Syrische Kurdengebiete: Erdoğan droht, Truppen zu schicken

Seit Wochen bombardiert die türkische Luftwaffe kurdische Stellungen in Irak und Syrien. Nun erwägt Ankara, erneut in Nordsyrien einzumarschieren.

Aufsteigende Rauchwolken am Horizont.

Die Türkei greift wieder Ziele in Irak und Syrien an, hier eine Archivaufnahme aus 2022 von der türkisch-syrischen Grenze Foto: Adsiz Gunebakan/Anadolu Agency/picture alliance

ISTANBUL taz | Der türkische Präsident droht mit einem neuerlichen Einmarsch in Nordsyrien. Im Anschluss an eine Kabinettssitzung, auf der Konsequenzen aus Angriffen der kurdischen Arbeiterpartei PKK auf türkische Stellungen im Nordirak diskutiert wurden, sagte Recep Tayyip Erdoğan, die Türkei werde ihre Einsätze gegen die PKK im Nordirak und Nordsyrien ausweiten. Er beklagte, dass sowohl Russland als auch die USA ihr Versprechen nicht eingehalten hätten, die syrische Kurdenmiliz YPG 30 Kilometer weit von der türkischen Grenze entfernt zu halten.

Aus türkischer Sicht ist die YPG Teil der PKK. Deshalb will Erdoğan schon länger eine Pufferzone entlang der Grenze auf syrischem Staatsgebiet östlich des Euphrats errichten, in der die YPG nicht präsent ist. Solange die Welt mit dem Gaza­krieg und seiner Ausweitung beschäftigt ist, scheint Erdoğan und der türkischen Militärführung offenbar der Zeitpunkt günstig, ihren Plan umzusetzen.

„Wenn Russland und die USA ihre Versprechen nicht einhalten, müssen wir uns selbst darum kümmern“, sagte Erdoğan. Im türkischen Parlament unterstützt auch die Opposition – mit Ausnahme der kurdischen DEM (der früheren HDP) – eine Ausweitung des Kampfes gegen die PKK. In der ersten Sitzung nach dem Jahreswechsel wurde eine Resolution verabschiedet, die die PKK-Angriffe auf türkische Soldaten verurteilt und Gegenmaßnahmen fordert.

Anlass der Debatte sind zwei Angriffe auf Stellungen der türkischen Armee im Nordirak innerhalb von drei Wochen, bei denen zunächst zwölf und am vergangenen Wochenende neun weitere Soldaten getötet wurden. Um die PKK zurückzudrängen und Anschläge in der Türkei zu verhindern, hat die Armee auf der irakischen Seite mittlerweile rund 100 größere und kleinere Stellungen eingerichtet, von denen aus sie die PKK nun angreift. Von ehemaligen Militärs in der Türkei wird die Dauerpräsenz der Armee jenseits der Grenze kritisiert. Der pensionierte General Osman Pamukoğlu sagte, stationäre Posten auf irakischer Seite bedeuteten, „du wirst beobachtet und in schwachen Momenten überfallen“.

Dörfer in Syrien ohne Strom

Die PKK verfügt angeblich über US-Waffen, die ursprünglich an die YPG geliefert, von dieser dann aber an die PKK im Nordirak weitergeben wurden. Das ist einer der Gründe, warum die Türkei nicht nur vermeintliche oder tatsächliche PKK-Stellungen im Nordirak angegriffen hat, sondern auch die kurdischen Gebiete in Syrien bombardiert.

Vertreter der kurdischen Selbstverwaltung, die den Nordwesten Syriens kontrolliert, haben beklagt, dass dadurch wichtige Teile der Elektrizitätsinfrastruktur zerstört worden seien, weshalb in weiten Teilen des Landes der Strom ausgefallen sei. Weil die Wasserpumpen nicht mehr betrieben werden könnten, reiche das Trinkwasser nicht aus. Laut Selbstverwaltung sind seit Samstag 60 Standorte in Nordsyrien angegriffen worden, angeblich hauptsächlich Elektrizitätswerke und Weizenspeicher. Mehr als tausend Orte hätten keinen Strom mehr.

Sollte die Türkei nach mehreren Militärinterventionen seit 2016 erneut in Nordsyrien einmarschieren, dürfte das für die Zivilbevölkerung katastrophal werden. Die Frage ist nun, wie die USA sich positionieren. Die YPG ist mit den US-Truppen in Syrien verbündet, seit sie gemeinsam den „Islamischen Staat“ (IS) bekämpft haben. Im Moment sind noch rund 900 US-Soldaten in Syrien stationiert. Die USA haben deshalb ein Interesse daran, dass der Konflikt zwischen der Türkei und der YPG nicht eskaliert.

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