieß. Israel war vor drei Wochen dazu übergegangen, hochrangige Mitglieder der iranischen Achse gezielt zu töten. In Syrien wurde an Weihnachten ein Kommandeur der Revolutionsgarden durch einen mutmaßlich israelischen Luftangriff getötet. Im neuen Jahr folgte die Tötung des Hamas-Führers Saleh al-Aruri durch eine Kampfdrohne in Beirut sowie zweier hochrangiger Mitglieder der libanesischen Hisbollah.

Die Hisbollah hat auf die Angriffe auf libanesischem Staatsgebiet bislang erstaunlich verhalten reagiert, obwohl ihr Führer Hassan Nasrallah nicht müde wird, Israel und den USA zu drohen, voll in den Krieg einzusteigen. Die Miliz soll über ein größeres Waffenarsenal als die staatliche libanesische Armee verfügen. Sie hält seit dem Hamas-Terror vom 7. Oktober den Konflikt an Israels Nordgrenze am Köcheln, indem sie fast täglich Raketen über die Grenze schießt. Bei Gegenschlägen Israels auf Stellungen im Libanon sind bereits mehr als 150 Menschen getötet worden. Zuletzt teilte die israelische Armee am Dienstag mit, einen Großangriff auf Hisbollah-Stellungen gestartet zu haben.

Aufwind haben unter Irans israelfeindlichen Handlangern in der Region derzeit vor allem die Huthis im Jemen. Die Miliz, die weite Teile des Landes kontrolliert, kann ohne viel Aufwand ihre asymmetrische Kriegsführung gegen Israel und seine Verbündeten perfektionieren, indem sie Handels- und Kriegsschiffe im Roten Meer angreift.

Nach monatelangem Zögern hatte eine von den USA angeführte Koalition am Freitag und Samstag erstmals proaktiv Huthi-Stellungen angegriffen. Es waren die ersten US-Angriffe auf jemenitischem Festland seit Jahren. Dabei ging es offenbar in erster Linie um eine symbolische Reaktion, als darum, die Miliz tatsächlich so stark zu schwächen, dass sie keine weiteren Schiffe angreifen kann. Jedenfalls feuerten die Huthis am Sonntag und Montag erneut Geschosse auf Schiffe ab. Am Montag traf eine Rakete einen US-Frachter. Am Vortag war das US-Kriegsschiff „USS Laboon“ angegriffen worden.

Die Huthis nutzen Israels Krieg gegen die Hamas, bei dem Tausende Zi­vi­lis­t*in­nen in Gaza getötet worden sind, um an Popularität innerhalb Jemens und darüber hinaus zu gewinnen. Sie geben sich als Verteidiger Palästinas aus und haben angekündigt, ihre Angriffe so lange fortzusetzen, bis Israel den Gaza­krieg beendet.

Die USA und andere Staaten, die mit Kriegsschiffen im Roten Meer präsent waren, hatten monatelang äußerst defensiv gehandelt und sich darauf beschränkt, Angriffe abzuwehren. Mit den anhaltenden Angriffen wurde der Druck zu reagieren aber offenbar zu groß. Die Hürde, die Huthis selbst anzugreifen, war aus zwei Gründen hoch. Zum einen steht außer Frage, dass begrenzte Luftangriffe die Huthis nicht wirklich schwächen. Saudi-Arabien hatte seit 2015 einen jahrelangen Krieg gegen die Huthis geführt, ohne diese in die Knie zu zwingen.

„Hass auf USA ist beispiellos“

Zum anderen ist der politische Preis hoch: Ana­lys­t*in­nen gehen davon aus, dass die US-Angriffe die Gruppe stärken. „Der Hass und die Wut in der Region auf die USA wegen ihrer Unterstützung von Israels Angriff auf den Gazastreifen sind beispiellos“, schreibt die Analystin Maysaa Shuja al-Deen vom Sana’a Center for Strategic Studies in Beirut. „Eine direkte Militäraktion gegen die Huthis wird ihre Popularität steigern und ihnen mehr Einfluss verschaffen.“ Die Angriffe ließen sich propagandistisch ausschlachten und würden den Huthis neue Legitimität verleihen, nachdem die Opposition gegen die Gruppe zuletzt zugenommen habe.

Im Jahr 2022 hatte eine Waffenruhe zu einem Ende der Angriffe durch Saudi-Arabien geführt. Friedensgespräche zwischen Saudi-Arabien und den Huthis laufen; ihr Ausgang ist nach den jüngsten Entwicklungen jedoch ungewiss. Die US-Angriffe seien ein „Hindernis für die Beendigung des Krieges und verschieben eine Vereinbarung über einen dauerhaften Waffenstillstand auf unbestimmte Zeit“, schreibt al-Deen.

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