taz-Thema der Woche

Was zu ihren (Un-)Gunsten spricht: die Piratenpartei

■ betr.: „Angreifen, bis die Blase platzt“, taz vom 16. 4. 12

Anstatt über den Aufstieg der Piraten zu jammern, sollten Grüne und SPD lieber mal nachdenken, woran es bei ihrer Politik hapert. Schließlich hatten die WählerInnen in der letzten Zeit immer mehr den Eindruck, von einer großen Koalition regiert zu werden, von einer nennenswerten Opposition war (fast) nichts zu vernehmen; ganz gleich ob es sich um den ESM-Vertrag oder den Fiskalpakt handelte. Um nicht alle WählerInnen zu vergraulen, sollten sich SPD und Grüne bemühen, der banken- und wirtschaftsfreundlichen Politik der Kanzlerin etwas entgegenzusetzen. HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

■ betr.: „Piraten im Höhenrausch“, taz vom 16. 4. 12

Wenn der Höhenrausch vorbei ist, wird es vermutlich wieder in die Niederungen gehen. Neulich habe ich als Pirat verkleidet mit meinem kleinen Enkelsohn und seinem Piratenschiff jede Menge virtueller „Pfeffersäcke“ niedergemacht. Ein Programm hatten wir zwar nicht, aber permanent gesiegt. Die Schätze, die wir erbeutet haben, erwiesen sich ebenfalls als höchst virtuell. Alle Segnungen für die Sozialschwachen, die Kinder und die Alten, welche wir auf unsere Fahne geschrieben hatten, konnte man nur mit Fiat Money (Geld aus dem Nichts) finanzieren. Leider kam dann der Alltag. Schade.

KLAUS-G. WALTHER, Reinbek

■ betr.: „Piraten an die Macht“, taz vom 16. 4. 12

Da die taz hauptsächlich grüne LeserInnen hat, finde ich den Kommentar mutig. Wenn ich nun lese, was die Piraten in NRW als Wahlprogramm beschlossen haben, kann ich nur sagen: Weiter so.

Eingliedriges Schulsystem? Ich fand immer, dass Schule nichts mit Selektion zu tun haben darf. Weniger Videoüberwachung? Big Brother war nie mein Freund. Legalisierung des Cannabisanbaus? Brauche ich nicht, aber die Privilegierung von Bier, Wein und Schnaps ist angesichts des Heers von AlkoholikerInnen ein Witz.

In Berlin haben die Piraten gefordert: bedarfsgerechtes Grundeinkommen! Na endlich, dachte ich. Kostenloser öffentlicher Nahverkehr! Für die vielfliegenden Grünen hat das keine Bedeutung. Aber jetzt sind wir mal dran. PETER JANSEN, Hamburg

■ betr.: „Piraten an die Macht“, taz vom 16. 4. 12

Es wird Zeit, dass sich endlich mal diejenigen artikulieren, die sich eben gerade nicht vorstellen können, diese Partei der Blauäugigkeit und Beliebigkeit zu wählen. Ich finde nichts Charmantes daran, ständig in den Medien keine klare Meinung zu haben und in einer Talkshow zu äußern: „Das müsste ich erst mal googeln“. Googeln kann ich selber. Die Vorschläge dieser Partei sind unausgegoren, scheinbar sympathisch, aber bei näherer Betrachtung teilweise sogar regelrecht unsozial. Und als Künstler graut mir vor deren Vorstellungen zum Thema Urheberrecht. Regener hat vollkommen recht! Erst fallen die Deppen massenweise auf die FDP rein, jetzt stürzen sie sich auf die „neuen Liberalen“. Und verhindern möglicherweise notwendige Regierungswechsel! BENJAMIN PETSCHKE, Leipzig

■ betr.: „Angreifen, bis die Blase platzt“, taz vom 16. 4. 12

Warum diese emo-aggressiven Reaktionen von Grünen gegen die Piratenpartei? Warum nicht erst einmal mit Neugier und Interesse versuchen zu verstehen, was da kommt und was da werden will? Warum nicht auch auf Kooperation setzen, da wo möglich? Diese neu entstehende Partei liegt im Trend, auch wenn dieser noch nicht klar erkennbar, geschweige denn ausformuliert ist; erfahrungsgemäß dauert es einige Zeit, um sich zu finden und politikfähig zu werden. Wir Grüne sollten uns diesem neuen Trend der Jugend stellen und öffnen. Es wäre nur primitiv und unproduktiv, sich prinzipiell abzugrenzen und polemisch ohne jeden Respekt über die Piratenpartei herzuziehen, so wie vor 30 Jahren die älteren Parteien über die Grünen. RAINER DYCKERHOFF, Mannheim

