Linken-Abgeordnete über den Fall Maaßen: „Er hatte eine Schutzfunktion“

Martina Renner fordert einen Untersuchungsausschuss. Um zu klären, ob der Ex-Verfassungsschutzchef im Amt persönliche Ziele verfolgte.

Hans Georg Maaßen geht eine Treppe hoch.

Der Ex-Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz Hans-Georg Maassen Foto: Funke Foto Services/imago

taz: Frau Renner, das Bundesamt für Verfassungsschutz, kurz BfV, führt seinen ehemaligen Präsidenten, Hans-Georg Maaßen, als Rechtsextremisten. Sie als Innenpolitikerin kennen Maaßen schon lange. Hat Sie seine Entwicklung überrascht?

Martina Renner: Dass Maaßen ein Antidemokrat ist und nicht nur mit dem Parlament, sondern auch mit der Verfassung auf Kriegsfuß steht, das hat man schon während seiner Amtszeit spüren können. Manchmal direkt durch Aussagen, etwa wenn er über den Bundestag sagte, hier sitzen nur die, die sonst nichts auf die Kette bekommen haben. Das ist eine Verächtlichmachung des Parlaments. Und manchmal indirekt, wie er insbesondere gegenüber Parlamentariern agiert hat. Ich bin ihm ja nicht nur im Innenausschuss, sondern auch in Untersuchungsausschüssen begegnet.

Martina Renner

57, ist seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages. Vor Auflösung der Fraktion Die Linke war sie deren Sprecherin für antifaschistische Politik.

Antidemokrat ist ein schwerer Vorwurf. Wie begründen Sie das während seiner Amtszeit?

Es gibt genug Indizien, dass ­Maaßen als BfV-Präsident nicht zuerst die ­Aufgaben des Amtes, die Demokratie zu schützen, verfolgt hat, sondern ­eigene politische Ziele. Nehmen Sie etwa die Treffen mit der damaligen AfD-Chefin Frauke Petry, die möglicherweise darauf gezielt haben, die Partei vor einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu schützen. Es gab ja schon während seiner Amtszeit Bestrebungen, den Blick auch auf die AfD zu richten, das hat er intern unterbunden. Da hatte er eine Schutzfunktion. Gab es die auch gegenüber der Identitären Bewegung? Gegenüber rechten Burschenschaften? Wir wissen ja heute, wie gut vernetzt er in diesem Umfeld ist. Das muss geklärt werden. Deshalb bin ich dafür, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzusetzen.

Was genau sollte der tun?

Die erste Frage eines Untersuchungsausschusses müsste sein: Wie konnte Maaßen überhaupt ins Amt kommen und stimmt die Erzählung von damals überhaupt?

Maaßen wurde 2012 von CSU-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich berufen und sollte, so irre das heute klingt, das Amt nach seinem Versagen beim NSU besser aufstellen.

Es hieß, er sollte aufräumen. Aber vielleicht ist diese Erzählung grundfalsch. Vielleicht gab es das gegenteilige Ziel: Dass die Rolle des BfV in diesem Komplex eben genau nicht öffentlich wird. Für die Untersuchungsausschüsse jedenfalls war es am schwersten, ins BfV zu schauen, dort zu klären, was wusste man über den NSU, was wusste man über das Unterstützerumfeld, wie viele V-Leute hatte das Amt in diesem Kreis und so weiter. Vielleicht ist Maaßen ja ganz gezielt dahin gesetzt worden.

Das ist ein schwerwiegender Verdacht, welche Hinweise darauf haben Sie?

Dass es beim BfV fast unmöglich war, V-Mann-Führer zu vernehmen, dass plötzlich, wie im Fall Corelli (2014 gestorbener V-Mann des BfV, d. Red.), im Tresor eine DVD mit dem Titel „NSDAP/NSU“ auftauchte, dass das BfV lange versucht hat, die Schredderaktion von Lothar Lingen (Tarnname eines ehemaligen BfV-Referatsleiters, d. Red.) als nicht planvoll darzustellen. Da gibt es einfach eine ganze Menge.

Die Gegenthese ist, dass Maaßen damals sehr konservativ war, die ­Radikalisierung aber danach stattgefunden hat. Halten Sie das für abwegig?

Das hat sich potenziert, seit er nicht mehr im Amt ist. Er agiert offener, härter und entschiedener, er hat sich relativ schnell auch in rechten sogenannten Alternativmedien zu Wort gemeldet. Aber diese Grundhaltung, diese Gefahr in seiner Person, die war schon vorher spürbar. Erinnern Sie sich an die Geschichte in Chemnitz, wo er rassistische Hetzjagden auf Menschen geleugnet hat. Da zeigte sich ja, dass er eine eigene Agenda fährt, das war ja nicht Regierungsmeinung.

Haben Sie Signale von anderen Fraktionen, dass diese bereit wären, Ihre Forderung nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu unterstützen?

Bei SPD und CDU dürfte das aus parteipolitischem Kalkül schwierig werden, weil sie selbst in Verantwortung waren. Bei FDP und Grüne sieht das anders aus. Die könnten da eigentlich ohne parteipolitische Hintergedanken agieren. Und ich muss sagen: Ich erwarte von einem Parlament in einer solchen Situation, dass es Aufklärung verlangt. All diejenigen, die sich seit Jahren um Aufklärung bei Rechtsterror bemühen und Sorge mit Blick auf die AfD haben, muss das umtreiben.

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