SPD Berlin: Saleh braucht eine Neue

Für die künftige SPD-Landesspitze gibt es inoffiziell schon drei Kandidatenduos. Auch Raed Saleh tritt wieder an – diesmal aber ohne Franziska Giffey.

Das Bild zeigt, wie SPD-Fraktionschef Raed Saleh (SPD) aus einem Fenster des Abgeodnetenhauses blickt

Fraktionschef Raed Saleh geht mit den SPD-Abgeordneten in Klausur und bastelt zugleich an seiner Wiederwahl als Parteivorsitzender Foto: Doro Zinn

BERLIN taz | Vier Regierende Bürgermeister, multiple Krisen und mindestens einen Putschversuch: Raed Saleh hat in seinen 12 Jahren als Berliner SPD-Fraktionschef zu viel erlebt, als dass ihn die jüngsten Erschütterungen in seiner Partei aus der Fassung bringen könnten. Wenn seine 34-köpfige Abgeordnetenhausfraktion ab Freitag in Leipzig in Klausur geht, ist das dennoch eine besondere Herausforderung für ihn. Denn das Treffen ist eine wichtige Wegmarke Richtung Landesparteitag im Mai, wo es um Salehs zweiten Chefposten geht: den SPD-Landesvorsitz.

Gerade mal 34 war Saleh, als er Ende 2011 als Fraktionschef ins Amt kam. Sein langjähriger Vorgänger Michael Müller war zuvor Senator geworden, der Posten also neu zu besetzen. Dass die Fraktion ihn wählte, passte dem damaligen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit nicht sonderlich – kurz zuvor hatte Saleh noch als einfacher Abgeordneter den vom Senat angestrebten Verkauf der landeseigenen „Bad Bank“ BIH verhindert. Mittlerweile ist er bundesweit länger im Amt als alle anderen SPD-Landtagsfraktionschefs. Und daran änderte auch nichts, dass er zwischenzeitlich SPD-intern damit scheiterte, selbst Regierender Bürgermeister werden zu wollen.

Offiziell ist die SPD derzeit inklusive Salehs nun nach Leipzig fahrender Fraktion im Bundestagswahlkampf, weil am 11. Februar jene Teilwiederholungswahl ansteht, die das Bundesverfassungsgericht kurz vor Weihnachten angeordnet hat. Inoffiziell aber geht es längst um eine ganze andere, parteiinterne Wahl, nämlich um den künftigen Landesvorsitz.

Denn das miserable Abschneiden bei der Abgeordnetenhauswahl vor fast einem Jahr hat in der Hauptstadt-SPD viel ins Rollen gebracht. Bloße 54 Stimmen weniger und die Sozialdemokraten wären hinter CDU und Grünen erstmals in ihrer Geschichte in Berlin nur drittstärkste Kraft geworden. Mit viel Mühe konnte Saleh mit seiner Co-Vorsitzenden Franziska Giffey bei einem Mitgliederentscheid einer knappen Mehrheit ein Ja zur schwarz-roten Koalition abringen.

Die SPD ist in Umfragen auf Talfahrt

Dass das neue Bündnis seither relativ streitfrei arbeitet, beendete das Rumoren in der SPD nicht, zumal die in Umfragen weiter auf Talfahrt ist. Viele – allen voran die Jusos, die sich am lautesten gegen Schwarz-Rot gewehrt hatten – drängten auf einen kompletten Rückzug von Saleh und Giffey. Angetrieben vom Nachwuchsverband beschloss ein Parteitag, dass nur einer oder eine in der SPD-Doppelspitze zugleich Senatsmitglied oder Fraktionschef sein darf.

Das hieß: Falls sie im Amt bleiben wollten, hätten sich Saleh und Giffey – nicht mehr Regierungschefin, aber Wirtschaftssenatorin – neue Partner suchen und dann bei der Neuwahl im Mai 2024 gegeneinander antreten müssen. Über Weihnachten offenbar machte sich Giffey klar, dass sie dabei weit weniger Chancen hätte als der bis in den letzten SPD-Ortsverein vernetzte Saleh – der sich ja nicht umsonst seit 12 Jahren als Fraktionschef hält. Anfang Januar kündigte sie an, nicht erneut zu kandidieren.

Womit der Weg aber längst nicht frei ist für Saleh. Auch wenn die Bewerbungen offiziell erst nach der Bundestagswahl anlaufen sollen, haben sich nach übereinstimmenden Medienberichten bereits drei Kandidatenpaare gebildet. Das erinnert an den Wettstreit um den SPD-Bundesvorsitz 2019, als sich sechs Paare einer Mitgliederbefragung stellten und dazu vorher durch Deutschland tourten. Wobei derzeit offen ist, ob die Entscheidung über das Siegerduo letztlich die Parteitagsdelegierten treffen werden oder wie bei der Koalitionsfrage alle Mitglieder mitstimmen können.

Saleh, der jüngst im taz-Interview auch auf mehrfaches Nachfragen nicht mal bestätigen wollte, dass er überhaupt wieder kandidiert, will es den Berichten zufolge mit Luise Lehmann versuchen. Die ist mit 26 Jahren sehr viel jünger als er und in Marzahn-Hellersdorf zu Hause. Das könnte Saleh, neben allen anderen Ämtern auch noch SPD-Kreischef in Spandau, Sympathien bei Jüngeren und den Ost-Kreisverbänden einbringen.

In Leipzig Besuch vom CDU-Finanzsenator

Versuchen wollen es dem Vernehmen nach auch der bisherige Vize-Landeschef Kian Niroomand mit der Co-Vorsitzenden der Berliner SPD-Frauen, Jana Bartels. Niroomand ist zwar als Kreischef von Charlottenburg-Wilmersdorf durchaus längst etablierter Funktionär, war aber 2023 in der Führungsriege einer der wenigen, die sich gegen Schwarz-Rot aussprachen.

Das dritte Paar bilden zwei, die eher dem rechten SPD-Flügel zugeordnet werden: Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel und Ex-Sportstaatssekretärin Nicola Böcker-Giannini. Letztere war erst im Oktober von SPD-Senatorin Iris Spranger entlassen worden – was im Falle ihrer Wahl das Verhältnis zum Senat belasten könnte. Grundsätzlich wird viel diskutiert, ob es Saleh mittelfristig auch den Fraktionsvorsitz kostet, falls er im Mai nicht Parteichef bleibt.

All das bildet den Hintergrund, wenn es von Freitag bis Sonntag in Leipzig laut Tagesordnung um ganz andere Fragen gehen soll: um gesellschaftlichen Zusammenhalt, aber auch um Spardruck im Landeshaushalt. Freitagnachmittag soll dazu Finanzsenator Stefan Evers vom Koalitionspartner CDU Gast der SPD-Fraktion sein. Die hat seine generellen Kürzungsvorgaben für alle Senatsressorts kritisiert und stattdessen eine Priorisierung gefordert. Als die taz Evers am Dienstag auf seinen Besuch in Leipzig ansprach, sagte der: Man müsse auch dorthin gehen, wo es wehtut.

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