GDL-Streik: Stau und Stille

Ber­li­ne­r:in­nen sind es schon gewohnt: Streiks legen die Stadt lahm. Die aktuelle Arbeitsniederlegung könnte aber zu Versorgungsengpässen führen.

Ein leerer Bahnhof

Sechs Tage kann der Berliner Hauptbahnhof nun Ruhe genießen Foto: Christoph Soeder, dpa

BERLIN taz | In Bussen stehen sie aneinandergedrängt wie Sardinen in der Büchse. Sardinen, die stromaufwärts schwimmen. Pendler:innen, die sich durch eine gelähmte Hauptstadt kämpfen. Am Hauptbahnhof, am Gesundbrunnen, am Ostkreuz sind die Gleise dagegen leer. An den Knotenpunkten des Berliner S-Bahn-Verkehrs ist es in dieser Woche stiller als in der Kirche. Auf den Anzeigetafeln steht dort „Auf dieser Station zzt. kein Zugverkehr“. Pend­le­r:in­nen müssen von der S-Bahn auf U-Bahn, Tram und Bus umsteigen. Am besten bleibt man aber einfach zu Hause, denn selbst die BVG, die nicht von der GDL-Arbeitsniederlegung betroffen ist, rechnet mit längeren Wartezeiten und volleren Fahrzeugen.

Zum Glück wird die BVG noch nicht bestreikt. Das kann sich aber noch ändern: Seit Mittwoch verhandeln auch die Berliner Verkehrsbetriebe mit der Gewerkschaft Verdi. Ein gleichzeitiger Streik von GDL und Verdi ist in dieser Woche nicht zu erwarten. Er könnte aber in Zukunft möglich sein: „So etwas sollte man nie ausschließen“, sagte Verdi-Sekretär Jeremy Lange der Berliner Zeitung.

Inzwischen ganz normal für Berliner:innen. Zumindest in letzter Zeit häufen sich die Warnungen vor Verkehrsbeeinträchtigungen. Wenn es nicht die Lok­füh­re­r:in­nen sind, dann sind es die Bäuer:innen. Der Unterschied dieses Mal? Es ist der längste Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn. Die Gewerkschaft GDL ruft ihre Mitglieder dazu auf, die Arbeit für sechs Tage niederzulegen.

Der längste Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn

Das könnte nicht nur für Berliner Pend­le­r:in­nen zu Problemen führen. Der Westhafen ist eines der wichtigsten Logistikzentren für den Schienengüterverkehr in der Hauptstadt. Hier kommen viele Elektronikgüter an; er hat auch ein großes Tanklager. „Der Westhafen spielt eine sehr große Rolle für die Versorgung der Hauptstadt“, sagt die Geschäftsführerin der Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH (Behala), Petra Cardinal, der taz.

In der Vergangenheit hätten die kurzen Streiks keine Auswirkungen auf den Betrieb, sagt Cardinal. „Wenn allerdings sechs Tage lang kein Zug fährt, kann der Schaden in die Zehntausende Euro gehen.“ Zwar fährt kein Zug von DB Cargo den Westhafen in Berlin an. Probleme können aber auch schon früher in der Logistikkette auftreten: zum Beispiel, wenn die Fahrdienstleiter streiken. Ohne deren Mitwirkung fährt kein Zug – in Karlsruhe wurde deshalb schon der Hauptbahnhof lahmgelegt. „Wenn die anderen nicht durchkommen, weil das Netz irritiert ist, bekommen wir das auch zu spüren“, sagt Behala-Geschäftsführerin Cardinal.

Nach Angaben des Vereins Die Güterbahnen hat DB-Cargo einen Marktanteil von 40 Prozent. Der Rest der Güterzüge werde wie gewohnt nach Berlin fahren. „Im Schienengüterverkehr werden überwiegend keine zeitkritischen Waren (die keiner Kühlkette unterliegen – Anm. d. Red.) transportiert“, sagt Geschäftsführer von Die Güterbahnen, Peter Westenberger, der taz. Der Verein vertritt über 100 private, regionale und internationale Unternehmen mit Bezug zum Schienengüterverkehr. „Solange die DB InfraGO ihrer Verantwortung nachkommt, für den Weiterbetrieb wichtige In­frastruktur (beispielsweise Stellwerke) mit ausreichend Personal zu besetzen, sind Lieferketten nicht in Gefahr.“

Wenn es auf der wichtigen Strecke vom Hamburger Hafen zum Stau kommt, könnte sich das schnell auf Betriebe in Berlin und Brandenburg auswirken. Deshalb befürchtet auch die Geschäftsführung des Stahlwerks von ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt Produktionsengpässe. Wie der RBB berichtet, kommen normalerweise täglich drei Erzzüge aus dem Hamburger Hafen an. „Beim letzten Streik konnte die DB gerade so einen Zug pro Tag abdecken. Schön sind eigentlich drei“, sagte der Geschäftsführer der ArcelorMittal Transport GmbH, Stefan Nemack, dem TV-Sender. „Jetzt müssen wir gucken, ob wir mit unserer Hilfe wenigstens zwei abgebildet bekommen.“

Die ungewöhnliche Länge des Streiks könnte auch in Eisenhüttenstadt zu Problemen führen. Während des letzten Streiks, der nur vier Tage dauerte, musste das Stahlwerk schon auf Erzvorräte zurückgreifen. Die Geschäftsführung suche daher nach anderen Lösungen, um die benötigten Rohstoffe ins Werk zu bekommen.

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