■ betr.: „Angreifen, bis die Blase platzt“ u.a., taz vom 16. 4. 12

„Es ist schon auffällig, dass Parteien immer dann als unrealistische Träumer und Verschwender hingestellt werden, wenn sie soziale Themen in den Mittelpunkt stellen und entsprechende Forderungen stellen. Ja, es ist wahr, die Piraten kümmern sich tatsächlich nicht so sehr um die Rettung von Banken und die Schonung von Milliardären, sondern viel mehr um die Schwächeren unserer Gesellschaft, denen sie ein menschenwürdiges Leben ermöglichen möchten. Mit anderen Worten, die Piraten setzen sich für die Unantastbarkeit der Würde wirklich aller Menschen in diesem Staate ein, befolgen also einfach nur das Grundgesetz. Sie wehren sich gegen Zwangsarbeit und -umzüge sowie Überwachung von Arbeitslosen, also gegen die repressiven Maßnahmen aus den Hartz-IV-Gesetzen, die mit grüner (seinerzeit Regierungs-)Beteiligung verabschiedet wurden. Somit ist es eines der Ziele der Piraten, dass niemand mehr ausgegrenzt wird und dass sich die soziale Schere wieder schließt. Genau dieses Ziel dient aber dem sozialen Frieden, von dem jedeR Einzelne in diesem Staat profitieren würde.

BERND-MICHAEL KABIOLL, Berlin

■ betr.: „Im Reich des Machbaren“, taz vom 17. 4. 12

Es stimmt vieles in diesem Artikel von Ulrike Winkelmann. Allerdings ist es nicht ganz fair, eine Partei mit rund 12.000 stimmberechtigten Mitgliedern (entgegen 25.000 behaupteten) in Sachen Mitmachpartei mit einer von knapp 60.000 zu vergleichen. Der Gesamtansatz der Piraten ist das ehemalige grüne „Anti-Parteien-Partei“-Versprechen und sie machen vieles anders. Ohne Strukturen, die über einen langen Zeitraum mit Parlamentsbetrieb einhergehen müssen, fehlt aber bislang einfach der Reality-Check. Wir alle werden sehen, wie sich das weiter entwickelt. Trotzdem ist das Erstarken der Piraten ein Zeichen dafür, dass es um die deutsche Demokratie besser steht als gemeinhin gedacht. Und dass Angebote, mitentscheiden zu können, wichtig sind. Der piratigste Grüne ist da Winfried Kretschmann, der mit seiner Regierung mehr Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg auf den Weg bringt. JÖRG RUPP, Malsch

■ betr.: „Grüne richtig angefressen“ u. a., taz vom 16. 4. ff.

Mir ist auch mulmig mit den Piraten. Nicht nur wegen ihrer wenigen Themen (und dem problematischen beim Urheberrecht dazu). Und nicht, weil die Grünen leiden. Sondern vor allem, weil die SPD ihrer Schräglage hin zur CDU noch mehr nachgeben wird als bisher. Wenn die SPD lieber faul in Regierungssesseln sitzen, statt Stress haben will, denunziert sie die Kleinen einfach als „nicht regierungsfähig“ oder die Koalitionen als „unsicher“. Die Chancen auf wirklich andere Politik sinken mit den Piraten-Ergebnissen also noch mehr. Und doch sind sie verständlich. Als Protestpartei sind die Piraten eine leichter wählbare Alternative als die Linke, gerade weil keiner weiß, was die in „harten“ Themen wirklich wollen oder machen würden. Jeder kann seine Wünsche auf sie projizieren. Nach vielen Fehlern bleibt Rot-Grün keine Alternative für zu Recht Unzufriedene, weil die genannten Fehler nicht erkannt und zugegeben werden und die Verantwortlichen weiter oben schwimmen. Die blinde Zustimmung zur Eurorettung und zum Fiskalpakt zum Nutzen der Banken ist auch nicht hilfreich. Die Grünen leiden ebenfalls, sie machen es nicht besser: Schwarz-Grün ist eine viel zu beliebte Variante des gleichen Weiter-so. Da hilft Jammern nicht weiter, sondern an die eigene Nase packen. Weg mit Steinmeier, Steinbrück und schwarzen Koalitionsgedanken, sonst macht sich die SPD so überflüssig wie die FDP. Um Albig (taz, 16. 4. 2012) abzuwandeln: „Eine Partei, deren einziges Koalitionsinteresse eine Koalition ist“, ist uninteressant.

