Angelique Kerber bei den Australian Open: Zwischen Kind und Court

Tennisstar Kerber feiert in Melbourne ihr Grand-Slam-Comeback – und verliert direkt in der ersten Runde gegen die Amerikanerin Danielle Collins.

die deutsche Tennisspielerin Kerber beim Rückhand-Schlag

Angelique Kerber am Dienstag in Melbourne Foto: Alessandra Tarantino/dpa/ap

Angelique Kerber liebt die Australian Open normalerweise wie kein zweites Turnier. Deutschlands ehemals beste Tennissppielerin gewann 2016 ihr erstes von drei Grand-Slam-Turnieren in Melbourne. Damals schlug sie die große Serena Williams im Endspiel.

Letztere hat 2022 ihre Karriere beendet und ist mittlerweile zweifache Mutter. Und zudem noch eine äußerst erfolgreiche Geschäftsfrau. Auch Kerber ist im vergangenen Jahr Ende Februar erstmals Mutter geworden. Anderthalb Jahre war sie raus aus dem Tennisbusiness. Jetzt spielt sie wieder. Die Karriere nach der Karriere hat bei ihr noch Zeit. Denn ihr Ehrgeiz, es auf dem Tennisplatz sich selbst noch einmal zu beweisen und vielleicht sogar in alte spielerische Sphären zurückzukehren, ist ungebrochen.

Aber wie gut kann eine sein, die so lange nicht auf dem Court stand und jetzt als Mama einer Tochter zurückkehrt? „Ich bin vorbereitet und fit genug, um mir die beste Chance zu ­geben, wieder auf das Level zu kommen, auf dem ich aufgehört habe“, sagte Kerber vor ein paar Wochen und fügte hinzu: „Ich muss mir aber auch Zeit geben. Ich habe jetzt eineinhalb Jahre kein Match mehr gespielt.“ Ihr letztes offizielle Match vor ihrem Comeback bestritt sie tatsächlich im Sommer 2022; bei ihrem Drittrunden-Aus in Wimbledon.

Was soll man sagen? Bei ihrer Niederlage gegen Danielle Collins am Dienstag in der ersten Runde beim Turnier in Melbourne konnte man gut beobachten, dass Kerbers letztes Match schon länger her ist. 2:6, 6:3, 1:6 unterlag sie der Finalistin von 2022 in 1:52 Stunden. Bei Temperaturen um die 30 Grad quälte sich die Deutsche, die in wenigen Tagen 36 Jahre alt wird, phasenweise über den glutheißen Court in der stimmungsvollen „1573“-Arena. „Es war nicht das beste Tennis, was ich hätte spielen können“, sagte Kerber hinterher sichtlich mitgenommen.

Bissige Gegnerin

Fast über die gesamte Spieldauer hatte sie Probleme mit dem ersten Aufschlag. Die Linkshänderin machte nur 53 Prozent der Punkte bei ihrem ersten Aufschlag, beim zweiten waren es 32. Und auch die beim Tennis so wichtigen „Winner“ blieben weitestgehend aus: Kerber schlug nur 13 Gewinnschläge. Collins, diese bissige und schlaggewaltige Amerikanerin, dagegen 46. Ihre Gegnerin sei aggressiver gewesen, vor allem bei den Returns, sagte Kerber nach dem Match.

Sicher, vieles lag an der guten Collins, aber es wurde eben auch offensichtlich, was Kerber fehlte: die nötige Matchpraxis. Sie braucht Spiele, um einschätzen zu können, wo sie wirklich steht. Sie muss erst wieder lernen, „über das Netz zu schauen“ – wie Tennisprofis es gerne sagen. Ihr Ballgefühl ist ihr nicht abhandengekommen. Das wurde auch gegen Collins ab und an deutlich. Es geht vielmehr um Details wie die Hand-Auge-Koordination und das richtige Timing bei den Grundschlägen. Und es geht auch um die Fitness und Wettkampfhärte.

Bei Tennisprofis spiegelt sich beides immer gut in der Beinarbeit wider. Bei Kerber konnte man vor allem im dritten Satz sehen, dass sie konditionell noch nicht wieder voll auf der Höhe ist. „Ich brauche Zeit. Ich weiß, dass ich geduldig sein muss“, sagte sie. Aber es gibt auch etwas Positives, das Kerber nach ihrem Ausscheiden mit nach Hause nimmt. Das hat etwas mit ihrer kleinen Tochter Liana zu tun.

Kerber hat den „Switch im Kopf“ geschafft

Eine, die Kerber gut kennt, ist Andrea Petković. Die ehemalige deutsche Weltklassespielern hat 2022 bei den US Open ihre Karriere beendet. Mit Kerber hat sie regelmäßig Kontakt. Sie hätten sich vor Kurzem darüber ausgetauscht, wie leicht es doch sei, ohne den Druck des absoluten Gewinnenmüssens auf dem Platz zu stehen und Bälle zu schlagen. Denn es gebe ja jetzt das Kind, das sei die größte Freude überhaupt.

Petković verriet, dass Kerber jetzt vieles klarer sehe und sie eine gewisse Lockerheit zwischen den Schultern spüre. Es sei ein anderes Spiel. Das habe ihr Kerber auch am Rande der Australian Open wieder bestätigt. Weswegen es für die Deutsche jetzt, nach der Rückkehr auf die große Bühne, oberstes Ziel sei, diesen „Gemütszustand aus der druckfreien Zeit zu erhalten“.

Kerber hat den „Switch im Kopf“ geschafft, sie ist zurück auf der Tour und spielt Grand-Slam-Tennis. Nebenbei sorgt sie vollumfänglich für ein kleines Kind. Eine größere Leistung gibt es eigentlich nicht. Jetzt muss sie nur noch ein bisschen länger und vor allem öfter auf dem Tennisplatz stehen.

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