Deutsche Handballer im EM-Halbfinale: Auf das Wunder hoffen

Deutschland erreicht trotz schwankender Turnierleistungen das EM-Halbfinale. Gegen Dänemark ist nun eine spektakuläre Vorstellung erforderlich.

Bundestrainer Gislason im Kreis seiner Spieler bei einer Besprechung

Gefordert: Bundestrainer Alfred Gislason muss sein Team auf den Turnierfavoriten einstellen Foto: Foto: Pixsell/imago

Vergleiche mit 2016 sind gerade ziemlich unbeliebt im deutschen Team. Damals hatte sich die Handball-Nationalmannschaft nach einer Niederlage gegen Spanien und einem hohen Halbzeitrückstand gegen Schweden in den Gruppenspielen schon fast aus dem Turnier katapultiert, ehe ein hart erkämpfter Sieg gegen die Skandinavier die Basis für alles weitere schuf. Unter Bundestrainer Dagur Sigurdsson gewannen die Deutschen erst überzeugend, dann dramatisch knapp, schlugen einen Favoriten nach dem nächsten und am Ende Spanien im Finale: 24:17. Der letzte große Titel für den DHB war der Erfolg eines Außenseiters.

Als solcher startet die Nationalmannschaft auch an diesem Freitagabend gegen Weltmeister Dänemark. Die Welle, die die aktuelle Nationalmannschaft anfangs schon durchs Heimturnier getragen hatte, ebbte zwischendurch komplett ab. Das war vor acht Jahren ganz anders. Und deswegen ist der Vergleich ziemlich schief.

„Die Ähnlichkeit ist, dass wir wieder im Halbfinale stehen“, sagte am Donnerstagvormittag Rune Dahmke, der Kieler, der auch damals dabei war. Dahmke ist zu clever, als dass er nun die Unterschiede zwischen den Mannschaften aufzählen würde. Den Beweis verlässlicher Klasse ist der DHB-Jahrgang 2024 in diesem Turnier nämlich schuldig geblieben: Niemals zuvor hat ein Team mit nur fünf Punkten in der Hauptrunde einer EM die Runde der besten und letzten Vier erreicht.

Es gehörte viel Glück dazu, die Deutschen dort hinzuspülen. Aber eben auch zwei Energieleistungen, bei denen der Sieg gegen Island und das am Ende wichtige Remis gegen Österreich heraussprangen.

Am Mittwochabend war schon vor dem deutschen Spiel gegen Kroatien klar, dass sich der große Traum des DHB erfüllen würde. Österreich hatte verloren, dann Ungarn – Deutschland stand als Halbfinalteilnehmer fest. Aus dem erhofften Rückenwind wurde aber nichts, weil Bundestrainer Alfred Gislasons Team beim 24:30 (14:13) ziemlich baden ging.

Haarsträubende Ausbeute

Gislason hatte fast alle Spieler ausprobiert, aber wenig von ihnen gesehen. Weder die bisher kaum Eingesetzten noch die Arrivierten konnten in diesem Spiel alles aus sich herausholen. Die haarsträubende Ausbeute im Angriff – 23 Fehlwürfe – schlug ihm auf den Magen: „So haben wir gegen die Dänen natürlich gar keine Chance. Wir müssen unser bestes Spiel in Jahrzehnten machen.“

Dass das nun ausgerechnet gegen Dänemark gelingen kann, ist unwahrscheinlich. Der Faktor Fans dürfte am Weltmeister abprallen; bei der offiziellen Pressekonferenz am Donnerstag in Köln hoben Spieler und Trainer hervor, wie sehr sie sich freuten, gegen den Gastgeber vor 20.000 Menschen anzutreten. Die Dänen sind mit ihren vielen Enddreißigern so erfahren, dass sie Pfiffe sicher nicht aus der Reserve locken werden. Trainer Nikolaj Jacobsen sagte: „Wenn wir gut spielen, dann sind wir nicht so einfach zu schlagen.“ Besser kann man das dänische Selbstvertrauen nicht zusammenfassen.

Es ist eine Mischung aus jung und alt, abwehrstark und angriffsfreudig, trickreich und solide, die auf die Deutschen wartet. Einen echten Schwachpunkt kann man kaum ausmachen; vielleicht ist der Rückzug der Dänen nach Ballverlusten nicht immer geordnet und schnell genug. Aber selbst dann steht da ja mit Niklas Landin und Emil Nielsen eines der weltbesten Torhüter-Duos. Es ist längst ein geflügelter Satz im Spitzenhandball, dass auch die dänische B- oder C-Auswahl bei großen Turnieren vorn dabei wäre. So konnte es sich Jacobsen leisten, den Flensburger Torwart Kevin Möller daheim zu lassen. Oder den Berliner Rückraumschützen Lasse Andersson, einen der auffälligsten Akteure der abgelaufenen Bundesliga-Hinrunde.

Die deutsche Parallele zu 2016 gibt es allerdings doch. Damals ging Andreas Wolffs Stern im deutschen Tor auf. Als Keeper Nummer drei angereist, wurde Wolff in Polen zum kommenden Mann. Dieses Versprechen hat er eingelöst. Es wäre ungerecht, das deutsche Spiel allein auf ihn zu reduzieren. Aber nur mit einem überragenden Andreas Wolff werden die Deutschen am Freitagabend in Köln etwas gegen Dänemark ausrichten können. Falls nicht, wartet immer noch ein relevantes Spiel auf den DHB: Wer das Bronzematch am Sonntagnachmittag gewinnt, sichert sich einen direkten Platz bei den Olympischen Spielen in Paris.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.