THOMAS KELLER, Königswinter

■ betr.: „Grüne richtig angefressen“, taz vom 16. 4. 12

Mit einer Demokratisierung – die Meinungsbildung der Piraten ist ja offensichtlich momentan die demokratischste aller im Rennen stehenden Parteien – ist also unser Staatswesen zu zerstören? Der sagenumwobene Erfolg der Piraten hat zwar auch etwas mit den technischen Kommunikationsmöglichkeiten zu tun – Hauptursache ist aber eine Glaubwürdigkeit, die diese Bewegung den politikfrustrierten Menschen vermittelt. Daran mangelt es ja doch den anderen Parteien mehr oder weniger. Die Piraten haben ihr Ziel noch nicht gefunden. Und das ist gut so. Denn Leben ist immer währende Bewegung und Veränderung. Und das verkörpern die Piraten momentan. Adäquates Verhalten wäre doch eher mal, die eigenen Positionen zu überdenken, und endlich eine längst überfällige eigene Erneuerung voranzutreiben. HORST BASSENIAK, Braunschweig

■ betr.: „Piraten an die Macht!“, taz vom 16. 4. 12

Genau! Nur so geht es. Die Wähler wollen keine Politiker, die sich gegenseitig blockieren. Stillstand ist Rückschritt.

Eine (Protest-)Partei wird groß, wenn die SPD nicht mit der Linken kann (oder will?) und weil die Grünen nicht mehr für Veränderung stehen. Wieso geht man (in Berlin) denn wählen – wenn nachher eine große Koalition gebildet wird. Die (Parteien-)Demokratie braucht eine (starke) Opposition. Die „Große Koalition“ sollte Krisenzeiten vorbehalten sein.

NORBERT VOSS, Berlin

■ betr.: Piraten an die Macht!“, taz.de vom 15. 4. 12

Linkspartei, Piraten und Grüne zusammen in einer Regierungskoalition und das bei gleichzeitiger Verwirklichung der direkten Demokratie wie in der Schweiz – das wäre interessant.

Leider sind die Grünen aber ebenso neoliberal wie die SPD, und diese beiden Parteien wollen immer nur miteinander ihre Verbrechen begehen, oder sie wollen mit der CDU koalieren. Deshalb mobben SPD und Grüne die Linkspartei und nun auch die Piratenpartei. Das wird sie Stimmen kosten!

LARA CROFT, taz.de

■ betr.: „Grüne richtig angefressen“, taz vom 16. 4. 12

Dem Grünen Palmer zufolge zerstören Piraten demnächst unser „funktionierendes Staatswesen“. Eine Parteineugründung, deren Anhänger – zugegeben – viel Unausgegorenes von sich geben. Doch bislang konnten diese mangels fehlender Verantwortung nicht viel falsch machen. Das sieht bei SPD-Grün – also denjenigen, die sich am meisten über die Neulinge echauffieren – etwas anders aus. Das Phänomen, dass selbst aufgeklärte Wahlbürger entweder nicht wählen oder den Piraten ihre Stimme geben, dürfte einerseits mit der Erinnerung an deren Großtaten und das dafür verantwortliche Personal zu tun haben. Andererseits bleibt denselben Bürgern angesichts des ständig dargebotenen Unvermögens der spezialdemokratisch-grünen Parteien, trotz ausreichenden Wahlvotums eine politische Mehrheit jenseits der herrschenden Kräfte zu organisieren, nicht viel anderes übrig, als neue Varianten ins Spiel zu bringen. Mal sehen, wie lange es bei der politischen Klasse noch dauert, das Wahlverhalten richtig einzuordnen. HANS GÜNTER GREWER, Saarbrücken

Immer mehr WählerInnen würden der Piratenpartei ihre Stimmen geben, das ergaben jüngste Umfragen. In der nächsten Landtagswahl in Schleswig Holstein würden 11 Prozent der WählerInnen laut Infratest dimap die Piratenpartei wählen. Sie würde dann mit den Grünen fast gleichauf liegen. SPD und Grüne hätten im neuen Landtag keine Mehrheit mehr. Und in Nordrhein-Westfalen würde laut Info GmbH die Piratenpartei mit 11 Prozent sogar knapp vor den Grünen liegen. Grüne und SPD sind frustriert. Die Grünen wollen auf „Konfrontationskurs“ gehen (Boris Palmer), und Torsten Albig, SPD hält eine große Koalition für wahrscheinlich. taz-Kommentator Gereon Asmuth fordert gleichwohl „Piraten an die Macht“ und kann sich vorstellen, dass Rote und Grüne vor den Wahlen deutlich machen, dass sie die WählerInnen ernst nehmen und notfalls auch mit den Piraten koalieren.