„Das ist ein enormer Druck“

Anonym, 36, Erzieherin in einer Krippe im Allgäu

Normalerweise besteht eine Gruppe aus zwölf Kindern und drei bis vier Erzieher*innen. Ich bin seit mehreren Monaten die einzige Vollzeitkraft. Eine weitere Kollegin ist drei Tage die Woche bis mittags da. Ich trage die komplette Verantwortung für die Kinder und die Organisation in der Gruppe. Das ist ein enormer Druck, denn die Kleinen sind alle auf mich fixiert. Wenn ich den Raum verlasse, dann stehen zwei, drei Kinder an der Scheibe zum Gang und weinen.

Ich arbeite seit zehn Jahren als ausgebildete Erzieherin in der selben Kita. Seit neun Jahren bin ich in der Krippe, wo wir besonders kleine Kinder betreuen. Von 8 Uhr bis 15.30 Uhr sind sie bei uns. Es gibt Frühstück, Mittagessen und eine Brotzeit am Nachmittag, die ich vorbereite. Dazwischen haben die Kinder freie Zeit zum spielen, ich wechsle Windeln, lege die Kinder zum Mittagsschlaf hin, ziehe sie danach um. Die Organisationsaufgaben, wie Elterngespräche oder die Portfolios, die die Fortschritte der Kinder zeigen, bleiben oftmals liegen.

Manchmal mache ich Überstunden am Samstag für das Organisatorische, vorausgesetzt, ich finde einen Babysitter für meine eigenen zwei Kinder.

Seit September schreiben wir Stellen für meine Gruppe aus, drei Personen haben sich beworben. Eine hat sich für eine andere Kita entschieden, die anderen beiden haben pädagogisch nicht gepasst. Mir ist es wichtig, dass die Kinder in guten Händen sind.

Wenn genug Personal da wäre, würde ich gern die Gruppe aufteilen und mich konzentriert um die Größeren kümmern. Ich würde mit ihnen spielen oder ein Buch vorlesen, um danach über die Geschichte zu reden. Wir könnten besser an motorischen Fähigkeiten arbeiten, mal in Ruhe Formen aus Papier ausschneiden, ohne dass ein kleines Kind dazwischen geht. In der Realität freue ich mich, wenn ich den Tag überlebe.

Seit meiner zweiten Erziehungspause während der Pandemie hat sich die Lage bei uns in der Kita verschlimmert. Ich rede immer häufiger mit Kolleginnen, die zu Bosch gehen und lieber Schichtarbeit am Band machen, weil es besser bezahlt ist. Ich liebe meinen Job und gehe gern zur Arbeit, aber ob ich meinem 17-jährigen Ich nochmal dazu raten würde, weiß ich nicht.

Protokoll: Anastasia Zejneli